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Nr. 41

Abenteuer

Ich bin einmal nach Krähwinkel gefahren,

— Denn selbstverständlich seit etlichen Jahren
Besitzt auch Krähwinkel seine Babit-

Das Bähnchen zweigt ven der Linie Berlin-
Neapel irgendwo ab zur Seit';

Auf der Station stand das Zügle bereit,

Die Lokomotiv und ihr Führer rauchte
Mit kurzen Stößen behaglich noch
Ein akademisches Viertel hin,

Erwartungsvoll, ob schließlich nicht doch
Noch irgend ein Passagier anstauchte;

Sv saß ich schon eine geraume Weil'

In meinem Coupe, der Abfahrt harrend.

Da plötzlich öffnet »och einmal knarrend
Sich meine Thür, „in geruhsamer Eil"

(Wie's in einem alten Liede heißt)

Kommt der dicke, schwäbelnde Schaffner, weist
Einer Dame Platz an in meinem „Abtbeil",
Klappt wieder zu, pfeift, bums! Ein Ruck! —
Mit kräftigem Stoß anziehen die Wage» —
Und bei dem Ruck stiegt schmiegsam und schmuck
Auch schon die Dame mir auf de» Mage»...!

Ein köstliches Ding. Sechs-, siebenundzwanzig,
Blond, schlank, von weidebiegsamem Wuchs,

Im Kopf ein Paar Augen, blank und klar
Und koch von heimlichem Feuer durchglimmt,
In dem es wie von Verheißung schwimmt —
Um ihre» Hals der Silberfuchs
Umschmiegt sic fast wie ei» Dauuenkissen,

Unter der Jacke, straff und fein,

Zeichnen sich Brüstchen, scharf umriffeu —

Und über dem allen, wunderbar
Ein prickelnder Duft... stürz, was meine Lust
An Weibern, lag mir im Arme just
Beim ersten Ruck — —

Glück! Nicht wahr, Glück?
Dtcr gibt es eine Bestimmung im Leben?

Na ja! Wir nützten den Augenblick!

Und eh der alte Saturnus fort
Den Zeiger gerückt um eine Stunde,

Hing schon ihr Mündchen an meinem Munde!
Ach, waren das Küsse. Wild und heiß.

Nur eine Frau, nur eine von denen,

Die an der Quelle verschmachten vor Sehnen,
Hat solche Küsse! .. .

Nichts mehr! Ich weiß
Nicht, wie um Krahwinkel die Gegend ist —
Schön, häßlich, herrlich, langweilig, trist,
Uninteressant, hat sie Seen, Flüsse,

Meer oder Berge — ich weiß nur dieß:

Der Weg dorthin führt durch lauter Küsse
Und die Fahrt ist die allerkürzeste Fahrt,

Die je von Zügen zurückgclegt ward,

Und wenn die Trennungsstunde schlug,
Jst's wie eine Trennung vom Paradies.

Das Sonderbarste aber, wißt
Ist dieß: In sechsunddreißig Jahren
Nur Einmal geht nach Krähwinkel der Zug —

— Ich bin Einmal nach Krähwinkel gefahren.

A. I>e .\ora

. JUGEND

Den Prüden!

3l)r frommen, denen alles Dadde wüst
Und sündhaft scheint, erlaubt, dah ich euch frage:
ölaubt ihr vielleicht, wenn einst am jüngsten Tage
Die Codien des Berichts Pofaune grüßt,

Daß dann ein großer Cherubim als Schneider
Sturmhauchend aus gefpalt'nen Wolken fliegt,
Der allem auferttandnen 51 ei Ich e Kleider
Um die so lang entblößte Dacktheit schmiegt?

Das ist ja höchst begreiflich und verständlich,
Daß, was der Satan in die Tiefe reiht,

Auch gänzlich fplitternackt, schamlos und

schändlich

Dahinfährt, wo das l)öllenfeuer gleißt!

Die brauchen kein 0ewand! Zur ihre Thaten
Sind ew'ge Zolter, ew’ger Tod bereit;

Und mögen Tie nun frieren oder braten:

Der Qualm des Abgrunds fei ihr einzig Kleid!

Doch anders ilt's natürlich mit den Zrommen!
Die dürfen, wenn sie einstmals aufersteh'n,
Dicht unbekleidet in den yimmel kommen;

Das wäre ja gar scheußlich anzuseh'n!

Schon heute wird gewiß im Himmel drinnen
0cTd)afft an ihrer künftigen Montur;

Schon heute nähen fel'ge Schneiderinnen
JTn Ködten und an Hofen! 0laubt es nur!

Und ihr vor allen, die ihr schamhaft leid
Und stark die menschlichen Begierden zügelt,
Zhr kriegt das allerfd-önste Zetttagskleid
Am jüngsten Tage auf den Leib gebügelt!
Zrohlodtend geht ihr dann zum Himmel ein
Und fpred)t: Herr nimm mich auf zu

deinen Treuen!

