Nr. 28
1905
Epistolae virorum obscurorum
novissimae
XIV.
Lieber Herr Maier! Ihre Anfrage wegen der
jüngstens in den Zeitungen veröffentlichten Cn-
cyclika Sr. Heiligkeit hat mich sehr gefreuct und
ist mir selbe ein neuer Beweis Ihrer echt christ-
katholischen Gesinnung. Denn mit Recht fragen
Sie als treuer Centrumsmann, wie Sie sich ins-
künftig zu den politischen Dingen zu stellen haben,
nachdem Ihnen Einiges in den Sätzen Sr. Heilig-
keit nicht ganz verständlich sei. Und will ich
daher nicht ermangeln, Ihnen ganz genauen
Aufschluß in diesen Punkten zu ertheilen. Näm-
lich vor Allem müssen Sie bedenken, daß Sie die
ganze Schrift eigentlich und im Grunde genommen
gar nichts angehen dürfte, indem Se. Heiligkeit
lediglich die italienischen Bischöfe und Katholiken
im Auge hat und wir hier in Deutschland, ins-
besondere aber in Bayern, diese Dinge ja ohne-
dies bester verstehen als Se. Heiligkeit, was Sie
daraus ersehen können, daß in dieser Encyclika
lauter Maßregeln empfohlen werden, welche wir
hier schon längst besitzen, als zum Exemplo der
katholische volksverein, Katholikenversammlungen,
Wahlvereine und die Benützung der Presse.
Schließlich, lieber Herr Maier, haben Sie sich
spezialiter an dem Satze gestoßen, daß der
<8eistliche gegen das verheerende Ein-
dringen des Sozialismus das Volk
schützen solle, und fragen in Ehrfurcht
an, wieso sich solches bei den bevorstehenden
Landtagswahlen mit den wünschen Sr. Heilig-
keit etwa lasse vereinbaren. Nichts ist leichter
denn dieses. Nämlich abgesehen davon, daß die
ganze Sache, wie ich Ihnen bereits bemerkete, uns
hier in Deutschland gar nichts tangieret, so ver-
steht eben Se. Heiligkeit blos noch nicht die Höhe
der Auffassung, die politische Reife, zu welcher d,e
katholische Aktion in unserem lieben vaterlande
sich bereits emporgehoben hat. Auch wir, geliebter
Mitbruder im Herrn, wollen nichts Anderes thun
J UGEND
als omnia restaurare in Christo. Indem wir
die Sozialisten wählen und mit ihnen Gemein-
schaft machen, nehmen wir ihnen eben das Giftige
und verheerende und machen, indem sie ja hin-
wiederum uns wählen, sie zu einem gottgefälligen
Werkzeuge, zu einem Instrumente der göttlichen
Vorsehung, wie mein College der Hochwürdige Herr
Stadtpfarrer von Ingolstadt dies ja so schön aus-
gesprochen hat. wir verhindern also die schlimme
Thätigkeit des Sozialismus durch nichts bester,
als indem wir ihn zu unserem Freund und
Bnndesgenossen machen, demzufolge Sie, lieber
Herr Maier, die wünsche Sr. Heiligkeit getrostsam
durch nichts bester erfüllen werden, als indem Sie
am Wahltage (nebst allen Ihren und unfern
Freunden) Ihren Stimmzettel abgeben für den
Maschinenschlosser August Kare Stemmeisen, der
Ihnen seitens der sozialistischen Parteileitung sicher
und rechtzeitig zngehen wird.
Sebastian Hafendeckel,
Pfarrer, Mitarbeiter des „Bayrischen Kurier" und
Mitglied des lvahlvcreins der bayr. Centrumspartei.
Kriegslelegranim
Ein Telegramm ist ausgehängt:
Die baltische Flotte ist zersprengt.
Sechstausend Russen sind untergegangen.
Dazu ihr Admiral gefangen.
Und zwischen den Köpfen dicht an dicht
Sri;' ich ein klein mongolisch Gesicht,
Aus grünlich gelbem Holz geschnitzt,
So unbewegt. Nur das Auge blitzt,
wie es da an der Depesche hängt:
Die baltische Flotte ist zersprengt.
Sechstausend Russen sind untergegangen.
Dazu ihr Admiral gefangen.
Dann wendet er sich ruhig zum Gehen,
Als wäre weiter nichts geschehen.
Nur einmal noch sein Auge schießt
Ueber die Menge, die die Depesche liest,
lieber den Platz und die Straße hin —
Hunger blitzt es und Raubthiersinn.
lind mitten in dem Menschenschwarm
Zwei deutsche Matrosen Arm in Arm,
Zwei Iungens von der Waterkant,
Auf Urlaub an Land.
