Nr. 52
JUGEND
1905
Auf Urlaub
von Rar! Errlingcr
Ich mochte etwa 300 Jahre gestorben sein
>md war bereits in die letzte Klasse dcS FegfenerS
avanciert, als plötzlich ein Teufel an meinen Kessel
stürzte mit den Worten: „Sie müssen aug-riblick-
lich 'runter nuf die Erde! Ziehe» Sie sich sofort
an! Vorwärts marsch! Ihr llrurenkel hält eben
eine spiritistische Sitzung ab und citiert Ihren
werthen Geist!"
„Hol' der Teufel meinen Urenkel!" knurrte ich.
„Wo ich den ewigen Temperatnrwechsel so schlecht
vertragen kann!"
„Wert? ihn schon holen!" grinste der Teufel,
ritz mir meine Badehose vom Leib und brachte
mir »eire Wäsche, schwarze Hose und Frack. Ich
stieg ans die Erde hinauf.
Berlin hatte sich inzwischen sehr verändert.
Die niedrigen vierstöckigen Häuser hatten präch-
tigen Wolkenkratzern Platz gemacht. Tie Menschen
sauste» auf elektrischen Schnellschuhen durch die
Straßen, so daß ich mir ivie eine Bizinalbahu-
lokomotive vorkam. An den Ecken hielten Schutz-
leute, nicht mehr beritten, sondern in schwnrz-
weißrothen Automobilen. Einen von ihnen frug
ich nach der Adresse meines Urenkels. Er holte
aus dem Verschlag des Automobils den Baud
Kf — Ew des Berliner Adreßbuches vor, blätterte
eine Zeitlang darin herum, und verkündete mir
dann: „hinter deni Bülowdeukmal 73."
„Jst's weit bis dahin zu gehen?"
„O nein! Knappe drei bis vier Stunden!
Immer gerade aus!"
Ich schreibe diese Worte in hochdeutsch, nicht
in dem fast unverständlichen Jargon, den der
Schutzmann sprach. Denn seit meinem Tode hatte
sich die deutsche Sprache so sehr um Fremdwörter
vermehrt, daß fast nichts mehr von ihr übrig
geblieben war. In traurige Betrachtungen über
diese Erscheinung versunken, lvanderte ich dem
Bülowdenkmal zu. Unterwegs erlebte ich eine
kleine erstaunliche Episode. Vor einer angeschla-
genen Depesche drängten sich die Menschen. Ich
, blieb stehen, stellte mich auf die Fußspitzen und las:
Vom Kriegsschauplatz.
Vor zehn Minuten kam es bei Peking zu einer
heftigen Schlacht. Die Chinesen verloren 6
Millionen Mann, die Deutschen nur 400,000
Mann. Der Friede steht unmittelbar bevor.
Meine Haare sträubten sich. Viermalhundert-
lausend Alaun! Entsetzlich! „Wieviele Wittwcn
und Waisen hat diese Schlacht ivieder geschaffenI"
bemerkte ich zu einen! neben mir stehenden Herr».
Der Herr sah niich erstaunt an, dann stimmte
er ein fürchterliches Gelachter an und schnellschuhte
hinweg. Verdutzt ging ich weiter.
Als ich bei meinem Urenkel eintrat, dachte ich,
er werde vor Erstaunen über meine Ankunft platt
auf den Rücken fallen. Dem war aber durchaus
nicht so. Er wandte sich vielmehr zu seiner Frau
— einer Blondine, soviel ich in der spiritistischen
Dunkelheit sehen konnte — und sagte ruhig:
„Siehst Du, liebe LcbenSgeuossin, ich wußte ja,
daß er konimt!"
„Er sicht recht angegriffen aus!" antwortete
die Frau.
„Wie alle Ahnen, liebe Lebensgenossin!" be-
ruhigte er sie.
Mir kam die Redeweise meines Nachkommen
recht affektiert vor und ich konnte mir deshalb
vie Bosheit nicht verkneiken: „Weshalb sagst Tn
denn immer „LebenSgenvssin"! Sage doch „Frau"
wie jeder vernünftige Alenich!"
Da kam ich aber schön an! Empört erhob
sich die Blondine: „Wie lönnen Sic mich mit
dem Titel „Frau" beleidigen? Ich bin eine an-
ständige Dame und lebe mit meinen! lieben Lebens-
genossen im Konkubinat! Ich würde mich schä-
men, eine „Frau" zu sein! Schon wegen unserer
Kinder, die dadurch des Rechtes der staatlichen
Erziehung verlustig gingen!"
