Nr. 43
JUGEND
1905
Auf dem Lande
Der Abend kam und streute
Sein Gold auf Hof und Haus
lind sprach: Genug für heute!
Nun laßt es gut sein, Leute,
Und geht und ruht Euch aus.
Die Kinder und die Alten,
Die schliefen alsbald ein,
Voll Dank und wohlbehalten,
Mit frommem Hautcfalten —
Die Jungen spät zu zwei».
Alexnncker v. Rernus
Impressionismus
Ich schleudre auf der Hauptstraße. Die La-
ternen brennen schon und die Menschen drängen
sich an den glänzenden Schaufenstern. Besonders
die Frauen scheinen ganz aufgeregt. Sie huschen
und rennen, schwatzen und gestikulieren und stehn
dann wieder wie Mauern vor den Läden. Es
fällt mir ein. daß in vierzehn Tagen Weihnachten
ist. Wie sie sich berauschen an den Schaufenstern!
Wie sie mich berauschen mit ihren reizenden, von
Kälte und Eifer gerötheten Gesichtchenl
Ach die Frauen! Ich erinnere mich, wie ich als
Junge von 17 Jahren die gleiche Straße hinauf
und hinnnterlief und ihretwegen fast verzweifelte.
Damals wagte ich's kaum, sie anzuschauen. Aber
Wünsche hatte ich. Wünsche!. Einen Kopf
und einen Leib sollten sie alle haben zum Küssen
und zum Umschlingen. Und ich wäre ja froh
gewesen, wenn mich nur eine ein bischen lieb
nngeschaut hätte. Gesenkten Blicks schlich ich danli
durch dunkle Nebengassen nach Hause und drückte
mich dort ganz still und scheu herum. Die Mutter
tagte dann: „Der Junge ist wieder so sonderbar,
er ist lviedcr im Wachsen."
Ach das Wachssieberl Wächst man denn ewig?
Was für ein eigcnthümlichcs Gefühl dasdatnals ivar,
wie wenn einem plötzlich in einem dunklen Park eine
ganze Feuerwerksserie direkt vor den Augen hinauf-
aelassen wird. Raketen zischen, Froschkästen knallen,
Feuerräder sprühen und römische Lichter springen.
Man kann in den Glanz nicht hineinsehen und
sieht doch hinein. Man ist verwirrt und betäubt
und schänit sich. Wie deutlich ich mir noch dieses
Gefühl vorstellen kann. Ich glaube, ich habe es i
jetzt noch, nur sind meine
Wünsche weniger kühn, weil
sie nicht mehr so hoffnungs-
las sind. Aber wie gut, daß
sie damals so hoffnungslos
waren! Das beste an der
Liebe ist doch, daß sie, wie
sag' ich's doch, — ich sehe
in Gedanken an einer elektri-
schen Bogenlampe hinauf, —
daß sie... Bogenlampe ist. Der
Zwischenraum zwischen den
Kohlenstäben macht das Licht.
Ich starre zu meinem
Symbol hinauf und bemerke
dabei nicht, daß ich längst
ein Verkehrshindernis; bilde.
Ich erhalte einen Stoß und
sehe mich um. Eine junge
Dame mit vielen Paketen
zwängt sich neben mir durch
und sieht mich halb belustigt,
halb verlegen, an. Ich fühle
deutlich ihren weichen und
doch kräftigen Oberarm an
meinem Ellenbogen. O es
ist doch hübsch, wenn der
Zwischenraum verschwindet!
Ich bleibe vor einem glän-
zenven Seidenladen stehen und
mustere die schillernden und
flammenden Stoffe. Neben mir stiert ein älterer Ar-
beiter hinein. Sein Gesicht ist ausgehöhlt undfliis
auf die Knochen abgenagt von verschiedenen wilden
Bestien, wie mir scheint: Hunger, Arbeit, Krank-
heit, Schnaps haben sich in ihn als Beute ge-
theilt. Ich verfolge seine Augen. Er wird wilde,
gierige Blicke auf den Luxus der Reichen werfen,
denke ich mir. Aber er sieht ganz gleichgiltig
drein, ivie wenn das lauter alte Säcke vor ihm
wären. Er weiß nichts davon, wie Seide um
Franenkniee rauscht. Nun glotzt er in den Par-
fümerieladen daneben. Er kennt das reizende Wölk-
chen von zarten Wohlgerüchen nicht, das hinter
einer Frau herschwebt, wie zärtliches Abschicds-
winken. Jetzt steht er stunipf vor einem Juwelcn-
ladcn. Weiß er denn, wie prächtig aufregend diese
Rubinen an weißem Halse glühen! O Natur,
wie bist Du weise, daß Du die Molche der Adels-
berger Grotte blind werden läßt! Gesegnet seist
Du! Wären wir sonst einen Augenblick unseres
Lebens sicher! Nur der Hunger ist Rebell, die
Häßlichkeit duldet und schweigt.
