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Deutsche Gemütbsrube Paul Rieth (München)

„Wenn der gallische Hahn kräht auf dem englischen Mist»
©ibt’s einen Krieg, oder 's bleibt wie’s istl"

miclKl, dab' jUcbt!

War da einmal in der fugend" Spc
Lin deutsches Zioltenlied enthalten,*)
D'rin mir dem RAchel den Rath erth
Schiffe zu bauen unverweilt,

Daß er zu Zeiten der Roth mit Lhre
Sich seiner Zeinde könnt' erwehren.
Waren die Verse nun gut oder schleck;
Tausenden waren sie eben recht.
Wurden von Alten, wie von Zungen
Auch zur guten Stunde gesungen,
Seibst einmal — wie fürchterlich, ach
Bei einem Schulfest;u Lisenach
Von einem Primaner — wie schreckbai
Von dem dortigen Gymnasio.

Da erhub sich ein gräulich Wettern
Zn diversen linksstehenden Blättern,
Denn ein Lied von solcher Tendenz
Brächte der Zugend die Pestilenz,
Läng' man's in ihren Kreisen, ach,
Wie auf der Schule zu Lisenach!
Sprühten Zeuer hinten und vorn
Zn freisinnig demokratischem Zorn.
Weil so ein Lied bei den Schülern gewi
Züchten verderblichsten Chauvinist
Und solch frühe verdorbene Seelen
Später nie mehr deutsch-freisinnig wö
Ganz besonders wüst und rabiat
That ein ganz kleines freisinniges B
Das mit bescheidenem Veiichengemü«
Sonst an der Spree im verborgenen
Das — den Lorrektor ausgenommer
Rie noch ein Rlensch in die Hand beko
Der es gelesen mit Interesse:

Ls heißt die „Zreie deutsche Presse
Da ward nun unser Poem vermobel
Ward der Verfasser angepöbelt,

Samt dem Primaner, der's durste wc

*) „Schiffe bctu’ni* von Zritz von <i
Ro. 50 der „Zugend", >923.

So was Lntsehhaftes vorzutragen,

Samt dem Professor, dem Anstaltsleiter —
Za, in Deutschland, da lebt es

fi ch heiter,

Wo sie Zedcn mit Steinen schmeißen
Und einen Chauvinisten heißen,

Der nicht versöhnlich lächelt und mild.
Wenn man ihn drauß einen Hundsfott schilt;
Der, kriegt er rechts eine runtergehauen,
Richt in Demuth und Gottvertrauen
Auch noch die linke Wange dem Ziegel
Hinhält nach der bekannten Regel;

Wo man dem Mann, der jeder Zrist
Lieber Hammer als Ambos ist
Und, kommts wirklich einmal ;um Raufen,
Theuer will seine Haut verkaufen,

Mit dem zeternden Wuthschrei droht:
Schlagt ihn tobt den Hund —

er ist ein Patriot;

'•Jugend“

*

Schreckliche Enthüllungen

Der „Daily Expreß" weiß seinen Lesern, wahr-
heitsliebend, wie die englische presse nun schon
einmal ist, zu berichten, daß sich der deutsche
Kaiser in gar trostlosen Vermögens-
verhältnissen befindet und gezwungen ist, seine
reichen Unterthanen anzupumpen. Zwar
dementiert die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung"
diese Nachricht und heißt sie eine boshaft freche
Erfindung — aber, den Informationen nach,
die wir aus gleich guter (puelle, wie der „Daily
Expreß" beziehen, steht es wirklich mit den kaiser-
lichen Finanzen schlimm. Das Hungertuch, auf
das der ganze Hof angewiesen ist, ist unbeschreib-
lich groß, und wenn es in die Wäsche kommt,
können die hohen Herrschaften nicht einmal an ihm
nagen. Kaiser und Kaiserin essen reihum bei den
wohlhabenden Familien, wenn sie einmal was
Warmes kriegen wollen, und die kaiserlichen Prin-
zen sammeln milde Gaben oder hausieren mit

Streichhölzchen. Niemand ist vor dem Angepumpt-
werden sicher. <Vft schon wurden den Soldaten,
die vor dem Schloß Schildwache stehen, ihre ganzen
Ersparnisse abgeknöpft und nicht selten soll es
passieren, daß der Kaiser, wenn er auf der Elek-
trischen fährt, das Fahrgeld schuldig bleiben muß.
Bei einer im Lustgarten stationierten heißenWurstel-
frau war die Schuldenlast der kaiserlichen Prinzen,
die sich dort gütlich thaten, zu immenser Höhe
aufgelaufen. Als die arine Frau die Summe —
man spricht von acht Millionen — nicht länger
borgen wollte, wurde ihr der Aufenthalt an jenem
Vrte einfach untersagt und sie so dem Elend preis-
gegeben. Alan wundert sich übrigens im Lande
nicht über die enormen Schulden des Kaisers; man
erinnert sich daran, daß auch der Bruder seiner
Alutter, ein gewisser Prinz von Wales, einst im
Pumpen groß war und citiert achselzuckend das
alte deutsche Sprichwort:

„Der Neffe fällt nickst weit vom Gnkel!"

Aus dem lyrischen

Tagebuch d. Leutnants v. versewitz:

Der Zehiimillioiienfonds

Man jehört von Von Donnersmarck?
Jiebr doch unjlaudliche Dinge...

Dreister Jeselle das! wirklich stark!
Eijentlich müßte vor Klinge!

Nothstand von Unsereins? Jar nich wahr!
Ielder vorhanden, für Alle.

Haben durch Majestäts Jüte sojar
„Zuschuß" im Heirathsfalle.

Jedenfalls wünschen Privathilfe nich.
Jrundsay, der unbestrirren:

Deutsche Armee hilft selber sich!
Einmischung muß sich verbitten.
Register
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen tagebuch des Leutnants von Versewitz: Der
-a-: Schreckliche Enthüllungen
Redaktioneller Beitrag: Michel, hab' Acht!
Paul Rieth: Deutsche Gemüthsruhe
 
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