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Königliche Hoheit

Der Kammerherr vom Dienst verbeugt sich tief,

Und noch einmal. Leis klappen seine Hacken.

Die alte Gräfin, die seit neun schon schlief,

Schrickt auf und bückt den kugelrunden Nacken.

„Wir reiten morgen früh zum Försterhaus,

Ich wünsche wohl zu ruhen, meine Damen."

Der junge Fürst grüßt leicht, geht rasch hinaus.

Der dicke Hofmeister ächzt leise: „Amen."

Voran drei kerzentragende Lakaien

In rother Gala. Durch des Schlosses Gange

Geht rasch der Fürst, entlang de» Zimmerreihen,

Und öffnet seines Waffenrockes Enge.

Sein Schlafgemach. Er knurrt: „O dies Gethue...

Wie spat? Elf Uhr? . . Jean, eine Cigarette.

Ich danke. Gute Nacht. Ich will zu Bette.

Lösch auf dem Gang das Licht. Ich wünsche Ruhe."

Der Diener geht. Vorm Fenster liegt der Tann,

Vom Mond beglanzt. Der Prinz sieht nach der Uhr.
Dann pfeift er leis: „Ach wie ist's möglich dann .. ,"
Huscht schon ihr Schritt? Wo bleibt sie nur ..,

Erwartend lächeln Königliche Gnaden.

Die Thüre klinkt, ein feiner Heller Ton,

Und in das Zimmer springt, halbausgezogcn schon,

Ein siebzehnjährig Kind mit runden Waden...

Es rauscht eine alte Linde am Schlosse auf dem Wall,
Drin ftötet traumverloren eine Nachtigall.

Die Mondnacht blaut. Sechs Posten halte» Wacht.

Die Lampe ausgepustet. Gute Nacht.

Larl Rulcke

Husruhende Diana

fl. Briitt (Berlin)

Um 0ift

von Hans von Hoffensthal

Als De. Robert Elsner das „Victoria-Restaurant" am Lnzcrn-
plah verließ, schlug es zehn Uhr.

Er hatte gut zu Abend gegessen und, einem theneren Einfall
folgend, statt des gewöhnlichen Ttschweines eine Flasche Artisan
Listrai zum Dessert genommen. Dann hatte er eine Chipman an
gebrannt und schlenderte nun heim.

lieber die Provinzstadt wölbte sich, schwarzverhängt und sternen-
los, eine schwiile Rächt. Die schweigsamen Straßen, in denen der
beiße Dunst des verbrannten Tages stickig und dumpf noch den
Atem beengte, waren spärlich von einzelnen Bogenlampen beleuchtet.
Um ihr flirrendes Licht schwirrten surrend die großen Nachtfalter,
Spinner und Bohrer, und stießen in ungestümem Flug, verwirrt
und gereizt von der Helle, mit ihren Flügeln an die Kugelgläser,
bis sie taumelten, stille wurden und starben.

Nur wenigen Passanten begegnete er. Ein paar biedere Spießer,
die in Weinlaune lachend aus einer Kneipe traten, unterhielten sich
überlaut, ehe sie sich trennten. Ein junges Mädchen, ein Packet
unter dem Arm, hastete, ohne ihn anzusehen, an ihm vorüber,
überschritt die Straße und blieb dann vor einem Hausthor stehen,
an dem es läutete. Dr. Elsner sah hinüber, schtvenkte, immer die Ge-
stalt des jungen Mädchens im Auge, nach links und wollte schon
auf das andere Trottoir, als drüben die Thüre sich öffnete, Dunkel
in schwerem Schatten herausguoll und das Mädchen aufnahm. Ein
Schloß drehte sich, weit hinten schlug ein Hund an. Dann ward es
wieder still.

Er machte kehrt und ging bis zur Gotthardgasse, in die er ein-
bog. Ans dem Schatten zwischen den nächsten Laternen machte eine
kleine unschöne Gestalt ein paar müde Schritte ans ihn zu und eine
farblose, süßlich fade Stimme flüsterte ihre werbenden Worte. Er
sah an der Hungernden vorbei, unfroh und geekelt, und schritt
rascher aus, um der Belästigung derer, die weiter drüben standen
und gingen, zu entgehen. Als er um die Ecke war, nahm er
seinen Panama vom Kopfe, fuhr sich mit dem Taschentuch über die
Stirne und sagte kurz und bitter einen halblauten Fluch.
Register
Adolf Brütt: Ausruhende Diana
Hans v. Hoffensthal: Um Gift
Carl Bulcke: Königliche Hoheit
 
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