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1905

Nr. 30

JUGEND

GrabTcbrift auf ein Brautpaar zu Polen

von Kassian Kluibenschädel. Cuifdcmalcr

(Prooinjialfteucrbirektor a. D. Löhning behauptet neuerdings in einer Broschüre, daß er nur infolge „unstandesgemaßer" Verlobung pensioniert wurde.)

llhier mitten unter Rosen, Halmen und brennenden Todtcnkerzen
—Liegt ein tugcndsames Brautpaar. gestorben an gebrochenen Herzen.
So beiß die letztgenannten auch für einander entbrannten in

Licbcsflaminen,

Ließ sie das schnLdc Schicksal dennoch nicht kommen zusammen.

Der chrcngeachtetc Bräutigam war während seines

Erdcnwallcns Burcaukrat,
Lvelcher gewissenhaft Steuern cintricb für den Löblichen

preußischen Finanzetat;
Doch sie. die züchtige Braut, erblühte in diesem irdischen Iammcrthal süß,
Duftig und lieblich als eines Rcgicrungssckrerarius

filia hospitalis.

Ivas ward nun zur Ursache dieses beweinenswerrhen tragischen Falles?

Herrschte beim Bräutigam oder in der Erkorenen Familie der

große Dalles?

Oder zerstörte das geplante Ehebündniß ein anderes dirimentum,
So ausgezeichnet sich findet im jus civile aut canonicum?

Reines von all den Gesetzen, die Geltung haben im Deutschen Reiche.
Machte die zwo Liebenden im Lenz des Lebens erbleichen;

O fromme Christenheit, glaube die folgende Botschaft;

denn sic ist wohl verbürgt:
Es hat sic der grausame Rasten ge ist plötzlich meuchlings erwürgt.
So daß ihr junges Glück zum allgemeinen Bedauern auf die

Bahr' mußt',

Dicweilen ein Ururahne der Braut leider römischer

Feldwebel war unter Guinctilius Varus.

An Sie Deutschen!

Wir leben in einer ernsten Zeit,

Der Himmel ist voll von Gewittern —-
Es droht der soziale Streit
Das Vaterland zu erschüttern!

Perfid und ohne Unterlaß
Sieht Albion man schüren.

In hellen Flammen lodert der Haß
Vor unseres Reiches Thüren!

Den Muckern ist das Alles egal,

Sie zetern im alten Jammer
Und schnüffelten gern nach Unmoral
In jede Mädchenkammer!

Das deutsche Volk, das Schweiß und Blut
Der Besten gekittet zusammen,

Als Sündenpfuhl und Lasterbrut
Es diese Heuchler verdammen!

Doch speit des Krieges Furie im Flug
Viel Tausenden Tod und Verderben,

So sind wir sittlich und gut genug,
Für Thron und Altar zu sterben.

Schickt doch voran in den heißen Streit
Das ganze Mucker-Geschmeiße,

Ans daß es den Gipfel der Sittlichkeit:
Den Mailncsmuth beweise!

8

Teil

Streiflicht der „Jugend"

In Bern haben sie den grünen Buschen hinaus-
estcckt: Meister Widmann hat uns wieder ein
stich geschenkt. Es Ivar ein guter Jahrgang, der
von 1904. Die Winzer rühmen seine Süße und
seine wundervolle Blume. Das Weingärtchen von
Bern ist den Feinschmeckern schon lange wohl be-
kannt; Johannes Brahms und Hanslick haben es
zuerst entdeckt, aber sie haben keinen Lärm geschlagen,
sondern nur still gekostet und hie und da einem
guten Freund verrathen, was sür ein Tropfen da
wachse. Dann kam die „Maikäferkomödie" und
da raunte es sich schon weiter herum im Lande, daß
in der Schweiz noch so ein Wundermann sitze, der
einen goldigen Trank von eigenem Aroma aus
silbernen Schalen kredenze. Aber der große Zulaus
wurde doch immer glücklich serngehalten und zum
Jourgespräch wurden unsres guten Meisters duftende
Gaben nicht erniedrigt, auch nach „Üpsander's
Mädchen" und nach der „Muse des Aretin"
nicht. Will's Gott, vermeiden wir es auch jetzt.
„Der Heilige und die Thiere" heißt die Lese
des Jahres 1004. Heiß und süß. Und der Welt-
sast, der immer neue Generationen hervorbringt,
gährt gewaltig darin. So wie sich's sür ein gutes
Künstlerbuch ziemt, das voll sein soll von treibender
Sinnlichkeit. Aber nur von jener Sinnlichkeit, die
den Gesunden in's Blut hineinleuchtet und es zu
sröhlichem Schäumen bringt, nicht von jener geilen
und seilen, züngelnden und lüstelnden Art, von der
sich >unge Grvßstadtgreise und reise Betschwestern
noch einmal kitzeln lassen, bevor sie sich ganz der
neuen Wonne frommer Zerknirschung hingeben.
Ein würziges Buch, aus Matten gewachsen unter
dem Hauche sunkelnder Firnen, voll goldenen

Unter Leutnants

„lvas sagen Sie zu dem
beabsichtigten Zehn lNillio-
Ncn-Fond?"

