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Nr. 27

1905

Zum ehina*Prozefj

Der Besiegte wehrlos und vsgclfrei!

Raub, Schändung und Tempcl-Plündcrci!
2lus Deutschlands Ehre ein Fleck, ein trüber, —
Theisten waren wieder mal

Buddha über!

Das boykottierte Ministerium

Nejcrvary (mit leinen MiniftcrkoUkl,cn ans dem
Parlament tretend!: Hat. war haiße Sitzung, Brie-
derln! Geh',, mer uns bissel stärken mit Paprika-
GulvaS und ichtvcmmcn hinunter Mißtrauensvotum
mit Ftosch' Tokaher!

(Im Restaurant/ Ter flicstaurateur: Mus;
ich fahr bedauern, maine Herrn, ungarische» Mini-
stern wird hier nix serviert. Bitl' ich, Lokal inainiges
sosort »u vsrlossen!

Feiervart> (draußen): Dummer Kerl! Böholt'
DainGulhas! Geh'n nier holt bissel Ezardastonzen!
Dos weckt auch die Lebensgaister!

(Beim Ezardas.) Tic schöne (Ftclka:
chrilt vom Laib! Wos is echtes Ungarmade'
t mit Minister, mit Boterlondsvorräther!
Fejcrvary (draußen): Hob' ich svekulcitwc ^vrc.
eh'n mer Ulstern Schnaider zohlen i Der behandelt
uns gewiß nit ols Lust!

(Beim S
nit

zwirn Ezardas.) Tie schöne Etelka: Zehn
Schritt vom Laib! Wos is echtes Ungarmadel, tonzt

nit mit Minister, mit Boterlondsverräther! A Weisgerber

Hus <»r

• S gewiß nit ols Lust! J „ „rÄchtia der da aber will absolut mcm

(Beim Schneider.) Der Schneider: Konn mich -c?„„Nucbt! Her eine Resset brodelt so pra v>

erinnern, gemocht zu hoben Ihre Bökonntschast. "v
maine Herr» l Ungarschnaider näht Minister »it
ainmol Knops on!

*) Das österreichlsche Adaeordnetenhaus lehnte mit 85
gegen 35 Stimmen den Antrag Schönerers aus Trennung
von Ungarn ab. _ ,

Krokodil

Zwei geiriiiebe £(Ulm«n$cben

Lin Pfarrer in Karlsruhe drohte einer nerven-
kranken Frau, weil sie in zehn Jahren nur drei
Kinder geboren hatte, mit Verweigerung der Ab-
solution, wenn nicht bis zur nächsten Beichtzeit
der Nachweis eines weiteren Familienzuwachses
erbracht wäre.

Der Pfarrer Lebt an c in Gar sch (Lothringen)
drohte den Schulmädchen, sie von der ersten Kommu-
nion auszuschließen, wenn sie nicht gegen einen
Bahnbeamten der Wahrheit cntgegen aus sagten,
daß er Unsittliches mit ihnen getrieben habe. Der
junge Man» saß infolge dessen zehn Tage un-
schuldig in Untersuchungshaft und der Untersuch-
ungsrichter wurde nur durch den energischen Pro-
test der Litern an feinem Vorhaben gehindert, iin
tvrt alle Mädchen von 7—15 Jahren auf ihre
Jungfräulichkeit untersuchen z» lassen. —

wie viel Dutzend Monate Gefängniß „wegen
vorsätzlicher und rechtswidriger Beleidig-
ung der Geistlichkeit in ihrem Beruf" kriegt
inan wohl aufgebruinmt, wenn man die beiden
Gottesmänner das nennt, was fie sind?

vielleicht findet perr Licentiatus Bahn, der
die Deutschen ein „Volk der purer" genannt hat,
bis zum nächsten Sittlichkeitskongreß einen eilt5
sprechenden, kräftigen Ansdruck

Der neue ZZIutarch

Nach dem Empfang der Semstws-Vertretcr
zog sich Nikolaus II. in seine privargcmäch,
zurück.

kayrtscbes Marnungstakert

von Kassian Kluibenscbädel, Tuifeiemaier

Mein lieber Sozi, laste Dir in aller Freundschaft sagen:

Im schönen Italien gebt es Dir wahrscheinlich an den tragen,

Dieweil der Papst mit seiner neuesten Lncyclica anjetzt
Das ganze Peer der Klerikalen Dir auf die Fersen hetzt!

Drum wandre schleunigst aus in Anbetracht dieses argen Affrontes,

Schüttle den römischen Staub von den Sohlen und pilgere ruhig zu uns uni
von unferi» schwarzen Peerbann geschieht Dir nichts— der bereitet Dir
Und drückt Dich treu und bundesbrüderlich an seine Brust als an

ultra montes l

das wärmste Platze!
serwähltes

Perzensschatzel!