Der Gedanke schießt mir durch den Kopf, wie es
märe, wenn wir Besitzenden — ich denke stolz ..wir",
denn ich habe zufällig etwas Geld in der Tasche —
plötzlich die Enterbten wären. Alan würde uns
sagen, die gesetzliche Ordnung verlangt es so! Lä-
cherlich! Man soll verpflichtet sein, kein Geld zu
haben! Schon bewegt sich meine Hand nervös in
der Tasche, als ob sie eine Waffe suche. Sie zerknüllt
ein altes Trambahnbillet und rollt es zu einer
Kugel znsamnien. Ich habe eine Bombe in der
Tasche! Soll ich diese Gruppe von eleganten
Cylinderhütcn in Brei verwandeln, oder den feisten
Bourgeois da, der eben vor der Kunsthandlung
steht und überlegt, ob er seiner Gattin dieses
offenbar sehr preiswerthe Oelgemälde — „Mutter-
freuden" steht mit großen Buchstaben auf dem
prachtvollen Goldrahnien — schenken, oder doch
nicht etwa um das Geld noch ein kleines Papier-
chen kaufen und ihr unter den Baum legen soll.
Aber nein, den Bourgeois laß ich leben. Es hängt
ihm von der Kälte ein großes Tröpfchen an der
Nase und das ist so komisch. Aber im Ernst, ans
wen soll ich meine Bombe werfen? Ah! da ist
der richtige, der Staatsanwalt vor mir! Ich
kenne ihn genau, er ist mein Freund. Wenn er
das Wort „Unzucht" ausspricht, und er thut dies
sehr oft, fletscht er die Zähne bis an die Ohren
und schießt den Unterkiefer vor: Er macht die
Gebärde der Unzucht dabei. Verhülle Dich doch
besser, Freund! Ich hebe das Ding vorsichtig aus
der Tasche und will es werfen. Aber ich habe
dabei etivas gedacht, das inich zum Lachen bringt,
irnd ich darf nicht lachen, sonst schüttle ich das
Ding und es platzt vorher. Ich bringe es des-
halb wieder vorsichtig in die Tasche zurück und
lache in aller Gemüthsruhe zu Ende. Ich dachte
daran, was morgen in der Zeitung stehen wird:
„Bon der Explosivkraft der Bombe kann man sich
eine Vorstellung machen, wenn man erfährt, daß
von denr Gehirn des Aermsten auch nicht ein
Partikelchen aufgesunden werden konnte." Ha, ha,
haha ! Gehirn! Da kenne ich die Hohlräume.meines
Freundes besser! Ich habe mich beruhigt und
schnelle mein Geschoß ab: ich treffe ihn gerade
am Ohr. Er blickt indigniert an den Häusern
hinauf und wischt sich sorgfältig ab. Der Un-
dankbare! Er kann von Glück sagen.
Am nächsten Laden ist das Schaufenster hinten
mit Spiegeln ausgelcgt. Er ist umringt von
Damen, welche die günstige Gelegenheit benützen.
Sie zupfen an ihren Pelzen, den Schleiern, den
Haaren und manche an ihren vor Kälte rothen
Nasen. Ich lächle, bemerke aber dabei, daß ich
selbst in den Spiegel sehe, und lächle noch mehr.
Meine neue Kravntte sitzt gut, sie gibt mir ein
unternehmendes Aussehen. Ich fühle, daß ich eine
stramme Haltung annehme und den Hals aus dem
Kragen heraus und das Kinn in die Höhe strecke.
Ich glaube sogar, der Blick in den Spiegel ist die
Ursache, daß ich jetzt einen raschen Blick zu den
Sternen hinauf werfe. Eine gutsitzende Krnvatte
und der Kerl schwillt bis zum Sirius!
Ach die Sterne! Wie sie heute funkeln! Es
ist seltsam, die Sterne und dieses Straßentreiben.