„Verzeihen Sie!" stotterte ich „ich wußte nicht,
daß in der Gesetzgebung und Ethik seil meinem
Tode^solche Umwälzungen stattgefunden haben!"
„Schon gut!" winkte mein Urenkel ab. „Jeden-
falls nimm Dich etwas mehr zusammen, sonst
lasse ich Dich verschwinden! — Was gibt's denn
Neues?"
„Neues?" sagte ich; „vor zehn Minuten hat
in Peking eine Schlacht stattgefunden."
„Wieviel Tote hat's denn gegeben?"
„Vierinalhunderttausend aus deutscher ©eitcj
Wieviele Wittwen und Waisen gibt das wieder!"
Statt mir traurig beizustimmen, brach das
edle „Lebensgenossenpaar" in schallende Heiterkeit
ans. Diese Gefühlsroheit empörte mich denn doch.
„Schämt Ihr euch nicht?" legte ich los. „Ihr
könnt lachen, wenn Viermalhunderttausend Brüder
für Euch verblutet sind? Wahrhaftig, mir scheint,
nicht nur die Technik hat seit meinem Tode Riesen-
fortschritte gemacht, sondern auch die Roheit und
Gewissenlosigkeit! Pfui über solche Rachkoinmenl
Pfui, Spinne!"
„Brüder! Gottvoll! Brüder!" krähte mein Ur-
urenkel, sich biegend vor Lachen. „Brüder, teure
Lebensgenossin!!"
Dein Ururgroßpapa ist einzig!" bekräftigte diese,
und wischte sich die Lachthränen aus den Augen.
„Natürlich Brüder!" entrüsteteich mich, „oder
sind es vielleicht Dromedare?" Mein Epigone
hielt sich die Lenden. Seine Lebensgenossin stram-
pclte mit den Beinen vor Vergnügen.
Endlich beruhigten sie sich wieder.
„Alter Junge," sagte mein Ururenkel, „sei nicht
böse über unsere Heiterkeit, aber uns moderne
Menschen berührt wirklich deine vorfinthflntliche
Anschauung unwiderstehlich koniisch. Tu mußt
nämlich wissen: es sind gar keine Menschen bei
Peking gefallen, sondern nur — natürlich —
Dampssoldaten."
„Dampssoldaten?"
„Freilich I das kommt Dir vielleicht sonderbar
vor, ist aber ganz vernünftig. Du wirst mir
glauben, lieber Urahn, daß die Technik der Kriegs-
maschinen seit Deinem Tode ungeheuere Fort-
schritte gemacht hat. Ein Druck aus den Knopf
der drahtlosen Elektrisierkanone genügt, um eine
II. Slubeimutch
Die neue (Uniform der Diener deo bayrischen
Landtags
Armee von zehn Millionen Menschen tot umsinken
zu lassen! Innerhalb einer halben Stunde kann
jedes Meer durch den magnetischen Wasserver-
dunster ansgetrocknet sein!"
„Furchtbarl" stöhnte ich.
„Gewiß wäre das furchtbar, wenn wir noch
Menschen in den Krieg schickten, wie Ihr Bar-
baren es ehemals thatet. Das geschieht aber
Gottlob nicht mehr."
„Ja, was schickt Ihr denn in den Krieg?"
„Ich habe es Dir bereits gesagt: Dampf-
soldaten. Jedes Land letzt seinen besondere»
Ehrgeiz darein, möglichst viele Dampfsoldaten aus-
znrüsten. Es sind das eiserne, durch Dampf-
kraft bewegliche Figuren. Tausend Kilometer
hinter der Front lenken die Kriegsingenienre
die Schlacht.
Eine Rakete gibt das Zeichen: nun geht's
los! Die elektrischen Ströme lassen die Erde er-
zittern, furchtbare Minen sprengen mit eine m
Krache Qnadratmeilen des Erdbodens in die Luft,
der Himmel gleicht einer einzigen Riesenflamme,
die feurige Wolkenbrüche über das Schlachtfeld
niedergehen läßt. Festnngsgräben, Wälle, Alaucrn,
lenkbare Luftschiffe, kugelsichere Panzer — das
alles gibt es nicht mehr, denn es ist zwecklos.
Zu Tausenden fallen die Dampssoldaten, aus-
einandergesprengt durch Explosivsäuren, von denen
ein Tropfen genügte, ein dreißigstöckiges Haus
hinwegzufegen, oder zerschmolzen durch die furcht-
bare Hitze. Es ivird geläiupft bis zur vollstän-
digen Vernichtung der einen Armee. Hat die eine
Partei keine Dampssoldaten mehr, so muß die
Schlacht eo ipso aufhören."
