Hssessorismus in DeutsdvOstafrika Erich wilke
„Menn voir den »chvarzen Berten erst mal beijebracht Kaden, dass an die Behörde auf jebrockenem Bogen zu schreiben ist,
dann Kat eijentlick dieser Brieg seine moralische BeredNigung verloren."
?lus einer ^ertHeidlgmiIsrede*)
Drt der Verhandlung: Straubing. Lin Schwur-
gerichtssaal.
Auf der Anklagebank: Der ehrcngeachtete Vieh-
händlerssohn Josef Sauberger von Hintergaching,
wegen Meineids.
Am Sachverständigentisch: Der Hochwürdige Herr
Stadtpfarrcr und Landtagsabgeordnete Chrhsostomus
Wagner, allda.
Am vertheidigenisch: Der Herr Dr. Rausbeistus
Frommhuber, von ebenda, welcher soeben die Vorge-
schichte recapituliert hat. Nämlich, am Amtsgerichte
Hinlergaching hat der ehrengeachtete Saubergerseppl
seinerzeit eidlich beschworen, daß er mit der ihn als
Kindsvater bezeichnet habenden ehr- und tugcndsamen
Jungfrau Theresia Stupferl, von dort, keinen Ver-
kehr gepflogen habe; nunmehr ist aber durch etn-
*) Bei einer Debatte über die Häufigkeit des
Meineids saglekder Centrumsabg. Pfarrer Wagner im
bahr. Landtag: ..Die Ursache liegt in der unelngcschräntten
Lehr- und Preßfreiheit. Die sogenannte wissenschaftliche
Forschung ist zu dem Resultat gekommen: es gibt keinen
Gott, nnd die Preßfreiheit sorgt dafür, daß diese Ideen
ins Volk getragen werden; die Gottgläubigen werden in
Witz- und anderen Blättern wegen ihres Glaubens ver-
höhnt. Wenn sich die oberen Zehntausend herausnehmen,
die Existenz Gottes zu leugnen, dann ist es ganz natürlich,
daß die unteren Regionen die.llonsequemen daraus ziehen
und Meineide leisten". (Zuruf bet den Sozialdemokraten:
Eentrumsanhänger leisten auch Meineide l>
wandfreie Zeugen bewiesen, es sei dies doch der Fall ge-
wesen. Der Herr Doktor gibt diese Thatsache auch zu,
„-aber", fährt er fort, „davon ist gar keine
Rede, meine Herrn Geschworenen, daß mein Klient
diesen Meineid in selbstverschuldeter Weise begangen
hat. Der Hochwürdige Herr Sachverständige hat
Ihnen vielmehr deutlich klar gemacht, daß die Ursache
hiefür in der uneingeschränkten Lehr- und Preßfreiheit
zu suchen ist. Meine Herrn, der vorliegende Fall ist
für diese vortrefflichen Ausführungen des Hochwürdigcn
Herrn Sachverständigen geradezu eine Illustration. Es
ist nämlich erwiesen, daß der am Amtsgerichte Hinter-
gaching Vorsitzende Amtsrichter vor der seinerzcitigen
Verhandlung nicht nur dem Hochwürdigen Herrn
Pfarrer Wamperl dortselbst 4 Mark 50 Pfennig im
Tarock, noch dazu größtentheils durch einen Rothsolo-
matsch abgewonnen hatte, sondern daß er sogar in
das als ungläubig hinreichend bekannte Witzblatt
„Jugend" dreimal hintereinander „Pfarrerkathl-Witze"
etngesandt und dafür das Sündengeld von 24 Mark
empfangen hatte!
Meine Herrn! Und dieser Mann, der also offen
seine Mißachtung vor göttlichen Institutionen bekundet
hatte, nahm meinem Klienten den Eid ab und rief
Gott zum Rächer des Meineides an. Wer da nicht
falsch schwört, der muß schon alles christlichen Ge-
fühles baar sein. In der That hat auch mein Klient
mir erklärt: ,Da bin i dar wini wor'n und ho' mir's
denkt, hiazt werd g'schwurn und wann olls hin is!'