„Reh. lieber tausend Mark
gepumpt, als hundert
Ulark geschenkt."

»

Die Japaner verwen"
den zur Befestigung keine
Rnöpfe, Schnallen, Baken
oder Besen, sondern nur
2ch»ur, die sie in der fünft-
D,Uften Iveise knote». (Es
3'!>t mehrere Dutzend Arten
v"n Rnoten, die alle be-
sondere Name» führen.

„Das mag ja fein," mur-
>"eltc der nach Berlin zuriick-
gekehrle Graf Pückler, als
er die ih„ bcwillkoinmcude
Dolks-Versammlung über-
blickte, „aber so viel
knoten, wie ich, ha-
den si, doch nicht."

Humors und voll großer, ernster Gedanken, und
vor allem blühend in holder Anmuth der Sprache.
Die Nüancenschnüssler und Experimentenjäger reden
uns vergeblich Theorien ein: kommt wieder einmal
ein Echter, ein Mann, de» sich's zu hören lohnt, eine
Persönlichkeit, die sich nicht mit ihrem aparten Jch-
lein brüstet, sondern uns von ihrem Werth durch
ihr Werk überzeugt, so sind alle Theorien im Nu
vergessen, und es bleibt nur die alte Weisheit, daß
Kunst von Können kommt, und daß Einer erst Wer
sein muß, bevor er uns mit den Offenbarungen
leines Innern behelligen darf. Nicht auf das neue
Problem und auf die neue Note kommt es an:
neue Probleme gibt es nicht, — auch nicht im Bordell
und nicht im Irrenhaus — die neue Note aber hat
Jeder, der überhaupt wer ist, jeder Eigne, der was
zu sagen hat und nicht nur Anderer Weisen wieder-
tönt. So Hofs' ich, daß Meister I. B. Äidmann's
neues Buch auch nur wieder in die rechten Hände
komme, und daß sein guter Stern ihn bewahre vor
Schiller- und Grillparzerpreisen und vor der Be-
geisterung von Berlin W und Wien 0. Nur wo
gute Gesellen und liebliche Frauen beisammen sind
und mit ganzer Seele ein Brahms'sches Lied, keusch,
heiß uud süß, in sich aufnehmen, wo ein freies Wort
in Ehren gesprochen werden kann und Wohllaut in
der Lust liegt, da soll man in funkelroihem Wein
das Wohl des Alten von Bern trinken. Ad multos
annosl Hugo Ganz.

*

Krieg Bis aufs Messer. So will es General
Linjewitsch. Das Telegramm, in dem er dem
Zaren davon abräth, sich auf Friedensverhandlungen
einzulassen, lautet: „Wenn auch das Vaterland den
lenkenden Kops Makarows, die gepanzerte
BrustStöjfels, den schirmenden Arm Rosch-
djestwenskis und den ei-
lenden Fuß Kuropat-
kins verloren hat, was
thut's'? Eurer Majestät bleibt
doch mein Mund."

Ein zweiter Arnold
von Winckelried. Bisher
war es verboten, amNieder-
walddenkmal zu vH otogra-
phieren. Ein Wiesbadener
Rechtsanwalt und Amateur

A. Schmidhammer

Die TriedcnspfeiTe des Rougbriders
Di« Schwierigkeit der verlohnenden Zeremonie besteht darin, dass beide Cheile
zugleich die Pfeife in den Mund nehmen müssen!

trotzte dieserAnordnung. Mit
den Worten: „Der Frei-
heit eine Gasse" knipste
er und zeigte sich sodann
selbst an. Der Lohn der
tollkühnen That blieb nicht
aus; das Verfahren gegen
den tapseren Knipser wurde
eingestellt. So ist denn
der Angriff der Reaktion ge-
gen die Knips frei heit ab-
geschlagen. Nicht nur die
Billetschasfner auf den Bahn-
höfen haben das Recht zu
knipsen, nein, dieses Recht
ist — mit Stolz können wir
es sagen, — jedem Deutschen
gewährleistet. Nichtswürdig
ist die Nation, die nicht ihr
Alles setzt an das Knipsen!

„Knipssreiheit, Du glück-
liche Schwester, ach, wenn ich
nur so weit wäre wie Du,"
seufzt die Gewissenssret-
heit.

571
Index
[nicht signierter Beitrag]: Krieg bis aufs Messer
[nicht signierter Beitrag]: Die Japaner verwenden...
[nicht signierter Beitrag]: Ein zweiter Arnold von Winkelried
[nicht signierter Beitrag]: Unsere Leutnants
Arpad Schmidhammer: Die Friedenspfeife des Roughriders
Kassian Kluibenschädl: Grabschrift auf ein Brautpaar zu Posen
(Theodor) Tell: An die Deutschen!
Hugo Markus Ganz: Streiflicht der "Jugend"
 
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