Nr. 37
1905
Smikiens <8ra6
Aus Langcrwcile, im freniden Ort,
Ging ich über den Kirchhof fort,
Sah mir ein Kreuzchen an, einen Stein,
Manch seltsam Sprüchlein von Sterben
und Sein,
Und lies; mir zuflüstern von den Cypressen,
Daß hier Alles längst, längst vergessen.
Emiliens Grab — da blieb ich stehn,
War nichts andres drauf zu sehn,
Weder Bibelwort, Zeit, noch Familienname,
Nur einzig stand drauf, wie eine Brosame:
Emiliens Grab.
Das fiel mir auf und ging mir ins Blut,
Mein Gott, wer war sie, die hier ruht?
Das Gras, die Frühlingsblumen, die Bienen,
War Alles so froh von der Sonne beschienen.
Doch hatte niemand den Platz gepflegt,
Alles wucherte, ungehegt.
Nichts konnte auf dem Grabe prunken,
Selbst die Einfassung morschte versunken.
Ich ging meiner Wege am Friedhofsrand,
Als ich endlich ein steinalt Mütterchen fand.
„Was ist denn das dort mit der Emilie?
Der Nachname fehlt ja, wie hieß die Familie?"
Ja, Herr, das ist wer weiß wie viele Jahre;
Ich stand 'an ihrer Totenbahre.
War ein jung Ding, einfacher Leute Kind,
Doch wie sie dann alle leichtgläubig sind:
Kam ein fremder Mann angegangen,
Hat sie in seine Netze gefangen,
Versprach ihr, sie auf sein Schloß zu bringen,
Er sei reich und könn ihr Alles erschwingen,
Und hat sie geheiratet. Dann zogen sie fort,
Fern weg an den Rhein, da ist sie verdorrt.
War Alles Schwindel, war Alles erlogen,
Er hat sie in seinen Schmutz gezogen.
Hat sie verlassen. Und sie kam wieder
Und brach am Hans ihrer Mutter nieder.
Ist schnell gestorben ans Elend und Gram,
Konnte nicht länger ertragen die Scham.
Die Mutter, von Haß und Wuth ganz besessen,
Wollt ihres Eidams Namen vergessen,
Hat ein Kreuz ihr gesetzt, als sich das begab,
Steht weiter nichts drauf als:
Emiliens Grab.
Detlev von Liliencron
o
Zwei kleine fabeln
Oie unvollkommene Welt
„wie unvollkommen ist doch
die Welt!" rief ein Fuchs. „Die
Schnecken kriechen und die Hasen
laufen wie der wind!"
Oer Mistkäfer
„wie kann man nur die Welt
verachten?" sagte ein Mistkäfer.
„was gibt es nicht für wunder-
schönen Mist auf ihr!"
JUGEND
Das Wasser
und seine Bedeutung in der V7«tur und
im besten des tlTmfcbcn
Skizze von Maxim Gorki
Aslle Menschen haben Flecken auf ihrem Gewissen
«fl* — auch ich habe einen solchen
Den meisten Menschen jedoch sind diese Ver-
zierungen auf dem Antlitz ihrer Seele höchst gleich-
gültig; sie tragen sie mit derselben Leichtigkeit
wie ihre gestärkten Hemde». Ich aber trage keine
solchen Hemden und fühle mich wahrscheinlich des-
halb höchst unbehaglich mit meinem Fleck. Mit
einem Wort — ich will eine Beichte ablegen.
Ich beichte nicht etwa aus dem Grunde, weil
ich sonst keine angenehmen Zerstreuungen mehr
im Leben finde, oder weil ich mich nicht im
Stande fühle, durch irgend etwas Anderes die Auf-
merksamkeit der Leute auf mich zu ziehen; auch
werde ich nicht darum offenherzig, weil ich hie
Absicht hätte, irgend etwas über meine eigenen
Vorzüge zu erzählen — oh nein! Kein einziger
von den Gründen, welche gewöhnlich die Menschen
zur öffentlichen Buße treiben, ist in der» gegebenen
Fall für mich maßgebend gewesen. Ich beichte
einfach, weil ich fühle — es ist Zeit! Und da
habe ich nun zur Feder gegriffen und will mit
einem offenen Bekenntnis; wie mit einer Bürste
jenen dunklen Fleck von meiner Seele herunter-
putzen, der mir schon längst das Herz bedrückt.