Allein — ich werfe nicht alle Schuld auf jenen
Richter. Nein! denn es ist ferner erwiesen und sein
Vorleben bezeugt es uns, daß er seinerzeit als Stu-
dent bei dem bekannten Gottesleugner Häckel in Jena
ein Colleg gehört hat und hier in München sogar bei
dem bekannten Tillyleugner Prof. Du Moulin zu
Tisch geladen war. Wer wollte nun »och bezweifeln,
daß das Gift des Meineides auf diesen Kanälen in
die Seele meines Klienten gelangt ist? Wer würde
nicht mit Staunen erkennen, daß der Angeklagte, sogar
ohne es zu wissen, diesem Bergiftungsprozeß erlegen ist,
was er selbst mit den Worten ausdrückte, „er sei dar-
winnig— also gottverlassen, atheistisch — geworden!!
Meine Herrn Geschwornen! Ich glaube daher
nicht fehlzugchen, wenn ich Sie bitte, diesen armen,
verführten unschuldigen Landbewohner, welcher nach
dem Zeugnisse seiner Katecheten ein treuer Sohn seiner
Kirche ist, frei zu sprechen von Schuld und Sühne.
Dagegen beantrage ich, den kgl. Amtsrichter Bemserl
in Hinlergaching, sowie die Professoren Ernst Häckel
üi Jena und Richard Graf Du Monltn-Ekart in
München wegen Verleitung zum Meineid nach 8 159
d. RStGB. zu 6 Jahren Zuchthaus und Tragung
sämmtlicher Kosten des Verfahrens, den ersteren auch
zur Rückerstattung von Summa 28 Mk. 50 Pf. an
die geschädigte Ktrchenverwaltung Hintergaching, und
zur Beröffentlichnng des Nrtheils in der „A. Post«
zeitung", dem „Bahr. Kurier" und „Wendelftoa" zu
verurtheilen." a. I» IS.
TOI
„Menn voir den »chvarzen Berten erst mal beijebracht Kaden, dass an die Behörde auf jebrockenem Bogen zu schreiben ist,
dann Kat eijentlick dieser Brieg seine moralische BeredNigung verloren."
?lus einer ^ertHeidlgmiIsrede*)
Drt der Verhandlung: Straubing. Lin Schwur-
gerichtssaal.
Auf der Anklagebank: Der ehrcngeachtete Vieh-
händlerssohn Josef Sauberger von Hintergaching,
wegen Meineids.
Am Sachverständigentisch: Der Hochwürdige Herr
Stadtpfarrcr und Landtagsabgeordnete Chrhsostomus
Wagner, allda.