Wie absurd sieht plötzlich das Alles hier ans. Kann
man denn etwas Anderes thnn, als auf die höchsten
Gipfel steigen, die langen Nächte dort sitzen und
hinaufsehen in die Unendlichkeit des Raumes und
hinunter in die Unendlichkeit der Seele. Ein un-
widerstehlicher Trieb erfaßt mich, mitten auf die
Straße zu treten und zu schreien: „Die Sterne!
Seht doch die Sterne, ihr Narren! Das Alles
hier ist ja Hokuspokus der Sinne." Sie isolieren
uns zum Menschen und wir sind doch nur Natur.
Wir sind nichts als eine Zelle in ihr. Ein Feuer
durchknistert diese Zelle und sie bekommt das Ge-
fühl ihrer selbst, und fühlt sich nicht mehr im
Ganzen. Aber auch die Zellen, aus denen wir
zusammengesetzt sind, glauben selbst zu sein und
merken nichts von dem Gesammtorganismus. lind
wir, diese Gesamnitempfindungen eines Zellen-
hanfens, haben auch lange nicht gewußt, daß jede
unsrer Zellen auch lebt und sich als Wesen fühlt.
Vielleicht hat sich der Organismus, den wir zn-
sammensetzen, bis jetzt auch noch nicht auf uns
besonnen; Gott weiß noch nichts von uns oder hat
uns wieder vergessen.
Deshalb ist es so
schwer, ihn zu finden..
Warum werden bei
mir solche Gedanken
inmier beim Anblick
der Sterne ausgelöst?
Worin liegt denn ei-
gentlich das Beun-
ruhigende , Gehcim-
nißvolle, Fremde an
ihnen? Es gibt doch
tausend geheimniß-
vollereDingenndVor-
gänge um uns herum,
die wir viel weniger
erklären können und
die uns doch kühl las-
sen! Wir können die
Sterne nicht bekrab-
beln und nicht betasten,
daran liegt es! Die
Pfote tödtet die Wun-
der und erklärt sie doch
nicht. Pfui, was für
gemeine Organe das
sind! Frauen dürften
keine Hände haben und
wir keine für Frauen.
Sie waren der erste
gröbste Sinn und sie
JUGEND
1905
Auf dem Lande
Der Abend kam und streute
Sein Gold auf Hof und Haus
lind sprach: Genug für heute!
Nun laßt es gut sein, Leute,
Und geht und ruht Euch aus.
Die Kinder und die Alten,
Die schliefen alsbald ein,
Voll Dank und wohlbehalten,
Mit frommem Hautcfalten —
Die Jungen spät zu zwei».
Alexnncker v. Rernus
Impressionismus
Ich schleudre auf der Hauptstraße. Die La-
ternen brennen schon und die Menschen drängen
sich an den glänzenden Schaufenstern. Besonders
die Frauen scheinen ganz aufgeregt. Sie huschen
und rennen, schwatzen und gestikulieren und stehn
dann wieder wie Mauern vor den Läden. Es
fällt mir ein. daß in vierzehn Tagen Weihnachten
ist. Wie sie sich berauschen an den Schaufenstern!
Wie sie mich berauschen mit ihren reizenden, von
Kälte und Eifer gerötheten Gesichtchenl
Ach die Frauen! Ich erinnere mich, wie ich als
Junge von 17 Jahren die gleiche Straße hinauf
und hinnnterlief und ihretwegen fast verzweifelte.
Damals wagte ich's kaum, sie anzuschauen. Aber
Wünsche hatte ich. Wünsche!. Einen Kopf
und einen Leib sollten sie alle haben zum Küssen
und zum Umschlingen. Und ich wäre ja froh
gewesen, wenn mich nur eine ein bischen lieb
nngeschaut hätte. Gesenkten Blicks schlich ich danli
durch dunkle Nebengassen nach Hause und drückte
mich dort ganz still und scheu herum. Die Mutter
tagte dann: „Der Junge ist wieder so sonderbar,
er ist lviedcr im Wachsen."
Ach das Wachssieberl Wächst man denn ewig?
Was für ein eigcnthümlichcs Gefühl dasdatnals ivar,
wie wenn einem plötzlich in einem dunklen Park eine
ganze Feuerwerksserie direkt vor den Augen hinauf-
aelassen wird. Raketen zischen, Froschkästen knallen,
Feuerräder sprühen und römische Lichter springen.
