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11/7.

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„Und schenkt mir der Raiter ein Staatsgefpann siab Dank, Herr Raiter, ich nehm nichts an, J. Carben (München)

Und ichenkt mir Pferde und Rarotten: Marlchier' zu 5ufc im Reich unverdrossen."

JVI. G. Conrad

Collegium philologicum

Ging in dix Universität hinein,

Wollt' -einmal ivieder Student noch sein.
War ein Collegium angeschlagen,

Ging hinein, ohne viel zu fragen;
„Goethe's Jugend", so hieß der Text,

Am schwarzen Brett stand 's angcklcxt.

Ich dacht' bei mir, 's wird dich ergehen,
Die Kost Dir lassen vorzusetzen.

Welch eine Lust, den zu traktieren,

's muß einen Greisen delektieren,

Den frischen Most, den jungen Goethcn
In Leibes- und in Liebesnöthen
Der hcut'gcn Jugend vorzufiihren,

Dem kecken Bürschlcin nachzuspüren,

Wie er noch ohne Würd' und Orden
Zum Mann und Dichter ist gelvorden;

Wie er den Mädchen nachgerannt
Und in der ersten Blüte stand;

Wie die Begeisterung ihn gerüttelt
Und das Geschick ihn dnrchgeschüttelt,

Wie er sich gab und er sich wehrte
Und seinen inneru Reichtum mehrte.

Von all dem aus den jungen Jahren
Hofft' ich ein wenig zu erfahren.

Bin aber betrübt hinausgeschlichen,

Hab' stöhnend mir über die Stirn' gestrichen,
Das Einzige, was ich mitbekommen
Und eine Stunde lang vernommen,

War, daß am Main man fränkisch spricht,
Alldort die Konsonanten bricht.

Dies wurd' an Goethen mir erklärt.

Auf Deutsch man so den Genius ehrt.

Herbert Gulenburg

Untreu oder treulos?

Jeder Ehemann, sollte man meinen, habe ei»
ideale? Recht auf Eiseriucht. Nu», Herr Äeowulf
Stürmer hatte das seine ans Amors Nachttischerl
geopfert, wie man beim Schlafengehen die Taschen-
uhr nblegt, und die angcbetcte Frau hatte es
lächelnd zum Fidibus gefaltet und mit Hülfe der
verschwiegenen Flamme in der rothen Ampel dem
Feuertode geweiht. War es nicht nett und fein
von ihr, daß sie seine schriftliche Verpflichtung
verbrannte, weil ihr, wie sie sagte, ein „geküßter
Kontrakt" lieber sei, als Brief und Siegel? Und
was bedeuten selbst fünf Siegel gegen tausend
Küsse? Besaß er doch den Schwur dieser seltsam
wahrhaftigen Frau, daß sie ihm ehrlich und offen
es vermelden werde, sobald ihr Herz nicht mehr
zu mindestens (!) drei Vierteln ihm, ihm ganz allein
angehören würde. Das letzte Viertel hatte sie
sich für ihre Freundschaften Vorbehalten.

Der Grund dieses Paktes war ein zureichender.
Beide waren vorurtheilslose literarische Menschen,
beide keine Neulinge auf den Wellen der Liebe;
er hatte zwar quantitativ mehr Erfahrung, aber
sie war Wiltwe gewesen, und Ehemouate zählen ja
doppelt, wie Kriegsmonate. Doch nicht blos hierin
war sic dem Junggesellen überlegen: sie wollte
überhaupt nicht zum zweiten Male unfrei werden
und konnte daher dem Manne, der sie um jeden
Preis zu gewinnen trachtete, ihre Bedingungen
machen. Diese waren ehrlich und ernst gemeint.
Ja, da sie als Schriftstellerin vorwiegend und mit
wachsendem Erfolge iin Weinberge der Liebe fa-
bulierte, so nt it fj te sic sich auch äußerlich eine ge-
wisse Freiheit wahren. Das war ihm, dem weniger
reich Begabten, der mit seiner Feder am Erlebten
und Beobachteten hing, durchaus klar.

Anfangs ging cs ganz gut. Er dachte nichts
dabei, daß Frieda sich mit einer größeren Anzahl
von Männern der Bohöme duzte, als er selber.
Er ließ es sich gerne gefallen, daß man ihren
„Oootor phil.“ auch auf ihn übertrug, ja er
sonnte sich neidlos an der Auszeichnung die ihr
überlegenes Talent und ihre künstlerische Kühnheit
erfuhren, und er war, sagen wir: so geschmack-
voll, nicht in jeder ihrer offenen Vertraulichkeiten
mit anderen einen Angriff auf seinen guten Ruf

zu finden. Zeigte sie doch nicht blos ihm, sondern
geflissentlich auch der Welt, in der sie lebten, wie
innig und zärtlich sie ihn liebte. Reichlich zwei
Jahre dauerte es, bis er zum ersten Male den
feierlichen Verzicht auf das Recht der Eifersucht
als etwas Peinliches zu empfinden begann.

Aber auch nun waren es zunächst nicht sowohl
ihre freien Manieren und sonstige äußere Anzeichen,
die ihn stutzig machten, sondern vielmehr die Richt-
ung ihrer schriftstellerischen Thätigkeit und ge-
wisse Wendungen, in denen er, der Mann der
sicheren Schlüssel und brave» Studien, nicht mehr
blos das Ergebniß künstlerischer Intuition zu er-
kennen vermochte. War schon immer die Peitsche
des Zarathustra ein Gegenstand des Abicheus siir
sie gewesen, so enthüllte die Broschüre des Herrn
NlöbiuS den in jedem temperamentvollen Franen-
buien schlummernden, gegen das Männliche bereit-
gehaltenen Stachel bei ihr in einer Weise, die selbst
ihrem arglosen Gatten zu denken gab. Gar das
Buch Meiningers ließ ihren Zorn in hellen Flain-
meu anflodern.

Aus den Novellen und Aufsätzen, die sie um
jene Zeit drucken ließ — und zwar ohne, wie
früher, vorher sein kollegiales llrtheil einzu-
holen — fielen ihm insbesondere mehrere Stellen
auf, in denen sie mit leidenschaftlichen Worten
die „Rache am Manne durch den Mann" empfahl;
er erblickte darin versteckte Angriffe auf sich selber,
Blitze aus . einer hagelfarbigen Gewitterwolke,
Mehr als einmal hatte er in ihren Augen das
drohende Unwetter wirklich gesehen, wenn she von
der Feigheit und Falschheit der Männer redete,
die nicht für die beleidigte Francnwürde vom
Leder zögen. Er empfand sein Unvermögen zu
diesem Kampfe schmerzlich, cs fehlte ihm dazu
nicht der gute Wille und der Mutb, sondern der
Kampfspieß. Er hatte ihn eben nicht.

Mit dem literarischen Kampfspieß ist es so 'ne
Sache, llmschuallcn genügt nicht, man muß ihn
zu handhaben wissen, und dazu gehört ebensowohl
Temperament als Uebnng. Beides hatte Or.
Frieda Stürmer in hohem Maße. Sie war die
jüngste von fünf Töchtern eines Fcuerkopfs der
klassischen Philologie, der nur seiner Liebe zu Liebe
im Gymnasialdienst hängen geblieben war und
es hier verhältnißmäßig bald zum Rektor gebracht

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Index
Georg Hirth: Untreu oder treulos?
Herbert Eulenberg: Collegium philologicum
Julius Carben: Zeichnung ohne Titel
 
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