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Idyll

Unterm Lindenbaum im Grase war
Meine Liebste leise eingenickt.

Blüthen fielen auf ihr braunes Haar,

Auf ihr schwarzes Mieder, goldbestickt.

Hinterm Lindenbaume stand ich lang
Und bewachte ihre süße Ruh'.

Eine Meise piepte zart und sang.

Durch das Laub sah uns die Sonne zu.

Leichter Wind ging über Gras und Baum,
Rührte ihre Locken an der Wang'.

Wie ein schwerer, gold'ner Reifetraum
Lag der Sommerduft auf Thal und Hang.

Alle Wiesen glanzten silbergrau.

In de» Feldern stammte rother Mohn.
Von des Dorfes Schmiede durch die Au
Klang der Sensen scharfer Dcngelton.

Bald zur Liebsten, bald ins volle Land
Wandte ich den sonnetrunk'nen Blick:

Reif und bunt vor meiner Seele stand
Meines Lebens nahes Sommerglück.

Max Uienninger»

Abend

De Nacht kummt Ilsen op de Welt,

Un still un grot liggt Wald u„ Feld,
Gan; suchen geir de Mond to HSch,

To wokcn über Lced un Lcev.')

Der poggcn singt de Nachtgesang,

Een Odboar *) gciht de wisch 8) entlang,
Un ümmer noch een Ruckuck röppt,

Sonst dückt mi, dar nu allcns ftLppr.

Mi will de Slop int «l)og »ich boom,

Un ümmer is mi noch as Drsm
Un will mi ümmer »ich in Sinn,

Dat ick nu so verlaten bin.

Itc Kotiger

') Leid und Cieb*. *) Storch. *) Wies«.

Morgen

Lichter und Schatten im Wechseltanz
Gaukeln über die goldenen Aehren.
Rother Mohn in leuchtendem Glanz
Träumt von wundersamen Mären.
Blühendes Leben in weiter Rund.

Aber tief im Halmengrund
Klingt wie Sensenklang ein Ton:
Morgen schon,

Morgen!

J. Lüwenbera;

o y.

Wie das so bei einer wandernden Schauspieler-
truppe ist, — sie hatte nie Geld! Sie stand
immer wegen chronischen Geldmangels vor der
gänzlichen Auflösung. Kamen die Mitglieder der
Truppe in einem Ort an, so mrißte man bei den
Einwohnern sammeln gehen, um das Gepäck mit
dem Tbeaterkram auslösen zu können und vor
der Abfahrt wurde wieder der Geldbeutel des p. t.
Publikums in Anspruch genommeu. —

Nun, diesmal half alles nichts. Es war zu
Ende. Aber die hübsche Naive machte sich nicht
viel Kopfzerbrechens darüber. Sie hatte einen
Beschützer gefunden in diesem entlegenen Erden-
winkel hoch oben in den Bergen, wo es nur
Sommerfrischler gab, und ein paar unglückliche
Offiziere, die im warmen Sonnenschein auflebten,
um nach den kurzen Sommermonaten wieder in
ein sagenhaft graues, ödes Dasein zurückzusinken.

Also dieser Beschützer war der jüngste der
Leutnants; sehr nett fand sie ihn. Er war ein-
mal eine hübsche Abwechslung, denn er erstarrte
in Ehrfurcht vor ihr, — und war verliebt, ver-
liebt! —

Nein, wirklich rührend war's.

Sie war öfters mit ihm spazieren gegangen,
und da hatte er ihr beseeligt sein kurzes Knaben-
dasein erzählt und sie eingeweiht in seine hoch-
fliegenden Pläne und Ansichten.

Seine Familie kannte sie genau: Excellenz
Papa, — die dicke, stattliche Mama — o die
konnte sich gut verstellen I — und auch einen heiß-
bewunderte», älteren Bruder hatte er, „der durfte
zur Kavallerie, aber Papa meinte, einer wäre ge-
nug zum Geld rauswerfen, und so bin ich zur
Festungsartillerie gekommen. Aber es gefällt mir
sehr gut, — und anr Ende hätte ich sonst Sie
gar nicht kennen gelernt," — dabei sah er sie
entzückt und zärtlich an.

Und sie hatte dann eine reizende Art, ihn
mit ihren braunen, goldigen Augen anzulachen.
Und dann erzählte sie:

Ja, — sie war natürlich auch aus einer sehr,
sehr guten Familie, — das hatte er sich gleich
gedacht. Ihr Vater war ein hoher protestantischer
Geistlicher und hatte die Tochter verstoßen, als
sie begeistert ihrem inneren Rufe folgte und
Künstlerin wurde. Das erzählte sie sehr rührend
nnt viel Augeuaufschlagen und gedämpfter Stimme.
„Meine Mutter hatte ich ja ganz früh verloren,
und so stehe ich nnbeschützt in der Welt da.
Aber ich bin immer tadellos aus aller Versuchung
hervorgegangen, — Sie können mir's glauben."

Ach, er glaubte ja alles, was der frische, rothe
Mund erzählte. Sie war so süß. Es war wirk-
lich vom Schicksal ein wenig heimtückisch, daß cs
ihn, den reinen Thoren, gerade mit diesem heiß-
blütigen Geschöpf zusammeubrachte. Sie war
keine Schönheit, aber in ihre strahlende Lebens-
lust, den goldenen Glanz ihrer Augen verliebten
sich die Männer fast alle--

Sie saß auf der Bank, wo sie alle Nach-
mittage ihn erwartete. Als er eifrig und glück-
lich auf sie zukam, zog sie ein trauriges Gesicht.

„Ich habe solches Unglück, Herr Leutnant,
denken Sie nur, unsere Truppe ist verkracht, und
nun sitze ich armes Ding mittellos und allein da."

Paul Haustein (Stuttgart)
Register
Max Kienningers: Idyll
Ite Röttger: Abend
Jakob Loewenberg (Löwenberg): Morgen
E. v. Stehlin: Bubis Liebesglück
Paul Haustein: Zierrahmen
 
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