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Nr. 50

JUGEND

1905

— dann bekommst du den Preis. Wirst du so
gut sein, es nicht zu thun? Nur vor diesem Hause
nicht. Darum bitte ich dich. Ich will es dir
immer danken."

voll Mitleid mit ihm, vergaß ich in diesem
Augenblick meine Hoffnungen und meine Freude.

Und ich versprach es.

Da fiel mir Peter um den hals und küßte
mich.

Ich lag noch lange wach und sann über das
Geschehene nach. Ich sah wohl ein, daß ich mein
versprechest leichtsinnig und unbedacht gegeben
hatte. Aber da es nun einmal geschehen war,
konnte ich es nicht ändern. Das Leid, auf mein
ersehntes Glück morgen verzichten zu muffen,
ging hart mit mir um. Ich weinte in jener
Nacht viel und fand erst dann Trost, als ich des
Dankes meines Freundes mich wieder erinnerte
und der Freudenthränen, die er geweint. Der
Gedanke an die Größe meines Bpfers stillte meine
eigenen Schmerzen und beinahe stolz, mit einem
seligen Gefühl, schlief ich ein.

Meine Mutter selbst weckte mich. Sie brachte
mir die Feiertagskleider an mein Bett und sagte
mir guten Morgen.

„Nun eil' dich, Hans, es ist schon sieben und
drüben beim Grafen sind sie gewiß schon auf."

Und da ich roth wurde, scherzte sie:

„Nun, ich kann mir's denken, wie du heute
deine Stimme nützen wirst. Ich weiß ja recht
gut, daß es dir bei der Tomteffe besonders daran
liegt. Sieh nur, daß du siegst. Dein Freund
Peter macht es dir heiß; eben ging er vorbei und
sang."

Ich erwiderte nichts, kleidete mich rasch an
und eilte die.Treppe hinunter. Im Flur unten
hörte ich den warmen Alt meines Freundes, der
auf mich wartend eine Stelle seines Liedes übte.
Ein jäher häßlicher Schmerz durchfuhr mich. Ich
hielt einen Augenblick inne, ehe ich die haus-
thllre öffnete. Peter strahlte vor Glück. Ich
nahm seine Hand zagend und scheu und gab seinen
Gruß nur flüchtig zurück. Dann gingen wir.
vom Kirchenwcg, der von Maria-Himmelfahrt
herabführt, kamen uns die übrigen Kameraden
entgegen. Sie grüßten herzlich und Rudolf, der
von meiner Schwärmerei zu Helene wußte, hielt
sich dicht an mich und sagte lachend:

„Der Hans wird sich auf des Grafeufrühstück
freuen." Und da ich nicht erwiderte, schlug er
mir auf die Schulter:

„Herr Gott, übrigens, wie du aussiehst. !vie
zur Schulmesse." Da fiel es allen auf, daß ich
sehr blaß und verstört war. Aber sie vergaßen
es wieder, und wir gingen.

Wenige Minuten später standen wir unter den
Grafeubuchen. Erst sangen meine Freunde einen
Thor, bei dem ich schwieg. Und da Rudolf mich
erstaunt in die Seite stieß, sagte ich nichts, son-
dern starrte nur zu den Fenstern hinauf in den
ersten Stock, die verhängt waren. Und als dann
zuerst Trust ein Lied sang, starrte ich immer noch
dahin, als wollte ich meinen Blick an etwas an-
klammern, daß ich nicht umfiele.

Erst als Peter anfing zu singen, sah ich wieder
auf diesen. Ich sah auf seinen Mund und doch
verstand ich kaum, was er fang. Ls klang sehr
warm und schön, wie das Singen einer tiefen
Geige, volltönend und laut. Aber lauter als
sein Lied schlug mein Herz; ungestüm und
schwer hämmerte es fort und fort. Wie be-
täubt , von einer dumpfen Kraft niedergehalten,
lauschte ich. Ts kam mir vor, als könnte ich
kein Wort sagen, geschweige denn singen und
müßte nur froh sein, daß mich mein versprechen
an Peter davon enthob. Tin Würgen saß mir
im Ralfe, das stärker ward und emporstieg. Ts
schnürte mir die Kehle zu, Thränen drängten in
meine Augen, daß ich nichts mehr sah. Aber ich
hörte Peters Lied, das wundersam klang. — —
Händeklatschen von den Fenstern über uns, rief

mich aus meiner Betäubung. Bravorufe erschollen,
die Stimme des Grafen, der Gräfin und da —
Himmel — alles das dringt so auf mich ein —
die Stimme helenens. — — —

Da löste sich in mir der Krampf. Weine Augen
wurden klar, meine Kehle mit einemmale frei.
Ich vergaß mein versprechen. — Mit einem
lauten starken Ton begann ich mein Lied, jubelnd,
voll Heller Frische. Ich sang so, wie ich noch nie
vorher gesungen; reiner, voller und klarer kamen
mir die Töne. Ls schien mir, als sänge ein
großes starkes Instrument in mir, das nicht mehr
meine Stimme war. Das klang Heller, wunder-
samer, — wie das Lied eines Sommertages, das
Lied einer Sommernacht, das Lied der Liebe selbst.
Ich fühlte, wie das Klingen durch das Buchenlaub
emporstieg, zu ihr hinan und sie umfing. Wie
es um ihre schlanke Gestalt sich legte, liebkosend,
wie ein Föhnhauch im Frühling. Wie es ihre
Lippen berührte und beseligend in ihr Herz drang.