Angefangen hat das Alles auf der Straße, an
einem heiteren Maitage, als ich ans einem Spazier-
gange einem kleinen Schulmädchen begegnete, das
meine gute Bekannte war. Sie hieß Lisotschka und
hatte ein paar luftige, braune Augen — in dem
Augenblick aber waren sie traurig; das niedliche,
sonst so rosige Gesichtchen sah blaß und leblos aus
und auch her Gang war heut nicht so vogelgleich
flink unh zierlich, sondern müde und schleppend.
„Guten Tag, Lisotschka! Wie geht cs Ihren
Puppen?"
Ich Hab' vergessen, zu sagen, in welcher Schul-
klasse sie war: In der vierten. Es war mir inimer
ein Hauptvergnügen, mit ihr Puppen zu spielen —
es ist wunderbar erfrischend nach dem Verkehr mit
Menschen.
„Guten Tag!" sagte mir Lisotschka, und ich
hörte Thränen in ihrer Stimme.
„Was fehlt Ihnen, liebes Kind?" fragte ich
beunruhigt.
Ich muß gestehn — ich liebte sie, und sie er-
widerte mein Gefühl mit her ganzen Stärke und
Leidenschaft ihrer zwölf Jahre. Ich selbst war
damals erst dreinnhfünfzig Jahre alt.
„W .'.. wir haben w ... wieder einen Aufsatz
. . . a . . aufbekommen. . .," sagte sie schluchzend.
„Einen Aufsatz? Bah! Ist denn das Thema
so traurig, daß Sie schon jetzt weinen müssen,
hevor Sie's noch ausgearbcitet haben?"
Sie lächelte.
„Ja, Sie haben gut reden — Sie werden nicht
gezwungen, Aufsätze zu schreiben."
„Ach, Lisotschka, — auch ich werde dazu ge-
zwungen. Nur daß Sie von Ihren Lehrern ge-
zwungen werden und ich von den Verhältnissen.
Wir wollen nicht untersuchen, was von den Beiden
schlimmer ist. Aber seien Sie nicht traurig — ich
werde den Aufsatz für Sie schreiben. Welches
Thema?"
„Das Wasser und seine Bedeutung in der
Natur und im Leben hes Menschen! Werden
Sie schreiben? Wie lieb Sie sind! Und so, haß
ich eine Fünf*) bekomme?"
„Womöglich 5 +."
„Und dann werden Sie konimen Puppen spielen?"
„Nach dem Aufsatz? Aber gewiß!"
„Auf Wiederseh'n! Wie l... lieb Sie sind!"
Und sie ging davon...
Ich hatte mich deshalb so rasch erboten, den
Aufsatz zu schreiben, weil ich auf diesem Gebiet
schon bewandert war. Einmal hatte ich vom Li-
teraturlehrer eine Zwei bekommen — für einen Auf-
satz, den ich einer Schülerin der fünften Klasse auf
das Thema geschrieben hatte: „Die positiven Züge
in den Charakteren von Skalosuh und Wolt-
schalin." **) Ein andermal hatte ich eine Eins
mit einem Minus erhalten — das war für einen
Aufsatz gewesen, den ich einem Gymnasiasten der
sechsten Klasse geliefert hatte über das Thema:
„Welchen Nutzen oder Schaden haben wir, wen»
wir unsere Eltern ehren?" oder so was Aehnliches.
Auf diese Weise wußte ich schon, wie ich die
Sache anfangen mußte. Indessen hatte ich doch
einige Bedenken. Ich wollte so sehr gern, daß
meine liebe Kleine eine gute Nummer bekänic.
Wie sollte ich's nun anfangen, daß der Aufsatz
ihr eine Fünf einbrächte und nicht weniger? Hm?
