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lVrif>m;d)refpii£

Einen Amor, nackt, ans Stein tzenieißelt,
Pfeil und Köcher tragend und geflügelt,
Kauft' ich auf dein Weihnachtsmarkte drunten
Als Geschenk für meiner PZirthin Büschen.
Wie ich nachmittags nun in ihr Zimmer
Trete, so zur Zeit der Dämmerstunde,

Ist die Alte glücklich fort von Hause
Bei dem Bäcker nach den Weihnachtswecken!
Ganz allein am Nähtisch Seide stickend,
Sitzt das liebe Kind im nettsten Schürzchen,
Vlvndgczopft, ein rechter art'ger, goldncr
Wcihnachtsengel, — nur die Flügel fehlen.
Zieh' ich gleich das Bildchen aus der Tasche,
Sprech' ich: „Viel zu dunkel ists zum Sticken,
Viel zu schad auch um die schönen Augen,
Doch an diesem weißen Weihnachtsmännchcu,
DaS ich bei der Hexe drunten kaufte,
Werden sic sich, denk ich. blind nicht sehen."
Glührot!) nahm sic es und stellt' cs hastig
Zwischen sich und mich hin ans das Tischchen,
Gleich als obs die kleinen Finger brennte,
Gleich als fürchte sie Frau Holdes Zauber,
Der so kräftig waltet in den Zwölften.
Schweigend saßen wir uns Aug' in Auge
Gegenüber, während still der Weihnacht
Heimlich Dämmrungswunder, tanncndnftig,
Vom Kamin her durch das kleine Stübchen
Schlich zum Fenster. . .

Sieh! da fing auf einmal
Sich das weiße Bildchen an zu regen!

Erst die Beinchen rührt' es und die Hände,
Rührte drauf die Flügel und das Köpfchen,
Und zuletzt gar fing es an zu wachsen
Leiseschwellend, dehnt' sich weit und weiter,
Bübisch blinzt' es mit den schlauen Augen
Durch das Zwielicht, halb ei» kleiner Teufel,
Halb ein engelfrommes WcihnachtSpultcheu.
Und nun faßt' cs rasch uns in die Locken
Mit Gewalt und beugt' uns vorncn über,
Engvcrkettcnd schmiegt' es unsre Hände
Ineinander, fügte Mund auf Mündchen,

Daß es fliegend durch die Glieder zuckte,
Spannte straff um uus als Joch den Bogen,
Mächtig, mächtig, drückt' es uns zusammen.

Schöner Weihnachtsspuk! Dank Dir,

Frau Holde!

Aus dem kalten Heidengötzenbildchen
Ist auf einmal ein lcbeud'ger warmer
Weihuachtsnianu aus Fleisch und Bein

geworden

Fritz Crclner

Die l^achsuche

^m Abeudsouneugold noch buntleuchtende ?pät-
Herbstpracht, so weit das Auge schweifte, und
am Morgen alle Berge begraben unter glitzerndem
Neuschnee, die ganze Welt klar und still, stecken-
los weiß bis in die fernste Ferne; ein herbschönes
Meisterwerk, noch feierlicher und ergreifender vicl-
lcicht als gestern die fchwermüthige Symphonie
in Roth.

„Wolthern viel Schnee hats gmacht!" meinte
Kimmerlinger, mein Jäger, der draußen Umschau
gehalten, während er stampfend in die Schutzhütte
zurückkam. „Des taugt uus grad für die Gams,
und ’tt Stoff! weards erfcht recht taug» . .
moa» i . .."