Und plötzlich sagt der eine Mann:
„Junge, Junge, nun kommen wir dran.
Hast Du das gelbe Biest gesehn?
wie dem die Augen spazieren gehn?
Da kommt so 'n Kerl Dir rin ins Haus
Und guckt Dir alle Ecken aus
Und fragt: wohnt nich Herr Müller hier?
Und abends bricht er ein bei Dir.
Junge, Junge, die Sache ist stau
Mit dem verdammten Kiautschau." —
Der andre spuckt erst vor sich hin:
„wenn schon, denn schon. Laß man rin!
wenn der Düwel die Mühle dreht,
Mühle und Müller zum Düwel geht.
Aber Junge, das sag' ich Dir:
So ne Depesche hängt dann nich hier,
von wegen ,Admiral gefangenst
Dann heißt's:
Die Flotte ist untergegangen
Mit Mann und Maus und Offizier
Und mit Hurra. Das sag' ich Dir."
Ott» Anthc-u
*
Trinksprüche. Der Präsident Castro gab kürzlich
den bei ihm beglaubiglen Diplomaten ein Mahl und
brachte einen Trinkspruch auf internationale Freund-
schaft und Eintracht aus. —
Der Generalgouverneur Trepow gab den Ver-
tretern der Intelligenz ein Mahl und brachte einen
Trinkspruch auf Freiheit, Gleichheit und Brüder-
lichkeit aus.
Der Brecheisen-Willi gab vor Antritt seiner dies-
jährigen Zuchthausstrafe seinen Kollegen eine Lage
Rachenputzer mit Pomeranzen und brachte einen
Trinkspruch aus Treu und Redlichkeit aus.
Der Reichskanzler gab feinen Mitarbeitern an
dem neuen Zolltarif ein Mahl und brachte einen
Trinkspruch auf Handel und Industrie aus.
Protylin-
Tabletten
Poche
Unentbehrlich
r für
Sportliebhaber und Touristen.
Kräftigen das Nervensystem.
ErllÖhen Energie und Ausdauer.
Befähigen hervorragend zu körperl. Leistungen.
Sctl ÜtZen vor Ermüdung und Erschöpfung.
Käuflich in Apotheken. Preis Mk. 2.—, Fr. 2.50, ö. Kr. 2.50.
Man verlange Prospekte.
F. IIoffmaim-La Roche & Cie.
Basel N. (Schweiz), Grenzach J. N. (Baden) A
1905
Epistolae virorum obscurorum
novissimae
XIV.
Lieber Herr Maier! Ihre Anfrage wegen der
jüngstens in den Zeitungen veröffentlichten Cn-
cyclika Sr. Heiligkeit hat mich sehr gefreuct und
ist mir selbe ein neuer Beweis Ihrer echt christ-
katholischen Gesinnung. Denn mit Recht fragen
Sie als treuer Centrumsmann, wie Sie sich ins-
künftig zu den politischen Dingen zu stellen haben,
nachdem Ihnen Einiges in den Sätzen Sr. Heilig-
keit nicht ganz verständlich sei. Und will ich
daher nicht ermangeln, Ihnen ganz genauen
Aufschluß in diesen Punkten zu ertheilen. Näm-
lich vor Allem müssen Sie bedenken, daß Sie die
ganze Schrift eigentlich und im Grunde genommen
gar nichts angehen dürfte, indem Se. Heiligkeit
lediglich die italienischen Bischöfe und Katholiken
im Auge hat und wir hier in Deutschland, ins-
besondere aber in Bayern, diese Dinge ja ohne-
dies bester verstehen als Se. Heiligkeit, was Sie
daraus ersehen können, daß in dieser Encyclika
lauter Maßregeln empfohlen werden, welche wir
hier schon längst besitzen, als zum Exemplo der
katholische volksverein, Katholikenversammlungen,
Wahlvereine und die Benützung der Presse.