Nach einigem Nachdenken kam ich zu folgendem
Schluß: Bevor ich ansinge zu schreihcn, müßte ich
mir einbilden, daß ich kein baumlanger Kerl wäre
von zwei Arschin und zehn Werschok Länge, son-
dern ein winziges rosiges Schulmähchen von zwölf
Jahren. Denn wenn ein Lehrer ein Thema nnf-
gibt, so zieht er doch ohne Zweifel die Kenntnisse
in Betracht, die das Kind über dieses Thema haben
kann, ebenso wie seine Psychologie, seinen Stil
und seine, sozusagen, ideelle Auffassung desThemas,
sein Verhältniß dazu. Und folglich müßte ich nach
Möglichkeit ein Kind nachahmen. Wunderbarl
Zu Hause legte ich mich auf den Divan, rauchte
eine PapiroS an und schlief ein, was ich gar nicht
hatte thun wollen. Geweckt wurde ich von einem
guten Freunde, der gekommen war, mich zu he-
suchen, was er, wie sich herausstellte, ebenfalls
nicht hatte thun wollen. Er war am Hause vorüber
gegangen, ohne den leisesten Wunsch zu verspüren,
mich aufzusuchen — und plötzlich war er da! Und
wir begannen ein Gespräch darüber, wie elastisch
die Bande der Freundschaft doch seien: da geht
nran rechts am Hause des Freundes vorüber, und
dann konimt man doch zu ihn> und stört ihn aus
dem Schlaf. Tann sprachen wir vom Weiii und
den Leuten, die Wein trinken. Wir entdeckteil
Folgendes: Menschen, die Geld in den Taschen
oder Kredit beim Weinhändler haben, können
sich Wein kaufen, und die, welche weder
das eine noch das andere besitzen, können's
nicht. Als mein Freund endlich wcgging,
da ivar es schon zu spät, um vom Wasser
zu schreiben.
Der Aufsatz sollte zuni Sonnabend ge-
macht werden — ich hatte noch zwei Tage
Zeit. Am folgenden Tage jedoch kam dem
Wasser zwar nicht mein Freund, wohl aber
der Wein in die Quere, der sich mir gegen-
über als ein richtiger Feind erivies. Und
nun brach der letzte Tag an, und ich setzte
mich hin, um über das Wasser und dessen
Bedeutung in der Natur und im Leben des
Menschen zu schreiben. Ich hatte fürchterliche
*! In russischen Schulen die beste Note.
**) In Gribojedow's Drama: „Göre ot umä“
(„Berstand schasst Leiden"!.
llracüo unä prinrellin
C. Pctersen
1905
Smikiens <8ra6
Aus Langcrwcile, im freniden Ort,
Ging ich über den Kirchhof fort,
Sah mir ein Kreuzchen an, einen Stein,
Manch seltsam Sprüchlein von Sterben
und Sein,
Und lies; mir zuflüstern von den Cypressen,
Daß hier Alles längst, längst vergessen.
Emiliens Grab — da blieb ich stehn,
War nichts andres drauf zu sehn,
Weder Bibelwort, Zeit, noch Familienname,
Nur einzig stand drauf, wie eine Brosame:
Emiliens Grab.
Das fiel mir auf und ging mir ins Blut,
Mein Gott, wer war sie, die hier ruht?
Das Gras, die Frühlingsblumen, die Bienen,
War Alles so froh von der Sonne beschienen.
Doch hatte niemand den Platz gepflegt,
Alles wucherte, ungehegt.
Nichts konnte auf dem Grabe prunken,
Selbst die Einfassung morschte versunken.
Ich ging meiner Wege am Friedhofsrand,
Als ich endlich ein steinalt Mütterchen fand.
„Was ist denn das dort mit der Emilie?
Der Nachname fehlt ja, wie hieß die Familie?"
Ja, Herr, das ist wer weiß wie viele Jahre;
Ich stand 'an ihrer Totenbahre.
War ein jung Ding, einfacher Leute Kind,
Doch wie sie dann alle leichtgläubig sind:
Kam ein fremder Mann angegangen,
Hat sie in seine Netze gefangen,
Versprach ihr, sie auf sein Schloß zu bringen,
Er sei reich und könn ihr Alles erschwingen,
Und hat sie geheiratet. Dann zogen sie fort,
Fern weg an den Rhein, da ist sie verdorrt.
War Alles Schwindel, war Alles erlogen,
Er hat sie in seinen Schmutz gezogen.
Hat sie verlassen. Und sie kam wieder
Und brach am Hans ihrer Mutter nieder.
Ist schnell gestorben ans Elend und Gram,
Konnte nicht länger ertragen die Scham.