„IHtr_ fati zwar net gar guat anfanand z'
fprechn, i und der Stofff," fuhr er, mit seinem
dampfenden Kaffee beschäftigt, bedächtig fort, „er
is koa Kamerad »et. wiear er fei' sollt. .. aber Recht
muaß do Recht bleibn; daß er den Risscr-Zaunes
derfchoffn hat, den Malefizlumpeii, des is a guats
Werk gwe». I hätts grad a so gmacht, wann i
z'faiumtroffn waar mit denselln . .'. Der Kerl is
zu »ns aa allwei rüberganga und grad nieder-
knallt, ivas eahm is unterkeninia. Aber no, neuli
Han, f' eahm halt 's Zandwerk glegt...

vorgestert in der Fr»ah is's gwen; er hat
grad auf a Gams abigfchoffn ins Fernkar da
ruft 'hu der Stoff 1 au, der wo eahm zuagfchangt
hat ghabt. No und da fahrt der Lodcr auf mit
der Buchs, aber der Stoff! is halt der schneller'
gwen: abiaschmissu hats den Zaluuk», über d'
feucht Wand abi, weißt D', so au etliche hundert
Meter.

Da liegt er guat druntn, der Lump! und unter
'n Schnee iatz find't 'hu so leicht koaner! Is koa
Schad aa net um so oan!!"

„Woher weißt D' denn des Alls so genau,
Kimmerlinger?" fragte ich überrascht.

,,D' Naudl vo der Zirschalm hat mer die ganz
Gschicht verzählt; die hat a Katz hoamgholt, die
wo s' vergessn Ham ghabt bei ’n Abtrieb, und is
grad dazukcmma . . . aber . . . was is denn iatz
dös für sauer?!" unterbrach er sich und schaute
durch das niedrige Züttenfeufter auf einen weiß-
haarigen Mann, der mühsam durch den knietiefe»
Schnee herauwatete. „Ich glaub glci gar, des is
der alt Riffcr selber, der Vater vo denselln Za-
luuku ... is fcho a so, was will denn iatz der
da bei uns?!"

Inzwischen war der Alte herbeigekommeu,
stampfte de» Schnee von den Schuhen und klopfte
bescheiden an »nsere Thür.

„Grüaß Gott beiuand! Da geht; wolthern
hart rauf bei den Schnee!" seufzte er tief Athem
holend und ließ sich schwerfällig auf die Bfeu-
bauk nieder.. .

„Grüß Gott aa! Wiea kimnist den» Du da-
zu«, bis da rauf z' steig» bei so au Weder?" be-
gann Kimmerlinger.

„Ja no, vo weg» mein Buam halt!" ant-
wortete der Bauer trüb, „sie Ham do mein' Buam
derscbossu ... da herobu I

„Du, nimm Di fei in Acht, Risser!" unter-
brach Kimmerlinger drohend, „da herobu is koaner
net derfchoffn warn, daß D' es nur weißt!!"

„I lag ja aa gar uet bei Dir, gwiß net!" be-
theuerte der Alte eingeschüchtert, „i sag ja grad
da wo umanand. Iatz bin i gestert erseht amal
auf d' Zirschalm anffi zu ’» Stoffl, aber der Stoff 1
is net dahoam gwen; iatz hau i mer denkt, steigst
halt heut da anffi, kunnt der 'leicht do der Kim-
mcrliuger au Auskunft gebu, der steht so wie so
net alls z' guat mit 'n Stoffl, weiß 'leicht der was
vo mein' Buam! hau i denkt."

„I weiß gar nie, als wiea daß Dei Bua feiner
Lebtag a Lump is gwen an eiskalter! Dem wo's
uet drauf z'sammganga waar, oau stumm z'
maclin!" knurrte Kimmerlinger.

Der Alte schwieg einen Augenblick, dann seufzte
er mit weinerlicher Stimme: „I weiß 's wohl,
daß er koa grechter net gwen is, der Zaunes!
I pabs eahm aa allwei gfagt, es nimmt koa
Register
Elisabeth v. Heyking geb. v. Flemming: [ohne Überschrift]
Fritz Erdner: Weihnachtsspuk
Arthur Schubart: Die Nachsuche
Ferdinand Steiniger: Zierleiste
 
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