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Die Lundrugswahlen in Baden

Lin zweiaktiges Drama in Schüttelreimen
von Beda Hafen

1. stlufzug.

(Ort: Pfarrbaus in Zähringen; Zeit: 20. Oktober 1905.
Pfarrer Wacker. „Der Große von Zähringen", hat eben die
Lektüre des „Badischen Beobachters" voiiendet. erhebt sich
vom Schreibtisch und monologisiert:»

Zu meinen Knie'n seh' ich die Bande liegen,

Run werd ich bald die Herrn im Lande biegen;

Ich will sie auf dem Sünderbttnkel schinden,

Als Ersten drauf Minister Schenkel binden.

(Es pocht an und Erzbischof Roerder, „Der Große von
Freiburg", tritt ein»

Schon laß' ich dreißig Volksgesandte tagen!

Welch Lob wird mir vom Lech die Tante sagen!
Wenn erst mein Volk zum ziveiten Streich sich reckt,
Vom Main zum Ri.h)einjall dann mein

Reich sich streckt.

Der Freiburger:

Doch vorerst mußt Du Dich noch wacker regen;

Du weißt, der rothen Soziracker wegen.

Der Zähringcr:

Die wider Kirch' und Staat zur Stunde bellen,

Ich will mich doch damit zum Bunde stellen,
Proletenlieb' mit süßem Munde heucheln
Und so des Blockes Lumpenhunde meucheln!

Der Freiburger:

Zum schwarzen Ochsen laß uns heiter wandeln,
Dort wollen wir beim Schoppen weiter handeln,
(beide gehen ab.)

2. Aufzug.

,Ort: Derselbe wie im I. Aufzug; Zeit: 90. Oktober 1905.
Ter Große von Freiburg im cisrigen Disput mit dem
Großen von Zähringen, i

Der Zähringcr:

Jst's Wahrheit? — oder ist mein Hirn gestört?!

Der Freiburger:

Dazu hat eine freche Stirn gehört!

Da gegen unS die Soziluder rangen,

llann's uns im Landtag nicht zum Ruder langen.

Der Zähringer:

Wie schadete des „Waldes Michel"*) sehr!

Nicht einen Halm schnitt unsre Sickiel mehr.

Der Freiburger:

Der Block benahm sich auch gleich Lümmel-Kindern.
Der Zähringer:

O Gott! mein Schmerz, ihn wird kein Kümmel

lindern!

Wir flieh'n mit unser» Centrums-Leiern Baden:
Freund Orterer will uns nach Bayern laden,
(beide ab.)

*) ein ultramontanes Hetzblatt.

Revanche A. Schmidhammer.

Wie wir hören, hat U ö n i g A l fo n s Kur; vor
seiner Abfahrt von Berlin noch verschiedenen
hervorragenden Persönlichkeiten die spanische
Hof-Torrerounifornt verliehen.

Her listige Potentat

Fn seiner am 7. November in London gehaltenen
„Zriedens"Nede leistete sich Lansdowne — offenbar
mit Bezug auf den Deutschen Kaiser — folgenden Satz:
„Großbritannien und Frankreich sind von Zeit zu
Zeit (in ihrer gegenseitigen Anziehungskraft) durch
die Thatsache gehindert worden, daß in vielen Theken
der Welt wir uns mit unfruchtbarer Konkurrenz, mit
Lifersüchtelei gegenüberstanden, die niemand etwas
nutzten, als vielleicht einem listigen Potentaten,
der daraus feinen vortheil zu ziehen wußte."

Längst hatte John Bull Marianne schon lieb,
wer wars, der stets auseinander sie trieb?

Der listige Potentat!

Und wenn John Bull Marianne betrog,
wer wars, der davon seinen vortheil zog?

Der listige Potentat!

wer hat Marianne, der trefflichen Maid,
Faschoda verschafft und sich riesig gefreut?

Der listige Potentat!
wer hat in Marokko der guten Mamsell
Zu früh verschachert das Löwenfell?

Der listige Potentat!

wer war daran schuld, daß der böse Dewet
Den Briten so zahlreiche Nasen gedreht?

Der listige Potentat!

wer hetzte die Japs auf die Russen mit Fleiß
Und grüßte die Lieger mit lauten Banzais?

Der listige Potentat!

Und wer freut sich wieder am meisten, wenn jetzt
Lin Bitten-Minister nur Unsinn schwätzt?

Der listige Potentat! A, Ue jsora

Honig Jflfons auf der Brautscbau

Frei nach dem Bettelstudenten

Gern knüpft' ich manche zarte Bande
Am wunderschönen Strand der Spree;

Doch fehlt's an Zeit mir hierzulande
vor lauter Frühstück und Diner.

Frühmorgens reit' ich zur Parade,

Dann wird serviert der erste Gang:

Dann folgt im Sturmschritt ohne Gnade
Empfang Besuch, Besuch, Lmpsang.

Dann toast' ich ans den Landesvater,

Dann wird ein Denkmal eingeweiht,

Und Abends muß ich ins Theater,

Und dann ist's endlich Schlafenszeit.

In Wien, da ist es ganz das Gleiche.

Das geht schon über unsre Kraft.

Schon Mittags bin ich eine Leiche
vor lauter Lieb' und Ga freundschaft.

Zwar sind si.> hier nicht evangelisch;

Das ist ein Trost in allem Leid;

Denn das beruhigt Linen seelisch,

Sofern man später wirklich freit.

Wie gern, ach! würd' ich heut schon minnen,
Doch fehlt's an Zeit. 'S ist ein Skandal.
Drum lebet wohl, Erzherzoginnen!
wer weiß? vielleicht ein ander Mal!

In München auch gibt's Fürstentöchter,

Die längst bekannt mir und verwandt,
wenn die ein König sieht, so möcht' er
Gar mancher reichen Herz und Hand.

Doch wieder stört der Diplomaten
Besuch den Zauber des Idylls,

Und ernsten Sinn's niuß ich berathen
Das Wohl der Welt mit podewiis.
wie schlürft ein Jüngling sonst beseligt
Bei bayrisch Bier sein bischen Glück!

Mir pfeift der Zug — und unvereh'licht
Fahr' ich ins Heimatland zurück.

Cri-Crl

Im Prozeß Bach stein machte der Angeklagte
geltend, „daß seine Aeußerungen gewissermaßen
als das Handwerkszeug eines Geistlichen aufzufassen
seien. Ter Fernstehende möge darin vielleicht etwas
Verletzendes sehen. Aber im Verkehr mit Anders-
gläubigen lassen harte Worte sich manchmal leider
nicht vermeiden." —

— Wenn man den Beruf des Geistlichen als
„Handwerk" auffaßt, muß allerdings die „Kon-
kurrenz" scharf behandelt werden. Wir aller-
dings dachten, es wäre schön, ivenn Brüder fried-
lich beieinander wohnen. — Nun ja, wir sind
ja auch nur Ketzer!
Register
Beda Hafen: Die Landtagswahlen in Baden
[nicht signierter Beitrag]: [ohne Überschriften]
A. De Nora: Der listige Potentat
Arpad Schmidhammer: Ein Heirathskandidat
Monogrammist Frosch: Zeitgemäße Mahnung
Arpad Schmidhammer: Revanche
Cri-Cri: König Alfons auf Brautschau
 
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