Die Mutter, von Haß und Wuth ganz besessen,
Wollt ihres Eidams Namen vergessen,
Hat ein Kreuz ihr gesetzt, als sich das begab,
Steht weiter nichts drauf als:
Emiliens Grab.
Detlev von Liliencron
o
Zwei kleine fabeln
Oie unvollkommene Welt
„wie unvollkommen ist doch
die Welt!" rief ein Fuchs. „Die
Schnecken kriechen und die Hasen
laufen wie der wind!"
Oer Mistkäfer
„wie kann man nur die Welt
verachten?" sagte ein Mistkäfer.
„was gibt es nicht für wunder-
schönen Mist auf ihr!"
JUGEND
Das Wasser
und seine Bedeutung in der V7«tur und
im besten des tlTmfcbcn
Skizze von Maxim Gorki
Aslle Menschen haben Flecken auf ihrem Gewissen
«fl* — auch ich habe einen solchen
Den meisten Menschen jedoch sind diese Ver-
zierungen auf dem Antlitz ihrer Seele höchst gleich-
gültig; sie tragen sie mit derselben Leichtigkeit
wie ihre gestärkten Hemde». Ich aber trage keine
solchen Hemden und fühle mich wahrscheinlich des-
halb höchst unbehaglich mit meinem Fleck. Mit
einem Wort — ich will eine Beichte ablegen.
Ich beichte nicht etwa aus dem Grunde, weil
ich sonst keine angenehmen Zerstreuungen mehr
im Leben finde, oder weil ich mich nicht im
Stande fühle, durch irgend etwas Anderes die Auf-
merksamkeit der Leute auf mich zu ziehen; auch
werde ich nicht darum offenherzig, weil ich hie
Absicht hätte, irgend etwas über meine eigenen
Vorzüge zu erzählen — oh nein! Kein einziger
von den Gründen, welche gewöhnlich die Menschen
zur öffentlichen Buße treiben, ist in der» gegebenen
Fall für mich maßgebend gewesen. Ich beichte
einfach, weil ich fühle — es ist Zeit! Und da
habe ich nun zur Feder gegriffen und will mit
einem offenen Bekenntnis; wie mit einer Bürste
jenen dunklen Fleck von meiner Seele herunter-
putzen, der mir schon längst das Herz bedrückt.
Angefangen hat das Alles auf der Straße, an
einem heiteren Maitage, als ich ans einem Spazier-
gange einem kleinen Schulmädchen begegnete, das
meine gute Bekannte war. Sie hieß Lisotschka und
hatte ein paar luftige, braune Augen — in dem
Augenblick aber waren sie traurig; das niedliche,
sonst so rosige Gesichtchen sah blaß und leblos aus
und auch her Gang war heut nicht so vogelgleich
flink unh zierlich, sondern müde und schleppend.
„Guten Tag, Lisotschka! Wie geht cs Ihren
Puppen?"
Ich Hab' vergessen, zu sagen, in welcher Schul-
klasse sie war: In der vierten. Es war mir inimer
ein Hauptvergnügen, mit ihr Puppen zu spielen —
es ist wunderbar erfrischend nach dem Verkehr mit
Menschen.
„Guten Tag!" sagte mir Lisotschka, und ich
hörte Thränen in ihrer Stimme.
„Was fehlt Ihnen, liebes Kind?" fragte ich
beunruhigt.
Ich muß gestehn — ich liebte sie, und sie er-
widerte mein Gefühl mit her ganzen Stärke und
Leidenschaft ihrer zwölf Jahre. Ich selbst war
damals erst dreinnhfünfzig Jahre alt.
„W .'.. wir haben w ... wieder einen Aufsatz
. . . a . . aufbekommen. . .," sagte sie schluchzend.
„Einen Aufsatz? Bah! Ist denn das Thema
so traurig, daß Sie schon jetzt weinen müssen,
hevor Sie's noch ausgearbcitet haben?"
Sie lächelte.
„Ja, Sie haben gut reden — Sie werden nicht
gezwungen, Aufsätze zu schreiben."
„Ach, Lisotschka, — auch ich werde dazu ge-
zwungen. Nur daß Sie von Ihren Lehrern ge-
zwungen werden und ich von den Verhältnissen.
Wir wollen nicht untersuchen, was von den Beiden
schlimmer ist. Aber seien Sie nicht traurig — ich
werde den Aufsatz für Sie schreiben. Welches
Thema?"