„Ja aber —"
„Garnichts .aber'! Ihr ließet Menschen er-
schießen, wir Dampfsoldaten. Im Grunde ge-
nommen kommt es auf Eines heraus, nur sind
wir humaner."
„Aber fügt sich denn die unterliegende Partei
so einfach dem Sieger? Greifen sie nicht selbst
zu den Waffen, um sich ihrer Haut als Männer
zu wehren?"
„Ausgeschlossen! Die Erde ist doch ein civili-
sierter Planet. Soll Handel und Industrie, Acker-
bau und Viehzucht stocken? — Unmöglich! Wir
gehen unserer Beschäftigung nach und lassen un-
sere Danipisoldaten sich gegenseitig totschlagen.
Es hätte ja auch gar keinen Sinn, wollten sich
Alenschen am Kriege betheiligen. Unsere Ma-
schinen sind zu furchtbar: in einer Viertelstunde
wäre das ganze Menschengeschlecht nusgerottet."
Ich faßte mich an den Kopf: „Junge, kohlst
Tu auch nicht?"
„Aber Ururgroßpapa! Ehrenwort "
„Unglaublich! Unglaublich!"
In diesem Augenblicke trat der Dienstjüngling
— Tieustinädchen gab es nicht mehr — herein
und brachte die Zeitung. Das Helle Tageslicht
flnihete vom Vorplatz in's Zimmer und zerriß
jäh das spiritistische Dunkel. Ich fühlte, wie ich
unsichtbar wurde, mich in nichts auflöste und ver-
schwand. Das Bewußtsein verließ mich.
Als ich wieder zu mir kam, saß ich wieder in
der letzten Klasse des Fegfcuers.
Puppenspiel
(Zur Zeichnung von Walther Püttner)
Seit wie vielen tausend Fahren
Spielen sie nun dieses Stück,
Dessen Held nach viel Gefahren
Kommt zu märchenhaftem Glück?!
Lrst ergeht's ihm miserabel,
Dann gewinnt er Ruhm und (Maid —
Schon seit Theseus gilt die Zabel
Und es wechselt nur ihr Kleid.
Und sie füllt das Haus noch immer
Bis zum allerletzten platz —
Jedes kleine Frauenzimmer
Denkt an sich und ihren Schatz.
JUGEND
1905
Auf Urlaub
von Rar! Errlingcr
Ich mochte etwa 300 Jahre gestorben sein
>md war bereits in die letzte Klasse dcS FegfenerS
avanciert, als plötzlich ein Teufel an meinen Kessel
stürzte mit den Worten: „Sie müssen aug-riblick-
lich 'runter nuf die Erde! Ziehe» Sie sich sofort
an! Vorwärts marsch! Ihr llrurenkel hält eben
eine spiritistische Sitzung ab und citiert Ihren
werthen Geist!"
„Hol' der Teufel meinen Urenkel!" knurrte ich.
„Wo ich den ewigen Temperatnrwechsel so schlecht
vertragen kann!"
„Wert? ihn schon holen!" grinste der Teufel,
ritz mir meine Badehose vom Leib und brachte
mir »eire Wäsche, schwarze Hose und Frack. Ich
stieg ans die Erde hinauf.
Berlin hatte sich inzwischen sehr verändert.
Die niedrigen vierstöckigen Häuser hatten präch-
tigen Wolkenkratzern Platz gemacht. Tie Menschen
sauste» auf elektrischen Schnellschuhen durch die
Straßen, so daß ich mir ivie eine Bizinalbahu-
lokomotive vorkam. An den Ecken hielten Schutz-
leute, nicht mehr beritten, sondern in schwnrz-
weißrothen Automobilen. Einen von ihnen frug
ich nach der Adresse meines Urenkels. Er holte
aus dem Verschlag des Automobils den Baud
Kf — Ew des Berliner Adreßbuches vor, blätterte
eine Zeitlang darin herum, und verkündete mir
dann: „hinter deni Bülowdeukmal 73."
„Jst's weit bis dahin zu gehen?"
„O nein! Knappe drei bis vier Stunden!
Immer gerade aus!"
Ich schreibe diese Worte in hochdeutsch, nicht
in dem fast unverständlichen Jargon, den der
Schutzmann sprach. Denn seit meinem Tode hatte
sich die deutsche Sprache so sehr um Fremdwörter
vermehrt, daß fast nichts mehr von ihr übrig
geblieben war. In traurige Betrachtungen über
diese Erscheinung versunken, lvanderte ich dem
Bülowdenkmal zu. Unterwegs erlebte ich eine
kleine erstaunliche Episode. Vor einer angeschla-
genen Depesche drängten sich die Menschen. Ich
, blieb stehen, stellte mich auf die Fußspitzen und las:
Vom Kriegsschauplatz.
