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Der neue Mutcirrg

Ein Großfürst soupierte eines Abends mit
der Vtcro.

„3I)C Romanoffs habt doch alle die gleiche»
Eigenheiten", sagte sie ihm beim Abschied, „ich
erkenne in dunkelster Nacht aus zwanzig Prin-
zen allein am Geruch einen Romanoff heraus,"

Scheinwerfer -er „Jugend"

An Bülow

Wenn was Du sagst der Deutschen Lob erhält,
To ist dies schon ein gutes Zeichen.

Doch wenn die Rede gar den „Times" mißfällt,
Nichts bess'res gibts, um sie hcrauszustreichen.

Minister in England

Das neue Hans ist aufgericht'.

Herr Campbell-Bannerman zieht ein,

Wiclang' er bleibt, das weiß man nicht;

Er wird wohl nur ein Trockenwohner sein.

Das Marokko-Gelbbnch
So gelb ist's, daß man fast geblendet wird!
Die dunklen Flecken alle wcgpolirtl
Mich dünkt, nicht ohne Grund ist dieser Fleiß:
Das Gelb-Buch macht der Welt 'was weiß,

Rath für Scharfmacher
Wie-schnell man aus dc» Sozialismus kehrt?
Das sag' ich prompt ohn' alles Worteklauben:
Bringt ihn in Katechismusform und Ujrt
Ihn in den Schulen, wie den Christusglauben!
*

|vnnenemiui}ipntioii »»d rljrlirljr (Treue

In beut Streite des Wiener Professors Phi-
lipp August Becker mit seinen Hörerinnen stelle
ich mich ganz auf die Seite der Damen, Eheliche
Treue und Frauenemanzipation haben wirklich
miteinander nicht viel zu schassen. Tie sexuelle
Untreue ist lediglich eine Frage des erotischen
Temperamentes, und dieses „arbeitet," mag
die Trägerin emanzipiert sein oder nicht. Daß die
energischen und oft ihre männliche Umgebung weit
überragenden Regentinnen — obschon sie im Punkte
der Religion und Konvention meistens gar nicht
als „emanzipiert" gelten können — in Liebes-
asfaircn auch öffentlich sich einige Freiheiten heraus-
nehmen konnten, liegt in der Natur ihrer sozialen
Stellung und in den freieren Anschauungen un-
serer Borfahren. Heute haben wir ja neben der
ofstziellen noch eine freiwillige Sittenretlungsko-
lonne.

Gebuhlt aber ward seit Olims Zeiten und wird
noch heute von fast gar allen stark erotischen
Frauen, wenn die Ehemänner ihren mobilen Be-
dürfnissen nicht genügen oder, was ja auch vor-
koinmt, das Sehnen nach Mäunerwcchsel schlechter-
dings unüberwindlich ist. Nur mit dem Unterschiede,
daß die Emanzipierten ,jm modernen Sinne
daraus kein Hehl machen, die Sachen sehr ernst
nehmen, auf reinliche Scheidung dringe» und nicht
zur Beichte gehen, während die Nichtemanzipierten
(d, 1); die nWen) desto vergnüglicher im Ge-
heimen weiter sündigen, brave Kirchengänger-
innen bleiben, nicht ans Scheidung dringen. Es
gibt sogar soiche, die nicht aufhören, ihre Männe;

zu lieben und zum ooon joyeux, d. h, tertius
gaudens, zu erziehen (Siehe Brantüme und Vehse.)
Warum? Weil die Fortsetzung der gehörnten Ehe
mehr Chancen des unbehelligten Wechsels bietet und
auch der Kirche sympathischer ist als die Scheidung,
Da verläßt man sich denn aus den schönen
Trost der Maria Magdalena. Gemülhlicher und
sogar natürlicher mögen ja alle diese Praktiken
der alten Schule sein, auch ein Beweis von guten
Nerven, aber daß sie vis ä-vis den strengeren
Forderungen der modernen Frauenrechtlerinnen
gerade als sittlicher gelten sollten, will mir
nicht in den Sinn, Uebrigens fragt es sich sehr,
ob die modernen Frauenrechtlerinnen der Mehr-
zahl nach zu den erotisch Anspruchs- und Talent
vollen gehören. Ich glaube es nicht, Sie sind
nur gewissenhafter und stolzer.