„Das Wasser und seine Bedeutung in der
Natur und im Leben hes Menschen! Werden
Sie schreiben? Wie lieb Sie sind! Und so, haß
ich eine Fünf*) bekomme?"
„Womöglich 5 +."
„Und dann werden Sie konimen Puppen spielen?"
„Nach dem Aufsatz? Aber gewiß!"
„Auf Wiederseh'n! Wie l... lieb Sie sind!"
Und sie ging davon...
Ich hatte mich deshalb so rasch erboten, den
Aufsatz zu schreiben, weil ich auf diesem Gebiet
schon bewandert war. Einmal hatte ich vom Li-
teraturlehrer eine Zwei bekommen — für einen Auf-
satz, den ich einer Schülerin der fünften Klasse auf
das Thema geschrieben hatte: „Die positiven Züge
in den Charakteren von Skalosuh und Wolt-
schalin." **) Ein andermal hatte ich eine Eins
mit einem Minus erhalten — das war für einen
Aufsatz gewesen, den ich einem Gymnasiasten der
sechsten Klasse geliefert hatte über das Thema:
„Welchen Nutzen oder Schaden haben wir, wen»
wir unsere Eltern ehren?" oder so was Aehnliches.
Auf diese Weise wußte ich schon, wie ich die
Sache anfangen mußte. Indessen hatte ich doch
einige Bedenken. Ich wollte so sehr gern, daß
meine liebe Kleine eine gute Nummer bekänic.
Wie sollte ich's nun anfangen, daß der Aufsatz
ihr eine Fünf einbrächte und nicht weniger? Hm?
Nach einigem Nachdenken kam ich zu folgendem
Schluß: Bevor ich ansinge zu schreihcn, müßte ich
mir einbilden, daß ich kein baumlanger Kerl wäre
von zwei Arschin und zehn Werschok Länge, son-
dern ein winziges rosiges Schulmähchen von zwölf
Jahren. Denn wenn ein Lehrer ein Thema nnf-
gibt, so zieht er doch ohne Zweifel die Kenntnisse
in Betracht, die das Kind über dieses Thema haben
kann, ebenso wie seine Psychologie, seinen Stil
und seine, sozusagen, ideelle Auffassung desThemas,
sein Verhältniß dazu. Und folglich müßte ich nach
Möglichkeit ein Kind nachahmen. Wunderbarl
Zu Hause legte ich mich auf den Divan, rauchte
eine PapiroS an und schlief ein, was ich gar nicht
hatte thun wollen. Geweckt wurde ich von einem
guten Freunde, der gekommen war, mich zu he-
suchen, was er, wie sich herausstellte, ebenfalls
nicht hatte thun wollen. Er war am Hause vorüber
gegangen, ohne den leisesten Wunsch zu verspüren,
mich aufzusuchen — und plötzlich war er da! Und
wir begannen ein Gespräch darüber, wie elastisch
die Bande der Freundschaft doch seien: da geht
nran rechts am Hause des Freundes vorüber, und
dann konimt man doch zu ihn> und stört ihn aus
dem Schlaf. Tann sprachen wir vom Weiii und
den Leuten, die Wein trinken. Wir entdeckteil
Folgendes: Menschen, die Geld in den Taschen
oder Kredit beim Weinhändler haben, können
sich Wein kaufen, und die, welche weder
das eine noch das andere besitzen, können's
nicht. Als mein Freund endlich wcgging,
da ivar es schon zu spät, um vom Wasser
zu schreiben.
Der Aufsatz sollte zuni Sonnabend ge-
macht werden — ich hatte noch zwei Tage
Zeit. Am folgenden Tage jedoch kam dem
Wasser zwar nicht mein Freund, wohl aber
der Wein in die Quere, der sich mir gegen-
über als ein richtiger Feind erivies. Und
nun brach der letzte Tag an, und ich setzte
mich hin, um über das Wasser und dessen
Bedeutung in der Natur und im Leben des
Menschen zu schreiben. Ich hatte fürchterliche
*! In russischen Schulen die beste Note.
**) In Gribojedow's Drama: „Göre ot umä“
(„Berstand schasst Leiden"!.
llracüo unä prinrellin
C. Pctersen