Vor zehn Minuten kam es bei Peking zu einer
heftigen Schlacht. Die Chinesen verloren 6
Millionen Mann, die Deutschen nur 400,000
Mann. Der Friede steht unmittelbar bevor.
Meine Haare sträubten sich. Viermalhundert-
lausend Alaun! Entsetzlich! „Wieviele Wittwcn
und Waisen hat diese Schlacht ivieder geschaffenI"
bemerkte ich zu einen! neben mir stehenden Herr».
Der Herr sah niich erstaunt an, dann stimmte
er ein fürchterliches Gelachter an und schnellschuhte
hinweg. Verdutzt ging ich weiter.
Als ich bei meinem Urenkel eintrat, dachte ich,
er werde vor Erstaunen über meine Ankunft platt
auf den Rücken fallen. Dem war aber durchaus
nicht so. Er wandte sich vielmehr zu seiner Frau
— einer Blondine, soviel ich in der spiritistischen
Dunkelheit sehen konnte — und sagte ruhig:
„Siehst Du, liebe LcbenSgeuossin, ich wußte ja,
daß er konimt!"
„Er sicht recht angegriffen aus!" antwortete
die Frau.
„Wie alle Ahnen, liebe Lebensgenossin!" be-
ruhigte er sie.
Mir kam die Redeweise meines Nachkommen
recht affektiert vor und ich konnte mir deshalb
vie Bosheit nicht verkneiken: „Weshalb sagst Tn
denn immer „LebenSgenvssin"! Sage doch „Frau"
wie jeder vernünftige Alenich!"
Da kam ich aber schön an! Empört erhob
sich die Blondine: „Wie lönnen Sic mich mit
dem Titel „Frau" beleidigen? Ich bin eine an-
ständige Dame und lebe mit meinen! lieben Lebens-
genossen im Konkubinat! Ich würde mich schä-
men, eine „Frau" zu sein! Schon wegen unserer
Kinder, die dadurch des Rechtes der staatlichen
Erziehung verlustig gingen!"
„Verzeihen Sie!" stotterte ich „ich wußte nicht,
daß in der Gesetzgebung und Ethik seil meinem
Tode^solche Umwälzungen stattgefunden haben!"
„Schon gut!" winkte mein Urenkel ab. „Jeden-
falls nimm Dich etwas mehr zusammen, sonst
lasse ich Dich verschwinden! — Was gibt's denn
Neues?"
„Neues?" sagte ich; „vor zehn Minuten hat
in Peking eine Schlacht stattgefunden."
„Wieviel Tote hat's denn gegeben?"
„Vierinalhunderttausend aus deutscher ©eitcj
Wieviele Wittwen und Waisen gibt das wieder!"
Statt mir traurig beizustimmen, brach das
edle „Lebensgenossenpaar" in schallende Heiterkeit
ans. Diese Gefühlsroheit empörte mich denn doch.
„Schämt Ihr euch nicht?" legte ich los. „Ihr
könnt lachen, wenn Viermalhunderttausend Brüder
für Euch verblutet sind? Wahrhaftig, mir scheint,
nicht nur die Technik hat seit meinem Tode Riesen-
fortschritte gemacht, sondern auch die Roheit und
Gewissenlosigkeit! Pfui über solche Rachkoinmenl
Pfui, Spinne!"
„Brüder! Gottvoll! Brüder!" krähte mein Ur-
urenkel, sich biegend vor Lachen. „Brüder, teure
Lebensgenossin!!"
Dein Ururgroßpapa ist einzig!" bekräftigte diese,
und wischte sich die Lachthränen aus den Augen.
„Natürlich Brüder!" entrüsteteich mich, „oder
sind es vielleicht Dromedare?" Mein Epigone
hielt sich die Lenden. Seine Lebensgenossin stram-
pclte mit den Beinen vor Vergnügen.
Endlich beruhigten sie sich wieder.
„Alter Junge," sagte mein Ururenkel, „sei nicht
böse über unsere Heiterkeit, aber uns moderne
Menschen berührt wirklich deine vorfinthflntliche
Anschauung unwiderstehlich koniisch. Tu mußt
nämlich wissen: es sind gar keine Menschen bei
Peking gefallen, sondern nur — natürlich —
Dampssoldaten."
„Dampssoldaten?"