„Man macht Mir Vorwürfe wegen der
Ströme vergossenen Blutes... ja, Ich Hab'
doch 's Pulver nicht erfunden!"

Der TeknmUltonenfoncis

Speziaiberichl der „Jugend"

Wir haben in die Sitzung der Zehnmillionen-
sammler einen Spezialberichterstatter geschickt,
der sich (dank der von uns gezahlten Honorare) als
Millionär verkleidete und als solcher Einlaß fand.

Er schreibt uns:

„Es ist erreicht! Ich war der einzige von der
Zunft! August Scherl war zwar auch »och da,
aber er war nicht als Zeitungsbesitzer, sondern als
einfacher Krösus erschienen; nicht einmal seinen
photographischen Apparat hatte er bei sich.

Exzellenz Koch entwickelte den Plan. Zur
Silberhochzeit des Kaiseipaares sollten ohne
Unterschied der Währung jährlich 10 Millio-
nen Freitische sür Offiziere gestiftet werden;
die Freitische sollten in Familien gewährt werde».

Dagegen wurde eingewandt, das; Aktien-Gesell-
schasien und andere Firmen keinen ständigen Mittags-
tisch hielten und ohne Genehmigung der berufenen
Organe auch nicht einrichten könnten. — Diesem
Nörgler wurde entgegnet, man denke auch nicht an
Akttengesellschasten und Firmen, sondern an deren
Direktoren und Inhaber. Diese sollten nicht
in fremde, sondern in ihre eigenen Taschen greifen.
— Ein anderer Nörgler meinte: „Nu, ist mir
recht. Greisen Se in Ihre Tasche, aber
nicht in iiieine!"

Ein dritter vaterlandsloser Geselle wies darauf
hin, daß ein Theil der Herren, an die man sich
wende, koschere Küche führe, und daß diese den
Herren Ossizieren nicht Zusagen werde. — Ihm
ivnrde entgegnet: Kon ölet! Der Mensch gewöhne
sich an alles! Die Osfiziere würden diese Kost lieben
lernen und schließlich eher zum Iudcnthun, über-
treten, als daß sie die rituelle Küche ausgeben wür-
den; aus diese Weise würde die soziale Kluft zwischen
Judenthum und Ossizierstand überbrückt werden.

Der Generaldirektor einer großen Dam-
pserlinie trat dem Vorredner bei; nicht allein die
von der Hamburg-Amerika-Linic, sonder» auch jeder
von unsre Llohd werde gern geben. — Von an-
drer Seite wurde darauf hingewiesen, -aß der Ur-
ahn des Fürsten Henckel von Donnersmarck auch
Kaufmann gewesen sei. Wer weiß, vielleicht sei auch der
Urahn des Oberstkämmerers F ü r st e n Fü r st en b e r g
nichts als Geschäftsinhaber der Berliner Handels-
gesellschaft gewesen. Auch der Urahn des adligen
Schnhmachcrmeisters v. Busse solle einsachcr,
bürgerlicher Millionär geivesen sein. Solche Standes-
erhöhungcn könnten sich doch auch in Zukunst wieder-
holen. — Ein Baissier erwiderte, er könne doch
nicht warten, bis er zweihundert Jahre tot sei; das
Ziel sei zu lang.

Koch gab zu, daß der Kurs der Regierung augen-
blicklich einem großen Theil der Eingeladenen nicht
günstig sei. Allein grade Männern von der Finanz
brauche er doch nicht zu sagen, daß jeder Kurs
veränderlich sei.

Ihr Berichterstatter feierte die persönlichen Ver-
dienste des Präsidenten Koch, die jeder anerkennen
mühte, auch derjenige, der Gegner des Planes sei.
Mit ihm stehe und falle das Projekt. Kein Frei-
tisch ohne Koch!

Scherl empfahl, die Freitische mit einer Prämien-
lvtterie zu verbinden; ans den Erträgnissen der
letzteren solle sür jeden Offizier der Armee ei» Exem-
plar des .Lokal-Anzeigers" abonniert werden.

Gegen Schluß der Börsenzeit flaute die Grund-
stimmung merklich ab: die Geschäftslust war gedrückt;
einer stürmischen Realisationslust stand eine kühle
Nachfrage gegenüber. Die Freitische waren mit
Mühe behauptet; Rückgänge wurden nur durch er-
hebliche Anstrengungen der Hausse verhütet. Gegen-
über dieser schlaffen Haltung des einheimischen
Marktes und seiner geschwächten Ausnahmesähigkeit
muß man denn doch fragen:

Ist denn kein Mirbach da?"

Fl’ldo
Register
[nicht signierter Beitrag]: Zum China-Prozeß
Albert Weisgerber: Aus der "Times"-Küche
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Krokodil: Das boykottierte Ministerium
Kassian Kluibenschädl: Bayrisches Warnungstaferl
Frido: Der Zehnmillionenfonds
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
 
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