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Zur internationalen Tlottcndcmonstration

„Heda, was gibt's!" sprach Homer zu den

nieerdnrchfurchendcn Schisse»,
„Wurde schon wieder geraubt, wie Helena einstens,

ein Weibchen?"

„Nein!" entgegnete drauf der Ripp er,

der Führer der Flotten.

„Anderer Zweck führt »ns her zu dem göttlichen

Dulder, dem Sultan.

Nicht macht die Welt hcutzutag um ein Weib

eilt solches Geschrei mehr,
Nein, den Zins, die Coupons blieb er

schuldig, der türkische Gauner!"

Ultramonrane Gchual-Gstairzeln

Der österreichische Katholikentag protestierte gegen
die „Los von Rom"-Jdee und die freie Schule, welche
der Obmann als eine gottlose Schöpfung der Frei-
maurer bezetchnete. Falls das konfessionelle Schulgebet
Verbote» würde, stehe ein Schulkinderstrcik (!) bevor.

D' freie Schual' liegt den Schwarzen
Ganz sakrisch im Mag'»,

Dö können's so wen'g wia der Tuifl
's Weihwasser vertrag'» l
Sie sein halt no' allweil
Zm Mittelalter hint' —

Aufklärung und Bildung
35 für sie die größt' Sünd'l
Der kohlschwarzen G'sellschaft
wär's Liabste fürwahr,
wenn d' Schualkinder streik'« that'n
Glei' 's ganze Zahrl
Die Schual' niacht ja ohnedem
Die Kinder viel z' g'scheut —

Und a Römling hat von jeher
Nur an Dummen sei' Freud'!

Eine Leichenrede

Geliebte Brüder! Wir betrauern den
Hingang eines wcrthen Genossen, des ehr-
»nd tugendgeachteten Herrn Maximilian
Schippet aus Chemnitz, welcher heute aus
unserer Mitte geschieden ist. Er war ein
seltener und seltsamer Mann, der sich durch
große Geletzt jamkeil auszeichnete, aber auch
leider durch sie et» frühzeitiges Ende fand.
Wie alle Gelehrte zerstreut und kurzsichtig,
gerieth er nämlich eines Tages bei seinen
Studien vom rechten Wege ab und in
ein fast bürgerliches Fahrwasser, wo
er von seinen Freunden ausgesunden wurde,
als er gerade zu versinken drohte. Heftig
gerüttelt und angeschrieen, kam er z>var aus
Augenblicke wieder zum sozialdemokratischen
Bewußtsein, fühlte sich aber sehr an-
gegriffen und sprach häufig irre; behaup-
tete, daß man ihm keinen Scvutz zolle,
daß Bebel nicht Gott sei und ähnliches, was
auf eine tiefe Zerrüttung seiner Gesundheit
schließen ließ. In einer Heilanstalt zu
Bremen unterzogen ihn z>var bedeutende
Spezialisten einer radikalen Behand-

veutsck-tsckeck'lsckes ^rieclensmonument

Don 'Lasstan Kluibenschädcl, Tuilelemaler

Die vom mährischen Landtag beschlossene Wahlreform beruht auf der Trennung der Wähler
nach ihrer Rationalität. Deutsche Abgeordnete können in Zukunft nur deutsche, tschechische nur
tschechische Wähler vertreten. Zu diesem Zwecke werden alle Deutschen und alle Tschechen des ganzen
Landes deutschen oder tschechischen Wahlkreisen zugetheilt, in denen sie ausschließlich wahlberechtigt sind.

Zit einer Zeit, da jeder Tag nur Zank und Hader muß gebären,

Erscheint uns wie ein Wunderkind der nationale Friedensschluß in Mähren!
viel besser, als der Völker Kraft zermalmen durch das ewige Streiten,

Zst es, die beiden Lager ein für allemale reinlich auseinander scheiden!

Nun könnetr bei den Wahlen die beiden Nationen sich die Köpfe nicht mehr blutig schlagen —
vielleicht lernen sie dadurch, auch nach den Wahlen besser sich vertragen!
wir Zuschauer des europäischen Theaters kotlstatieren freudig bewegt,

Daß mit sothanem Kompromiß in Mähren ein echtes Ei des Lolumbus ward gelegt!
Nunmehro wär' es wohl nicht inehr als billig, heilsam und gerecht,
wenn Bestreich es zu einer ganzen Kiste solcher Eier brächt'I
(juocl specimen probatum
Sit mox a Deo datum!

lung, indem sie ihm von oben kalte Dvuchen ver-
abreichten, während ihm von unten scharf eingeheizt
ivurde. Aber seine zarte Natur konnte diese Me-
thode nicht ertragen, er besserte sich nur scheinbar,
kam aber immer weniger vorwärts und verfiel
schließlich in solche Schwäche, daß er sich in Chemnitz
nicht mehr auf den Beinen halten, ja nicht ein-
mal mehr seinen gewöhnlichen Sitz ein-
nehmen konnte. Da erlöste ihn endlich der HERR
von seinen Leiden und berief ihn ab aus diesen!
irdischen Jammerthal. Friede sei seiner Asche!