„Freilich I das kommt Dir vielleicht sonderbar
vor, ist aber ganz vernünftig. Du wirst mir
glauben, lieber Urahn, daß die Technik der Kriegs-
maschinen seit Deinem Tode ungeheuere Fort-
schritte gemacht hat. Ein Druck aus den Knopf
der drahtlosen Elektrisierkanone genügt, um eine
II. Slubeimutch
Die neue (Uniform der Diener deo bayrischen
Landtags
Armee von zehn Millionen Menschen tot umsinken
zu lassen! Innerhalb einer halben Stunde kann
jedes Meer durch den magnetischen Wasserver-
dunster ansgetrocknet sein!"
„Furchtbarl" stöhnte ich.
„Gewiß wäre das furchtbar, wenn wir noch
Menschen in den Krieg schickten, wie Ihr Bar-
baren es ehemals thatet. Das geschieht aber
Gottlob nicht mehr."
„Ja, was schickt Ihr denn in den Krieg?"
„Ich habe es Dir bereits gesagt: Dampf-
soldaten. Jedes Land letzt seinen besondere»
Ehrgeiz darein, möglichst viele Dampfsoldaten aus-
znrüsten. Es sind das eiserne, durch Dampf-
kraft bewegliche Figuren. Tausend Kilometer
hinter der Front lenken die Kriegsingenienre
die Schlacht.
Eine Rakete gibt das Zeichen: nun geht's
los! Die elektrischen Ströme lassen die Erde er-
zittern, furchtbare Minen sprengen mit eine m
Krache Qnadratmeilen des Erdbodens in die Luft,
der Himmel gleicht einer einzigen Riesenflamme,
die feurige Wolkenbrüche über das Schlachtfeld
niedergehen läßt. Festnngsgräben, Wälle, Alaucrn,
lenkbare Luftschiffe, kugelsichere Panzer — das
alles gibt es nicht mehr, denn es ist zwecklos.
Zu Tausenden fallen die Dampssoldaten, aus-
einandergesprengt durch Explosivsäuren, von denen
ein Tropfen genügte, ein dreißigstöckiges Haus
hinwegzufegen, oder zerschmolzen durch die furcht-
bare Hitze. Es ivird geläiupft bis zur vollstän-
digen Vernichtung der einen Armee. Hat die eine
Partei keine Dampssoldaten mehr, so muß die
Schlacht eo ipso aufhören."
„Ja aber —"
„Garnichts .aber'! Ihr ließet Menschen er-
schießen, wir Dampfsoldaten. Im Grunde ge-
nommen kommt es auf Eines heraus, nur sind
wir humaner."
„Aber fügt sich denn die unterliegende Partei
so einfach dem Sieger? Greifen sie nicht selbst
zu den Waffen, um sich ihrer Haut als Männer
zu wehren?"
„Ausgeschlossen! Die Erde ist doch ein civili-
sierter Planet. Soll Handel und Industrie, Acker-
bau und Viehzucht stocken? — Unmöglich! Wir
gehen unserer Beschäftigung nach und lassen un-
sere Danipisoldaten sich gegenseitig totschlagen.
Es hätte ja auch gar keinen Sinn, wollten sich
Alenschen am Kriege betheiligen. Unsere Ma-
schinen sind zu furchtbar: in einer Viertelstunde
wäre das ganze Menschengeschlecht nusgerottet."
Ich faßte mich an den Kopf: „Junge, kohlst
Tu auch nicht?"
„Aber Ururgroßpapa! Ehrenwort "
„Unglaublich! Unglaublich!"
In diesem Augenblicke trat der Dienstjüngling
— Tieustinädchen gab es nicht mehr — herein
und brachte die Zeitung. Das Helle Tageslicht
flnihete vom Vorplatz in's Zimmer und zerriß
jäh das spiritistische Dunkel. Ich fühlte, wie ich
unsichtbar wurde, mich in nichts auflöste und ver-
schwand. Das Bewußtsein verließ mich.
Als ich wieder zu mir kam, saß ich wieder in
der letzten Klasse des Fegfcuers.
Puppenspiel
(Zur Zeichnung von Walther Püttner)
Seit wie vielen tausend Fahren
Spielen sie nun dieses Stück,
Dessen Held nach viel Gefahren
Kommt zu märchenhaftem Glück?!
Lrst ergeht's ihm miserabel,
Dann gewinnt er Ruhm und (Maid —
Schon seit Theseus gilt die Zabel
Und es wechselt nur ihr Kleid.
Und sie füllt das Haus noch immer
Bis zum allerletzten platz —
Jedes kleine Frauenzimmer
Denkt an sich und ihren Schatz.