Am vertheidigenisch: Der Herr Dr. Rausbeistus
Frommhuber, von ebenda, welcher soeben die Vorge-
schichte recapituliert hat. Nämlich, am Amtsgerichte
Hinlergaching hat der ehrengeachtete Saubergerseppl
seinerzeit eidlich beschworen, daß er mit der ihn als
Kindsvater bezeichnet habenden ehr- und tugcndsamen
Jungfrau Theresia Stupferl, von dort, keinen Ver-
kehr gepflogen habe; nunmehr ist aber durch etn-
*) Bei einer Debatte über die Häufigkeit des
Meineids saglekder Centrumsabg. Pfarrer Wagner im
bahr. Landtag: ..Die Ursache liegt in der unelngcschräntten
Lehr- und Preßfreiheit. Die sogenannte wissenschaftliche
Forschung ist zu dem Resultat gekommen: es gibt keinen
Gott, nnd die Preßfreiheit sorgt dafür, daß diese Ideen
ins Volk getragen werden; die Gottgläubigen werden in
Witz- und anderen Blättern wegen ihres Glaubens ver-
höhnt. Wenn sich die oberen Zehntausend herausnehmen,
die Existenz Gottes zu leugnen, dann ist es ganz natürlich,
daß die unteren Regionen die.llonsequemen daraus ziehen
und Meineide leisten". (Zuruf bet den Sozialdemokraten:
Eentrumsanhänger leisten auch Meineide l>
wandfreie Zeugen bewiesen, es sei dies doch der Fall ge-
wesen. Der Herr Doktor gibt diese Thatsache auch zu,
„-aber", fährt er fort, „davon ist gar keine
Rede, meine Herrn Geschworenen, daß mein Klient
diesen Meineid in selbstverschuldeter Weise begangen
hat. Der Hochwürdige Herr Sachverständige hat
Ihnen vielmehr deutlich klar gemacht, daß die Ursache
hiefür in der uneingeschränkten Lehr- und Preßfreiheit
zu suchen ist. Meine Herrn, der vorliegende Fall ist
für diese vortrefflichen Ausführungen des Hochwürdigcn
Herrn Sachverständigen geradezu eine Illustration. Es
ist nämlich erwiesen, daß der am Amtsgerichte Hinter-
gaching Vorsitzende Amtsrichter vor der seinerzcitigen
Verhandlung nicht nur dem Hochwürdigen Herrn
Pfarrer Wamperl dortselbst 4 Mark 50 Pfennig im
Tarock, noch dazu größtentheils durch einen Rothsolo-
matsch abgewonnen hatte, sondern daß er sogar in
das als ungläubig hinreichend bekannte Witzblatt
„Jugend" dreimal hintereinander „Pfarrerkathl-Witze"
etngesandt und dafür das Sündengeld von 24 Mark
empfangen hatte!
Meine Herrn! Und dieser Mann, der also offen
seine Mißachtung vor göttlichen Institutionen bekundet
hatte, nahm meinem Klienten den Eid ab und rief
Gott zum Rächer des Meineides an. Wer da nicht
falsch schwört, der muß schon alles christlichen Ge-
fühles baar sein. In der That hat auch mein Klient
mir erklärt: ,Da bin i dar wini wor'n und ho' mir's
denkt, hiazt werd g'schwurn und wann olls hin is!'
Allein — ich werfe nicht alle Schuld auf jenen
Richter. Nein! denn es ist ferner erwiesen und sein
Vorleben bezeugt es uns, daß er seinerzeit als Stu-
dent bei dem bekannten Gottesleugner Häckel in Jena
ein Colleg gehört hat und hier in München sogar bei
dem bekannten Tillyleugner Prof. Du Moulin zu
Tisch geladen war. Wer wollte nun »och bezweifeln,
daß das Gift des Meineides auf diesen Kanälen in
die Seele meines Klienten gelangt ist? Wer würde
nicht mit Staunen erkennen, daß der Angeklagte, sogar
ohne es zu wissen, diesem Bergiftungsprozeß erlegen ist,
was er selbst mit den Worten ausdrückte, „er sei dar-
winnig— also gottverlassen, atheistisch — geworden!!
Meine Herrn Geschwornen! Ich glaube daher
nicht fehlzugchen, wenn ich Sie bitte, diesen armen,
verführten unschuldigen Landbewohner, welcher nach
dem Zeugnisse seiner Katecheten ein treuer Sohn seiner
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TOI
Karlchen: Aus dem Tagebuch eines Premièren-Tigers
Helene Raff: Michels Weihnachtslied
[nicht signierter Beitrag]: Solidarität des Proletariats
Frido: August der Starke
[nicht signierter Beitrag]: Die neue Felduniform
[nicht signierter Beitrag]: Der sächsische Gemeinrath
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Text "Der neue Plutarch"
Hanns (Hans): Lackschuh oder Wasserstiefel?
Karlchen: Die 6 Vorwärts-Redakteure
Redaktioneller Beitrag: Zu Stöckers 70tem Geburtstag
Cri-Cri: König Lear im Vatican
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
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