Man kann in den Glanz nicht hineinsehen und
sieht doch hinein. Man ist verwirrt und betäubt
und schänit sich. Wie deutlich ich mir noch dieses
Gefühl vorstellen kann. Ich glaube, ich habe es i
jetzt noch, nur sind meine
Wünsche weniger kühn, weil
sie nicht mehr so hoffnungs-
las sind. Aber wie gut, daß
sie damals so hoffnungslos
waren! Das beste an der
Liebe ist doch, daß sie, wie
sag' ich's doch, — ich sehe
in Gedanken an einer elektri-
schen Bogenlampe hinauf, —
daß sie... Bogenlampe ist. Der
Zwischenraum zwischen den
Kohlenstäben macht das Licht.
Ich starre zu meinem
Symbol hinauf und bemerke
dabei nicht, daß ich längst
ein Verkehrshindernis; bilde.
Ich erhalte einen Stoß und
sehe mich um. Eine junge
Dame mit vielen Paketen
zwängt sich neben mir durch
und sieht mich halb belustigt,
halb verlegen, an. Ich fühle
deutlich ihren weichen und
doch kräftigen Oberarm an
meinem Ellenbogen. O es
ist doch hübsch, wenn der
Zwischenraum verschwindet!
Ich bleibe vor einem glän-
zenven Seidenladen stehen und
mustere die schillernden und
flammenden Stoffe. Neben mir stiert ein älterer Ar-
beiter hinein. Sein Gesicht ist ausgehöhlt undfliis
auf die Knochen abgenagt von verschiedenen wilden
Bestien, wie mir scheint: Hunger, Arbeit, Krank-
heit, Schnaps haben sich in ihn als Beute ge-
theilt. Ich verfolge seine Augen. Er wird wilde,
gierige Blicke auf den Luxus der Reichen werfen,
denke ich mir. Aber er sieht ganz gleichgiltig
drein, ivie wenn das lauter alte Säcke vor ihm
wären. Er weiß nichts davon, wie Seide um
Franenkniee rauscht. Nun glotzt er in den Par-
fümerieladen daneben. Er kennt das reizende Wölk-
chen von zarten Wohlgerüchen nicht, das hinter
einer Frau herschwebt, wie zärtliches Abschicds-
winken. Jetzt steht er stunipf vor einem Juwelcn-
ladcn. Weiß er denn, wie prächtig aufregend diese
Rubinen an weißem Halse glühen! O Natur,
wie bist Du weise, daß Du die Molche der Adels-
berger Grotte blind werden läßt! Gesegnet seist
Du! Wären wir sonst einen Augenblick unseres
Lebens sicher! Nur der Hunger ist Rebell, die
Häßlichkeit duldet und schweigt.
Der Gedanke schießt mir durch den Kopf, wie es
märe, wenn wir Besitzenden — ich denke stolz ..wir",
denn ich habe zufällig etwas Geld in der Tasche —
plötzlich die Enterbten wären. Alan würde uns
sagen, die gesetzliche Ordnung verlangt es so! Lä-
cherlich! Man soll verpflichtet sein, kein Geld zu
haben! Schon bewegt sich meine Hand nervös in
der Tasche, als ob sie eine Waffe suche. Sie zerknüllt
ein altes Trambahnbillet und rollt es zu einer
Kugel znsamnien. Ich habe eine Bombe in der
Tasche! Soll ich diese Gruppe von eleganten
Cylinderhütcn in Brei verwandeln, oder den feisten
Bourgeois da, der eben vor der Kunsthandlung
steht und überlegt, ob er seiner Gattin dieses
offenbar sehr preiswerthe Oelgemälde — „Mutter-
freuden" steht mit großen Buchstaben auf dem
prachtvollen Goldrahnien — schenken, oder doch
nicht etwa um das Geld noch ein kleines Papier-
chen kaufen und ihr unter den Baum legen soll.