Raffeehaus-Lireralur

„Die Regierung legt es darauf au, uns zu
ruinieren: jetzt soll's Tigarettenx apier be-
steuert werden!"

In Rarlsruhe

wurde auf dem Stefansplatz ein städtischer Brunnen
errichtet, dessen Ansicht man untenstehend findet.
Sittliche Frauen und Jungfrauen — entrüstet bis
ins Zentrum! — erhoben beim Stadtrath Be-
schwerde mit einer Eingabe, die unter Anderem
folgende Sätze enthält:

„ES empört uns, das? der Brunen ans öffent-
lichem Marktplatze steht, einem Publikum gegenüber,
das größtentheils eine Kunstauffassung nicht kennt,
sondern nur die cynische Zusammenstellung der
Männerporträte mit der unbekleideten Frauengestalt
betrachtet und die Vorübergehenden mit gemeinen
Witze» belästigt."

„Wir dürfen wohl erwarten, daß der verehrliche
Stadtrath unserem Ehrgefühl bei Aufstellung monu-
mentaler Bauten jetzt und künftig gebührende Rück-
sicht entgegenbringt."

Die Beschwerde hatte aber keinen Erfolg:

Denn nach Ansicht des Stadtraths ist der
Stefan-Brunnen nicht geeignet, das Anstandsgefühl
zu verletzen, wenn man ihn mit anständtger Ge-
sinnung betrachtet.

fl f!

I

t\N

JllÜlilljj

Lin Hoch dem Magistrat, dem wackern!
So war es recht! Ls saß der Streich!
So soll's ergehen all den Rackern,

Dem Muckervolk im Deutschen Reich!

stsfverlcftt der ..Tugend"

Belgrad. Se. Kgl. Hoheit, der Kronprinz
Georg geruhte heute seinem Erzieher, anläßlich
dessen Abschied vom Hofe ein Parfümfläschchen
zu verleihen. Er brachte es eigenhändig an dessen
Kopf an, indem er es aus einer Entfernung von
mehreren Schritten dagegenwarf. Die Treffsicher-
heit des Kronprinzen ist aus den Zagdberichten
bekannt. Der Erzieher drückte seine!» Zögling
die Hand, erwischte jedoch in der Rührung Hoch-
dessen Wange. Es folgte eine Reihe herzlicher
Umarmungen, bei denen der Kronprinz den Kopf,
einige Stühle die Füße verloren. Der König hat
angeordnet, daß Audienzen beim Kronprinzen nur
noch unter Hinzuziehung des Hof-Wundarztes
stattfinden dürfen.

»

Gefährliche Worte

Was kostet eine Pickelhaube? 50 Mark, wenn
man dem Solinger Schöffengericht glauben darf.
Aber nicht, wenn man sie kaust und später tragen
kann. O nein, nur wenn man sie einmal in den
Mund nimmt und nichts weiter davon hat. Der
Natnrheilkundige Stöcker aus Reydl hat es ersahren.
Er hatte in einein Vortrag die unvorsichtige Aeußer-
uug gethan: „In unseren Versammlungen sind
Pickelhauben vertreten," und zivci Schutzleute stellten
Strafantrag und mit Erfolg.

Was lernen wir daraus? Daß in deutschen
Landen das opitbotou ornanz, das uns auf dem
Gymnasium mit so viel Mühe als besonders poetisch
eingetrichtert wurde, bei Strafe verboten ist. Man
hüte sich daher, in Festreden oder Leitartikeln von
Talar, Bäsfchen oder Kutten zu reden; sonst
hat man gleich die Herren Geistlichen auf dem Halse.
Man spreche am Biertisch nie von zweierleiTuch
und von einem Portepee; sonst könnte sich ein
Leutnant beleidigt fühlen. Und man laufe endlich
niemals einer Schürze nach; sonst könnte deren
Trägerin zum Staatsanwalt lause», und da

dieser jeden Unterrock schützt-Herr

Gott, jetzt Hab' ich mich selber in die Tinte
geritten, ich Federvieh! O weh! Jetzt muß
ich mich selber verklagen!

Hm Bosporus

(Frei nach Schiller)

Ls lächelt die See
Am goldenen Harne;

Der Sultan auch
Zu Luropa's Zorne.

Da hört er ein Stampfen
Wie Ruder schwer,

Da sieht ers dampfen
Durchs Marmarameer.

Und wie er noch denkt:

Was woll'n denn die Tattl?
Da haben die Mächte
Zhn schon beim Lravatt'l.
Gibst nach, Abdullerl?

So tönt es hohl,

Da spricht er seufzend:
Jawohl! Jawohl!...

A. l>e Nora
Index
Kassian Kluibenschädl: Deutsch-tschechisches Friedensmonument
[nicht signierter Beitrag]: Hofbericht der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Gefährliche Worte
[nicht signierter Beitrag]: In Karlsruhe
[nicht signierter Beitrag]: Kaffeehaus-Literatur
[nicht signierter Beitrag]: Eine Leichenrede
[nicht signierter Beitrag]: Ultramontane Schual-Gstanzeln
[nicht signierter Beitrag]: Zur internationalen Flottendemonstration
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "In Karlsruhe"
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Zur internationalen Flottendemonstration"
A. De Nora: Am Bosporus
 
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