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Die Blumen der Cöittwe

Sie drückt, wir ich, versteckt im Flieder, sali,
Auf jede Rose noch der Liebe Siegel,

Und hielt de» Strauß dem Herzen innig nah,
Dann legte sie ihn seufzend ans den Hügel.

Sie ging. Ich trat an's Grab. Ich sprach

zum Strauß:

Du bist von Liebe jetzt ganz, ganz durchflutet.
Strahlst dn die wirklich all' dem Toten aus?
Der Tote schlaft! Doch meine Sehnsucht blutet!

Und beug' ich mich zu dir, laß es gescheh'n,
Ich will nicht sträflich seine Rosen fassen;

Ich will nur hier, wo Liebe atmet, steh'n
Und mich von ihrem Duft umkosen lassen...

lsugo Salus

Freden

Wie grot und gel de Mand opstiggt,

Wie still bat Dorp dor achter liggt. —
Vun't Pastorhus her liicht een Lamp,

Op Moor und Wisch liggt Neveldamp.

Fru Nachtigal in'n dichten Dorn
Hett lang ehr Melodie Pcrlorn.

Und ünnern blöhnden Lindenbom
Dor driimt een Deern so säten Drom.

An'n Poggendik geiht quack, qnack, quack,
De Poggen holt denn Abendsnack.

Een Feldmus vbern Wall wegstiggt,

De Glöhworm holt dvrto de Liicht.

An'n Waldrand steiht een slankcs flieh
Und plückt de Köpp vun'n hogen Klee.
Gespenstisch flüggt de FladdermuS
Mit lisem Schrcc um't Buernhus.

Een Freden liggt op Feld und Flur,

As gevt kecn Strit iu de Natur.

De Minschen sünd wie grote Görn
Und lat vun Hoffnung sick bethörn.

Theodor Teil

In der Kunst und im Leben

Don Vtto von Leitgeb

Was das Leben erzählt, sind Thatsachen.
Die Kunst kann höchstens ihre Werthe wieder-
geben, indem sie ihre Eindrücke untersucht,
ihre Wirkungen in der Seele auffindet, ihre Zu-
sammenhänge mit den Empfindungen entdeckt.

Thatsachen treffen den Einzelnen, ein po-
litisches Gemeinwesen, auch einen ganzen
Stamm. Die Kunst muß fähig sein, die
ganze Menschheit zu ergreifen und jede Schranke
vergessen zu lassen.

*

Die Kunst hat nichts zu erzählen. Das
ist die Aufgabe der Geschichte, der Polizei-
berichte und der Lokalreporter. Am spröde-
sten und stolzesten gegen die Zumuthung, zu
erzählen, verhält sich die Musik. Weder die
Skulptur noch die Malerei sotten erzählen
wollen. Ja, in der letzter» kann diese Ab-
sicht sogar die Kunst in den Abgrund werfen.
Selbst in der Dichtung empfindet das echte
Feingefühl eine tiefe Unterscheidung zwischen
der Erzählung und der Darstellung. Jene
kann eine Fülle von Phantasie, ein bewun-
dernswerthes Geschick oder verblüffende Fertig-
keit verrathen. Die Kunst an und für sich
steckt in der Darstellung allein. Geradeso,
wie die Kunst der Malerei iu der Farbe liegt,
nicht im Gegenstände.

*

Popularität ist immer ein Symptom der
leichten Verständlichkeit und Zugänglichkeit.
Die Heimstätten der Kunst sind keine Gast-
häuser, sondern Tempel. Das tvirklich Volks-
thüniliche ist der "nächste Verwandte des Ge-
meinen. Es scheint darum unfaßbar, was
„Volkskunst" eigentlich heißen soll! —

*

Die Höhen der Kunst werden niemals
auf vielbetretenen Wegen erreicht, sondern
nur auf den einsamen Pfaden der Eigenart
des Künstlers.

Der Geschmack der Menge und diese Eigen-
art sind durch eine Kluft getrennt, die desto
tiefer ist, je größer der Künstler. Wenn sich

Wilhelm Keppler (München)

der Abstand vermindert, wenn sich das hin-
reißende Schauspiel begibt, daß ein großer
und eigenartiger Künstler begriffen wird, so
ist es immer das Publikum, das sich ihm
nähert, niemals der Künstler, der sich zur
Menge zurllckwendct.

*

Verstand heißt in der Kunst nicht viel.
Verständniß ist etwas. Empsindung Alles.

•»

Gedichte

von YDaltI)cc Linus

Hacht

Schließe die Augen, schlaf endlich ein,
Morgen wird alles anders sein.

Klar werden die Berge stehen.

Dein Weg ist steil und steinig und kalt —
Aber die Nebel sind verwallt —

Und Dn wirst ihn gehen!

Hexenspruch

Schatten flattern an den Wänden,
Lichter auf des Jünglings Kleid,

Auf dem Schwert in seinen Händen,

In den Blicken mordbereit:

„Nennst Du das die Zukunst sagen,
Teufelhaftes Luggeschmeiß,

Daß Du mir auf alle Fragen
Nur verkündet, was ich weiß?"

Doch der Hexe Auge haben
Schon den droh'nden Stahl gebannt,

Und sie faßt den schnellen Knaben
Höhnisch lächelnd bei der Hand:

„Gott und Mensch und Teufel sehen
Auch nur, was die Seele spricht, —
Doch gestehen, doch gestehen,

Jünglein, konntest Du Dir's nicht!"
Register
Otto Georg Ritter v. Leitgeb: In der Kunst und im Leben
Wilhelm Keppler: Zierleiste
(Theodor) Tell: Freden
Walther Unus: Gedichte
Hugo Salus: Die Blumen der Wittwe
 
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