Und was insbesondere die berühmte Erbin von
Aquitanien, Eleonorevon Poitou anbelangt,
um welche der neue Wiener Streit enibronnen ist,
so war sie weder im modernen noch im alle»
Sinne (wenn es einen solchen gibt) das was man
„Frauenrechtlerin" nennen kann. Denn diese ist
die Vertreterin eines idealen Prinzips, sie
kann nebenbei sich des strengsten Lebenswandels
besteißigen, mit oder ohne Temperament. Das
muß einmal gesagt werden, weil es ungerecht ist,
einem Idealisten nur wegen der möglichen Ge-
fahren seines Strebens ein moralisches Klamperl
anzuhängen, Eleonore war nicht einmal eine
Emanzipierte im heutigen Sinne, sie war nur ge-
waltig stark, auch unter der Gurten. Das kam ihr
unter den Kreuzrittern zu Statten, Für solche
Mordsweiber klingt doch das Wort „emanzipiert"
gar zu schwächlich, bei ähnlich nusstassierten Bläu
nein würden wir uns schämen es anzuwendeu,
Ludwig VII. von Frankreich ließ sich 1152 von
Eleonoren scheiden, angeblich wegen paphischer
Scherze, wahrscheinlich aber weil sie ihm keinen
Sohn gebracht hatte, llnd er war doch selber
schuld daran, denn mit Heinrich II. von England
zeugte sie deren fünf, darunter einen Richard
Löwenherz und Johann ohne Land, und drei
Töchter! Solche „nuptiale" Leistungen sollten
doch eine Eleonore vor dem Vorwurfe schützen,
daß sie es, „wie die emanzipierten Frauen über-
haupt, mit der ehelichen Treue nicht genau ge-
nommen habe," Was bedeuten solche überkirch-
liche Moralien bei geschichtlichen Weibern? In
Eleonoren war die eifersüchtige Intrigantin viel
verhängnißvollcr als die Buhlerin, Müßten wir
nicht alle z. B, Rußland gratulieren, wenn es
in diesen Tagen über eine englische Elisabeth oder
eine anhaltische Katharina verfügte? Was läge
da an ein paar Dutzend Ehebrüchen, wo es gilt,
Völker zu retten und skrupellos ein Geschlecht
von starken Herrschern zu zeugen?

Georg kzirtb

Wenn zwei sieh streiten . . .

Der Friede»sengel: „Theo, vermittle doch!"
Der Friedensapostel: „dlonseiw, sind doch
meine beide» besten — Kontur reu t e n."

Der neue Mitarch

Dev russische Bevollmächtigte beim Vatikan
hatte eine Audienz bei Pius X.

„Eure Heiligkeit, Väterchen Zar ordnet
Gebete zur Beruhigung des Volkes an und
vertraut darauf daß Gott und feine lieben
Heiligen die Ordnung im Reiche wieder Her-
stellen werden." —

„Mein Sohn, bestelle Sr. Majestät, daß
auch ich das Beste von der Rrafr des Ge-
betes erwarte, — Aber zur Sicherheit möge
Seine Majestät immerhin auch ein, zwei Gou-
verneure hängen lassen,"

Schwein unter Schweinen

Der Münchner Schweinemctzger Herker wurde
wegen unerhörter Unsauberkeiten in seinem Ge
schäftsbetrieb zu z-z Tagen Gefängnis; und >000
Mark Geldstrafe ocrnrthcilt. Bei dem Prozesse
sagten als Sachverständige veniommeue Lollegen
aus, daß an einer Reihe der dem Herker zur Last
gelegten Manipulationen nichts Unappetit-
liches zu finden sei, z. B, wenn Rindsmägen
und aufgesprungene Schweinsmägen, wenn übrig
gebliebene Murstreste sammt den Häuten, Ge-
schlechtstheile und After der Schweine, stichig ge-
wordener Schinken, schleimiggewordene und grün
angelanfene alte Ivürfte und ähnliche Herrlichkeiten
zur IVurslfabrikation verwendet wurden.