Bekleidet brauch' ich mich ja nicht

zu scheuen;

Als du mich schufest, war ich doch

E. Hansen

1905

Gyn cbriftUcb (ßabnvoort

Gottseelige Brüder tu Christo, insonderheit libe
Teutsche!

Der hocherlenchte Mann Johannes Henne
Gensfleisch von Torgenloch, welcher nach seiner
Mutter Gudenberg geheyßen wird, hat die merck-
wüedige Kunst erfunden, zn drucken die heylige
Schrifft, und hat angewandt zu solchem wercke
ein gar künstlich Gemisch, so er Buchdruckerschwärze
nennet. Aber so er hätte können ahnen, welche
höllische Huhrereyen würden gedruckt werden im
Jahr nach Christi Geburt »gös, wahrlich der ge-
rechte und frumbe Herr Genssteisch hätte nicht
eine Buchdruckerschwärze, vielmehr eher eine Buch-
druckerröthe erfunden, Denn uns schröcket die
Röthe der Scham, weil heute die gedrucketen Bücher
nicht lehren, was eyn ehrbar Mann thun und
lassen sol, auf daß das Gesetz erfüllet werde.
Sondern sie zeygen nur Wollust an und fleischlich
Lust und Sodomiterey; so solches schreyben, sind
Schweyne, und so solches lesen, sind gleychenfals
Schweyne. Denn sie lesen mit allem Fleyß ihren
Goethe, welchen sie auch Rietzsche nennen oder
Zola oder Liliencron oder Maupassant, und beten
zu ihm, wie die Heyden beteten zn ihrem Götzen
Baal, lltid sie misachten den hochgelehrten und
vilaelobeten Lizentiateti Lohn, und lassen ihr sütid-
hafft Dünkel und Fühlen nicht fahren. Aber ich
bitte und warne treulich eitlen jeglichen Christen,
so da schreybet mit der Feder oder mit der Schreib-
maschinen, er solte schlichte Rede und Geschieht
schreyben, sotiderlich in der Zeytung, auf das; unsre
Kindlein sie können lesen und nehmen ttidjt Schaden
an der Unschuld ihrer Seele. Und so sie schreyben
wollen von der Lieb, so sey ihnen solches nimmer
verwehret, aber erst kirchlich Segen und Trauung
vor dem Altar und dann die christlich frumbe
Brautnacht; denn solches ist die Vrdnung und
Reihe, die gesetzet ist von der Kirche und von
der Bbrigkeyt.

Mit Recht lobet der vilgelehrte Lizentiat Bohn
den Poeten, der da geheyßen ist Shakespeare; denn
er hat geschaffen den demüthigen Knecht Falstaff,
welcher in keuscher Cnthaltsamkeyt kasteyet hat
seinen christlichen Leyb, und welcher immer ge-
dürstet hat nach dem Gnadenborti der Kirche.

Libe Teutsche, schreybet eytifältig, wie die
frumben Gottesknechte Bohn und Weber, welche
die Schriftsteller immer anhalten, immer treiben,
und sich mit diesem Volk, wie mit Eseln, bleuen.
Daß sie also thun, das ist durch ihres Atntes
Art angezeyget. Denn sie sind die christlichen
Sprengwagen in dem heydnischen Straßenstaub
der unkeuschen Schrifften. Und sie müssen alle
Stutid zu jedent Reynigungswerck bereyt seyn,
und müssen nässen und sprengen, welcher Staub
ihnen am ersten vor die Hand koint. Denn es
steht geschriben: wer A gesagt hat, der muß auch
B sagen. Aber es steht nimmer geschriben: wer
B gesagt hat, der muß auch C sagen. Neyn,
denn wer B libt, muß nimmer C liben, und wer
libt den Herrn Bohn, der sol nimmer liben den
Deren Cohn. Die Bohns sind Kinder des ewigen
Lebens, aber die Cohns sind der Samen des
Satans. Und es war das' werck derer Jüüen in
der Littcratur. daß die heydnischen Japaner ob-
siegen durffton über die christlichen Russen, weil
die Sünden in den Sdjrifteu zu viel wurden und
sich über die Maaß hausten. Aber da kaineil die
vilgelobeten Lizentiaten Bohn und Weber, und
sie lehrten, wie der Heyden Unglaub und der
Teutschen schlechte Schrifften gleichermaßen Sünd
seyen, und da stegeten die christlichen Russen, und
die ruchlosen Heydeti bekamen keyn Gold und
keyne Kriegsentschädigung.

Und darum schreybet immer züdstig und frumb,
ihr Brüder, denti mercket: wer schreybet wie die
Gottesknechte Bohn und Weber, der gewinnt
reichen Lohn; wer aber in seynen Schrifften
preyset die sreye Libe, dessen ist Mist und Dreck!
Amen!

Frld«

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Index
A. De Nora: Abenteuer
Frido: Ein christlich Mahnwort
Emil Hansen: Pan und Nymphen
Monax: Den Prüden!
 
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