Schließlich, lieber Herr Maier, haben Sie sich
spezialiter an dem Satze gestoßen, daß der
<8eistliche gegen das verheerende Ein-
dringen des Sozialismus das Volk
schützen solle, und fragen in Ehrfurcht
an, wieso sich solches bei den bevorstehenden
Landtagswahlen mit den wünschen Sr. Heilig-
keit etwa lasse vereinbaren. Nichts ist leichter
denn dieses. Nämlich abgesehen davon, daß die
ganze Sache, wie ich Ihnen bereits bemerkete, uns
hier in Deutschland gar nichts tangieret, so ver-
steht eben Se. Heiligkeit blos noch nicht die Höhe
der Auffassung, die politische Reife, zu welcher d,e
katholische Aktion in unserem lieben vaterlande
sich bereits emporgehoben hat. Auch wir, geliebter
Mitbruder im Herrn, wollen nichts Anderes thun
J UGEND
als omnia restaurare in Christo. Indem wir
die Sozialisten wählen und mit ihnen Gemein-
schaft machen, nehmen wir ihnen eben das Giftige
und verheerende und machen, indem sie ja hin-
wiederum uns wählen, sie zu einem gottgefälligen
Werkzeuge, zu einem Instrumente der göttlichen
Vorsehung, wie mein College der Hochwürdige Herr
Stadtpfarrer von Ingolstadt dies ja so schön aus-
gesprochen hat. wir verhindern also die schlimme
Thätigkeit des Sozialismus durch nichts bester,
als indem wir ihn zu unserem Freund und
Bnndesgenossen machen, demzufolge Sie, lieber
Herr Maier, die wünsche Sr. Heiligkeit getrostsam
durch nichts bester erfüllen werden, als indem Sie
am Wahltage (nebst allen Ihren und unfern
Freunden) Ihren Stimmzettel abgeben für den
Maschinenschlosser August Kare Stemmeisen, der
Ihnen seitens der sozialistischen Parteileitung sicher
und rechtzeitig zngehen wird.
Sebastian Hafendeckel,
Pfarrer, Mitarbeiter des „Bayrischen Kurier" und
Mitglied des lvahlvcreins der bayr. Centrumspartei.
Kriegslelegranim
Ein Telegramm ist ausgehängt:
Die baltische Flotte ist zersprengt.
Sechstausend Russen sind untergegangen.
Dazu ihr Admiral gefangen.
Und zwischen den Köpfen dicht an dicht
Sri;' ich ein klein mongolisch Gesicht,
Aus grünlich gelbem Holz geschnitzt,
So unbewegt. Nur das Auge blitzt,
wie es da an der Depesche hängt:
Die baltische Flotte ist zersprengt.
Sechstausend Russen sind untergegangen.
Dazu ihr Admiral gefangen.
Dann wendet er sich ruhig zum Gehen,
Als wäre weiter nichts geschehen.
Nur einmal noch sein Auge schießt
Ueber die Menge, die die Depesche liest,
lieber den Platz und die Straße hin —
Hunger blitzt es und Raubthiersinn.
lind mitten in dem Menschenschwarm
Zwei deutsche Matrosen Arm in Arm,
Zwei Iungens von der Waterkant,
Auf Urlaub an Land.
Und plötzlich sagt der eine Mann:
„Junge, Junge, nun kommen wir dran.
Hast Du das gelbe Biest gesehn?
wie dem die Augen spazieren gehn?
Da kommt so 'n Kerl Dir rin ins Haus
Und guckt Dir alle Ecken aus
Und fragt: wohnt nich Herr Müller hier?
Und abends bricht er ein bei Dir.
Junge, Junge, die Sache ist stau
Mit dem verdammten Kiautschau." —
Der andre spuckt erst vor sich hin:
„wenn schon, denn schon. Laß man rin!
wenn der Düwel die Mühle dreht,
Mühle und Müller zum Düwel geht.
Aber Junge, das sag' ich Dir:
So ne Depesche hängt dann nich hier,
von wegen ,Admiral gefangenst
Dann heißt's:
Die Flotte ist untergegangen
Mit Mann und Maus und Offizier
Und mit Hurra. Das sag' ich Dir."
Ott» Anthc-u
*
Trinksprüche. Der Präsident Castro gab kürzlich
den bei ihm beglaubiglen Diplomaten ein Mahl und
brachte einen Trinkspruch auf internationale Freund-
schaft und Eintracht aus. —
Der Generalgouverneur Trepow gab den Ver-
tretern der Intelligenz ein Mahl und brachte einen
Trinkspruch auf Freiheit, Gleichheit und Brüder-
lichkeit aus.
Der Brecheisen-Willi gab vor Antritt seiner dies-
jährigen Zuchthausstrafe seinen Kollegen eine Lage
Rachenputzer mit Pomeranzen und brachte einen
Trinkspruch aus Treu und Redlichkeit aus.
Der Reichskanzler gab feinen Mitarbeitern an
dem neuen Zolltarif ein Mahl und brachte einen
Trinkspruch auf Handel und Industrie aus.
Protylin-
Tabletten
Poche
Unentbehrlich
r für
Sportliebhaber und Touristen.
Kräftigen das Nervensystem.
ErllÖhen Energie und Ausdauer.
Befähigen hervorragend zu körperl. Leistungen.
Sctl ÜtZen vor Ermüdung und Erschöpfung.
Käuflich in Apotheken. Preis Mk. 2.—, Fr. 2.50, ö. Kr. 2.50.
Man verlange Prospekte.
F. IIoffmaim-La Roche & Cie.
Basel N. (Schweiz), Grenzach J. N. (Baden) A