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Nf. 36

J UGEND

1905

£


Zu spät

Ach, daß ich verpaßt, verpaßt die Zeit,

Da die Welt so offen noch war und so weit,
Und die Weiber so heiß und mein Herz so toll,
Und die Brüste so weiß und die Lippen so voll!

Die Tafel des Lebens war reich besetzt
Und Alles hat stch an ihr ergetzt...

Nur ich lag draußen wie ein Hund

Mit hungrigem Herzen »nd lechzendem Mund.

Nun klafft die Thür... Und hinein! —

In der Luft

Liegt noch von all dem Süßen der Duft!

Doch glatt sind die Platten, die Glaser leer —
Nur welke Rosen liegen umher.

Und das Alter mit grämlichem Angesicht,
Räumt ab die Tafel und höhnt und spricht:
„Zu spat, mein Hündchen! Hinaus! Hinaus!" —
— Und der Tod loscht lachend die Lichter aus ...

A. l>e Nora

Religion

«in Wäschen von Matthias Blank

Es waren einmal in Indien, weit hinter dem
Himalaya, in Irgendwo fünf Tempel. Jeder
dieserTcmpcl gehörte einer Gottheit, einer schwarzen,
einer weißen, einer gelben, blauen und rothen.
Einer jeden Gottheit diente auch ein Priester in
jedem der fünf Tempel.

Da kam einmal ein Mensch nach Irgendwo.

Als die'fünf Priester diesen einen Menschen
sahen, da wußte jeder der Priester, daß sein Gott
ihm befohlen habe, diesen Einen zu bekehre». Und
fünf Priester schilderten erst in Worten dem einen
Menschen die Wahrheit ihrer Lehre, die Wahrheit
von fünf Lehren. Jeder der Priester nannte seinen
Gott den einzigen wahren und gerechten Gott,
jeder pries seinen Tempel, und der Mensch hörte
das fünfmal.

Es gibt nur eine Gottheit! riefen gleichzeitig
der schwarze, weiße, blaue, gelbe und rothe Priester.

Und immer heftiger wogte der Streit in Worten
um diesen einen Menschen; der aber stand unent-
schlossen, oenn er konnte nicht wählen zwischen
fünf wirklichen Gottheiten.

Da die Worte den Einen weder zu dem Tempel
der blauen Gottheit, noch zu dem der gelben,
rothen, schwarzen oder weißen Gottheit führten,
so griff einer der Priester, es war der schwarze,
nach dem Arm des einen Menschen, um diesen
mit sich nach seinein Tempel ,u ziehen. Kaum
bemerkten dies aber die übrigen vier, da griffen

sie gleichfalls nach dem Einen und nun zerrte und
sneß jeder, um den Einen nach seinein eigenen
Tempel zu bringen. Und der Mensch konnte sich
dieser fünf nicht erwehren.

Immer stärker, immer kräftiger riffen und
balgten sie um den einen.

Da that eS einen Ruck!

Die fünf Priester taumelten zu Boden: sie
hatten den Einen zerrissen und jeder der fünf hielt
ein Stück in seiner Hand. Der Eine hatte den
rechten Fuß erbeutet, der Zweite den Arm, der Dritte
ein anderes Stück, Jeder ein Stück von diesem
einen Menschen.

Der Mensch war natürlich tot!

Und jeder der fünf Priester trug sein erbeutetes
Stück in seinen Tempel, jeder legte es auf den
Altar seines Gottes, des rothen, blauen, gelben,
schwarzen und weißen; und jeder der fünf Priester
sang ein Lob- und Danklied, daß er wenigstens
die Seele des Menschen seiner Gottheit gerettet
habe.

*

^iebe Jugend I

In Ungarn kann man bekanntlich seinen Namen
für 50 Kreuzer magyarisieren lassen. Doch be-
willigt die Regierung keine alt.ungarischen Namen
mit der Endung •?, da der Adel auf diese seine
Name» sehr stolz und eifersüchtig ist.

Herr Lohn, Börsenbesucher in Budapest, hatte
es sich aber in den Kopf gesetzt, einen solchen
Namen zu bekommen. Aber alle Schritte, die er
deshalb bei den Behörden unternahm, waren ver-
geblich. Da machte ihm sein Freund und Kollege
Karpäth (früher Karpeles), der im Gerüche großen
Einflusses beim Ministerium stand, das Anerbieten,
ihm gegen 50,000 Kronen die erwünschte Aen-
derung zu verschaffen. Herr Kohn bot 800 Kronen
und so einigte man sich nach einer Stunde auf
(o.ooo Kronen.

Herr Kohn reichte also um Magyarisiernng
ein, in blindem vertrauen auf Karpäths Einfluß,
vier lange Ivochen ließ die Erledigung auf sich
warten. Endlich kam sie. In größter Spannung
riß Herr Kohn das Louvert auf, das die Antwort
enthielt: Er hieß von nun an Löwz?.

vor meinem elsäßischen Nachbarhause plaudre
ich mit der Bäuerin durchs Fenster. Da kommt
ein kleines Mädel, und ich werde Zeuge dieses
Zwiegesprächs: Die Amölie lasse fragen, ob am
Samstag gebacken würde? — Ja I warum? —
<Db sie dann kommen dürfe, den Teig machen?
— lvarum nicht?

„lvill's die Amölie etwa lernen oder thut sie's
zum Spazieren?" mische ich mich fragend ein.

„Nein," sagte das Mädchen, „sie will am Sonn-
tag zu einer Hochzeit und möchte saubere Bände
kriegen!"

Wahres Geschichtchen

Der (0 jährige Konrad, der sich nicht gerade
durch übermäßig großen Muth auszeichnet, wird
von seinem Vater gefragt, was er einmal werden
wolle.

„General", lautete die prompte Antwort.

„Ja, aber sieh 'mal, wenn nun Krieg wird,
das ist doch recht gefährlich. Fürchtest du dich
nicht? "

„Ach, der General steht ja immer hinten!"

Angelsport

„lvie ich sehe, haben sie heute den ganzen Tag
nur einen Fisch geangelt?"

Angler: „Und den Hab ich mit der Hand
gegriffen."

*

Geclanken

Er hat einmal gehört, dass die Wahrheit
vor der Höflichkeit gehe, und dies dahin ver-
standen, dass die Wahrheit stets als Grobheit
auftreten müsse. Bei fortgesetzter Uebung
wird er's dahin bringen, zu glauben, dass jede
Grobheit eine Wahrheit sei.

Max v. Seydel i

Es ist keine List der Natur, dass sie den
Genuss mit dem Zeugen verbunden. Alles
Glück ist Schaffen und alles Schaffen ist Glück.
Die Seligkeit Gottes ist nichts, als das Glück
des höchsten und ununterbrochenen Schaffens.

Paul Uarln

Das Geschrei nach Moral kommt in Deutsch-
land von einigen Herren, die Angst haben, dass
ihnen ihre Weiber durchgehen. Was kümmern
uns die Aengste dieser Herren!

W. W. Krn(


Paul Rieth (München)
Index
[nicht signierter Beitrag]: Angelsport
Paul Garin: Gedanken
A. De Nora: Zu spät
Max v. Seydel: Gedanken
Matthias Blank: Religion
B. W. Krug: Gedanke
Paul Rieth: Domino
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
 
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