Podbielski hat offenbar Recht, wenigstens
was München angeht: Im Metzgergewerbe kann
über Mangel an Schweinen nicht ge-
klagt werden!

—K-

Albanesentücke, Das Belgrader Blatt „Alba-
uie" bietet dem Prinzen Eitel Fritz die Krone des noch
gar nicht existierenden Königreiches Albanien an. Die
„Albanie" möge es uns nicht übet netnucn, aber fit
ist eine schwatzbaste alte Dante, Wie kann sie diesen
Plan, den wir bisher als tiefstes Geheimnis; behiilei
haben, der ganzen Welt preisgeben? Jetzt kann ihn
leicht Delcaii« oder Bebel erfahren, und dann ist es
natürlich mit ihm und mit allen anderen Plänen
aus. Wir hatten nämlich auch für die übrigen Ge-
schwister des Kronprinzen Königskronen in Aussicht
genommen: Prinz Adalbert sollte unter dem Namen
Aegir König von Thule, Prinz August Wilhelm
unter dem Namen Lanrin König von Rosengarten,
Prinz Oskar unter dem Namen Optimus König von
Utopien und Prinz Joachim unter den Namen Jsidor
König von Zion werden. Der Prinzessin Viktoria
Luise war unter dem Namen Hippolyta das König-
reich Amazonia zugedacht. Alle diese Pläne sind
nun durch die Indiskretion der „Albanie" zerstört.

Gras Pofadowsky hatte im Reichstag über die
materialistische Weltanschauung der gebildeten Stände
geklagt, die zum Anwachsen der Sozialdemokratie
beitrage. Die Kreuzzcining, die „Post" und die
„Deutiche Tageszeitung" tadeln ihn deshalb und
erklären seine Ansicht für unwahr: wäre sie aber
selbst wahr, so sei eS doch inopportun gewesen, sie
zu äußern.

Hierzu wird uns von interessierter Seile ge-
schrieben: „Nämlich ick habe ooch eene materialistische
Weltanschauung. Man soll dat Jute nehmen, wo
man'! findet. Na »» wat icke bin, ick habe bet Jute
in ’n Jeldschrank von eene» Bankier mang die Linden
jesunden, und nadierlich habe ick et jenommen. aber
erst habe ick nadierlich den Jeldschrank usjemacht.
Und dann kam so een dämlicher Jerichlshof, der
fragte mir, ob ick et jewescn bi». Icke aber, nich
faul, hielt es nadierlich sor inopportun, so wat zu
sagen, janz wie die Kreizzeitung, Na und wat Hab
ick davon jehabt? Een ianzes Jahr Zuchthaus haben
sie mich noch mehr ir -en von weien hartnäckigen
Leugnensl Haben Sir Worte? Ick hatte doch nischt
anderes jedhan, als wat die Kreizzeitung jerathen
hat. Aber wenn zwee dasselbe dynn, den» iS et
noch lange nich dasselbe. canenfriy,"
Register
[nicht signierter Beitrag]: Graf Posadowsky
[nicht signierter Beitrag]: Albanesenstücke
Arpad Schmidhammer: Wenn sich zwei streiten
-g-: Schwein unter Schweinen
A. De Nora: Scheinwerfer der "Jugend"
Georg Hirth: Frauenemanzipation und eheliche Treue
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Der neue Plutarch"
[nicht signierter Beitrag]: Scheinwerfer der "Jugend"
 
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