Da brach ich ab. Lebhafter Beifall kam an
mein Ghr. Die Stimme des Grafen hörte ich,
die sagte: „Dem den Preis". Und mein Herz
drohte stille zu stehen, als eine junge Stimme
„Ja" sagte.

Willenlos, vor Bewegung bebend, folgte ich
den anderen die Treppe hinan. Dben empfing
man mich, gab mir die Hände, und der alte Graf
selbst führte mich zu seiner Tochter. Sie hielt
einen Kranz weißer Rosen in ihren Händen und
lächelte.

Und neigte sich leise mir zu.

wie im Traume, mit geschloffenen Augen,
küßte ich ihre Lippen.

Als ich aussah, begegnete ich dem Blicke Peters.

Tr stand totenblaß abseits, hatte die Zähne
in die Unterlippe verbissen, daß ein rother Streifen
Blutes herabranu. Seine Augen waren riesengroß,
wie erstarrt. Sie waren gerade auf mich gerichtet,
voll Paß, voll haß.

von jener Stunde an waren wir Feinde.

viele Jahre find seitdem vergangen, und ich
bin alt geworden, vor der Zeit alt und müd.
Das Sommersängerfest bestelst nicht mehr. Man
vergaß den schönen lieben Brauch, wie so vieles,
was einst unschuldig und froh war. — Meine
schöne Stimme habe ich vollkommen verloren.
Die Bekannten sagen, daß sie jetzt rauh und welk
klingt und vermögen es nur schwer zu glauben,
daß sie einst die hellste im Dorfe war.

Ts mag sein, daß sie jetzt niemanden mehr
erfreut. Aber ich habe auch niemanden mehr,
keinen einzigen Menschen, dem ich Vorsingen dürfte,
um dafür einen Augenblick selig zu sein.

Ein »Seit* der Feder

„haben Sie die letzte Wagneraufführung
besucht? —"

„Nein, aber ich habe eine Kritik darüber ge-
schrieben."

Aus der „pfcrrrcrkarhl"

„Etwas Gutes hat die Fleischnoth doch!" rief
hochwürden, eine Stütze des Tentrums. „Die
Leute fasten wieder lieber am Freitag I"

980

Neuer Volkslied

Die liebste Buhle, die ich Han,

Das ist die Somnambule.

Die steigt des Nachts aus ihrem Kahn
Und tanzt die hohe Schule.

Bei jedem Schnarcher zeigt sie gleich
Entrüstete Geberden,

Und säusl' ich noch so sanft und weich,
So macht ihr's doch Beschwerden.

Zuweilen pfeif' ich ihr was vor,

Dann ist sie ganz verhimmelt,

Doch quält es sehr ihr zartes Ohr,

Wenn es mal draußen bimmelt.

Spielt über uns ein Biedermann
Noch späte Geigentriller,

Und paukt ein Jüngling nebenan
Noch laut ein Lied von Schiller;

Bellt unser Mops sein Abendlied
Und mauzt die graue Katze,

Markiert sie jeden Unterschied
Mit einer schönen Fratze.

Sie ballt bei jeder Dissonanz
Die schmerzzerrung'nen Fäuste
Und reagiert in ihrem trance
Stets nur aufs Allerneuste.

Das geht nun so fast jede Nacht
Mit immer andern Nummern
So lange, bis sie auferwacht
Im ersten Morgenschummern.

Dann sitzt sie wohl noch halb im Thran
Vor mir auf einem Stuhle —

Die liebste Buhle, die ich Han,

Das ist die Somnambule!

Hermann Walther

Die Autoren

„Meine Stücke werden von den Theaterdirek-
toren gar nicht gelesen," jammerte Tiner, den
man nie aufführt.

„Trösten Sie. sich — meine auch nicht," sprach
der aitdere, den mail aufführt.

Wahres Geschichtche»,

Bekanntlich wird ein Bataillon in Rotten ein-
geteilt, der Unteroffizier hält darüber eine große
effektvolle Rede und erklärt alles aufs Genaueste.
Schließlich fragt er den biederen Polen przodewski:
„Also was sind Rotten?"

„Rrrotten sind grroße Mäuse."

Hus ütrol

Richter: „Also Ihr gebt die Vaterschaft für
dieses Kind zu?"

Mann: „woll!-jo — jo!"

Richter: „Na, und was wollt Ihr denn dann
bei Gericht?"

Mann: „Abschwöarn!"

Russische Spruch,vörcer

Ts dränge sich der Freitag nicht vor den
Donnerstag!

versprich nicht den Kranich am Himmel, gib
die Meise in die Hand!

Tine verscheuchte Krähe fürchtet den Strauch.

Die Mistküglein einer Ziege sind nicht Nüsse
Mäusedreck — kein Pfeffer.

(Deutsch von Theodor Fröberg)
Index
[nicht signierter Beitrag]: Russische Sprüchwörter
[nicht signierter Beitrag]: Aus Tirol
[nicht signierter Beitrag]: Die Autoren
[nicht signierter Beitrag]: Ein Held der Feder
Arpad Schmidhammer: Aus der "Pfarrerkathl"
Hermann Walther: Neues Volkslied
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
 
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