Aber nein, den Bourgeois laß ich leben. Es hängt
ihm von der Kälte ein großes Tröpfchen an der
Nase und das ist so komisch. Aber im Ernst, ans
wen soll ich meine Bombe werfen? Ah! da ist
der richtige, der Staatsanwalt vor mir! Ich
kenne ihn genau, er ist mein Freund. Wenn er
das Wort „Unzucht" ausspricht, und er thut dies
sehr oft, fletscht er die Zähne bis an die Ohren
und schießt den Unterkiefer vor: Er macht die
Gebärde der Unzucht dabei. Verhülle Dich doch
besser, Freund! Ich hebe das Ding vorsichtig aus
der Tasche und will es werfen. Aber ich habe
dabei etivas gedacht, das inich zum Lachen bringt,
irnd ich darf nicht lachen, sonst schüttle ich das
Ding und es platzt vorher. Ich bringe es des-
halb wieder vorsichtig in die Tasche zurück und
lache in aller Gemüthsruhe zu Ende. Ich dachte
daran, was morgen in der Zeitung stehen wird:
„Bon der Explosivkraft der Bombe kann man sich
eine Vorstellung machen, wenn man erfährt, daß
von denr Gehirn des Aermsten auch nicht ein
Partikelchen aufgesunden werden konnte." Ha, ha,
haha ! Gehirn! Da kenne ich die Hohlräume.meines
Freundes besser! Ich habe mich beruhigt und
schnelle mein Geschoß ab: ich treffe ihn gerade
am Ohr. Er blickt indigniert an den Häusern
hinauf und wischt sich sorgfältig ab. Der Un-
dankbare! Er kann von Glück sagen.
Am nächsten Laden ist das Schaufenster hinten
mit Spiegeln ausgelcgt. Er ist umringt von
Damen, welche die günstige Gelegenheit benützen.
Sie zupfen an ihren Pelzen, den Schleiern, den
Haaren und manche an ihren vor Kälte rothen
Nasen. Ich lächle, bemerke aber dabei, daß ich
selbst in den Spiegel sehe, und lächle noch mehr.
Meine neue Kravntte sitzt gut, sie gibt mir ein
unternehmendes Aussehen. Ich fühle, daß ich eine
stramme Haltung annehme und den Hals aus dem
Kragen heraus und das Kinn in die Höhe strecke.
Ich glaube sogar, der Blick in den Spiegel ist die
Ursache, daß ich jetzt einen raschen Blick zu den
Sternen hinauf werfe. Eine gutsitzende Krnvatte
und der Kerl schwillt bis zum Sirius!
Ach die Sterne! Wie sie heute funkeln! Es
ist seltsam, die Sterne und dieses Straßentreiben.
Wie absurd sieht plötzlich das Alles hier ans. Kann
man denn etwas Anderes thnn, als auf die höchsten
Gipfel steigen, die langen Nächte dort sitzen und
hinaufsehen in die Unendlichkeit des Raumes und
hinunter in die Unendlichkeit der Seele. Ein un-
widerstehlicher Trieb erfaßt mich, mitten auf die
Straße zu treten und zu schreien: „Die Sterne!
Seht doch die Sterne, ihr Narren! Das Alles
hier ist ja Hokuspokus der Sinne." Sie isolieren
uns zum Menschen und wir sind doch nur Natur.
Wir sind nichts als eine Zelle in ihr. Ein Feuer
durchknistert diese Zelle und sie bekommt das Ge-
fühl ihrer selbst, und fühlt sich nicht mehr im
Ganzen. Aber auch die Zellen, aus denen wir
zusammengesetzt sind, glauben selbst zu sein und
merken nichts von dem Gesammtorganismus. lind
wir, diese Gesamnitempfindungen eines Zellen-
hanfens, haben auch lange nicht gewußt, daß jede
unsrer Zellen auch lebt und sich als Wesen fühlt.
Vielleicht hat sich der Organismus, den wir zn-
sammensetzen, bis jetzt auch noch nicht auf uns
besonnen; Gott weiß noch nichts von uns oder hat
uns wieder vergessen.
Deshalb ist es so
schwer, ihn zu finden..
Warum werden bei
mir solche Gedanken
inmier beim Anblick
der Sterne ausgelöst?
Worin liegt denn ei-
gentlich das Beun-
ruhigende , Gehcim-
nißvolle, Fremde an
ihnen? Es gibt doch
tausend geheimniß-
vollereDingenndVor-
gänge um uns herum,
die wir viel weniger
erklären können und
die uns doch kühl las-
sen! Wir können die
Sterne nicht bekrab-
beln und nicht betasten,
daran liegt es! Die
Pfote tödtet die Wun-
der und erklärt sie doch
nicht. Pfui, was für
gemeine Organe das
sind! Frauen dürften
keine Hände haben und
wir keine für Frauen.
Sie waren der erste
gröbste Sinn und sie