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Nr. 1

JUGEND

1906

ungeschickt von mir, um eine Rose zu bitten?
Denn, mo sollten Sie gleich eine hernehmen?"

Und Josefa erwiderte mit ihrem reizendsten
Lächeln: „Oh — das war ganz einfach. Eine
Patientin im dritten Stock, eine junge Braut, starb
die Nacht vorher. Da nahm ich die Rose, die
ihr Verlobter ihr auf die Brust gelegt hatte."

* * *

Der strenggläubige Methodisten-Pastor begibt
sich von einer Trauung in der Kirche nach Hause.
Plötzlich trifft er den Möbelhändler, den er vor
Jahren in Tuckahoe kennen gelernt hat. Begrüß-
ung. Auf des Pastors Frage, wie es ihm gehe,
meint der Möbelhändler trübe: „Ach — nicht be-
sonders. Das Geschäft ist schlecht. Das Schwierigste
scheint zu sein, neue Kunden heranzuziehen."

„Wenn es weiter nichts ist!" erwidert der
Diener Gottes. „Den: ist doch leicht abzuhelfen.
Wie wäre es, wenn Sie unserer Gemeinde bei-
träten? Sie machen da die Bekanntschaft von
lauter wohlhabeuden Leuten und bei dem Geist
der brüderlichen Liebe, der unter guten Methodisten
herrscht, dürfte es Ihnen leicht werden, christliche
Förderung Ihres Fleißes und Ihrer Thätigkeit
bei uns zu finden. Der Herr hält zu den Seinen."

Das sagt er, wiewohl er ganz genau weiß,
daß der Möbelhändler ein verlorenes Schaf ist,
das von der Kirche nichts wissen will. Der
Möbelhändler versteht jedoch als guter Geschäfts-
mann vollkommen, daß ihm hier Gelegenheit zu
einer guten Spekulation geboten wird. So sagt
er freudig: „Ich denke, ich werde es versuchen,
mein Herr. Ich bin sicher, daß die Gesellschaft
ehrenwerther Christen noch Niemandem geschadet
hat."

Und richtig — seit der Möbelhändler zu des
Pastors Gemeinde gehört, fleißig zur Kirche geht
und Wasser literweise trinkt (Whiskey nur noch
als Medizin), beginnt sein Geschäft wunderbar zu
blühen. Eines Tages, wie er grade einen fetten
Auftrag durch Vermittelung Zeines Methodisten-
Bruders bekommen hat, trifft er wieder seinen
Pastor und sagt:

„Es scheint, der Segen des Herrn ruht auf
meinem Geschäft!"

„Amen!" sagt der Pastor feierlich. „Und nicht
wahr, mein Lieber, Sie zeichnen doch auch für die
nene Missionsschule, die wir in Klein-Asien er-
richten wollen?"

So ruht auch auf seinem Beruf der Segen
des Herrn.

* * *

„Worin besteht Ihre Klage?" fragt der Richter
das würdige alte Fräulein mit der Brille.

„Euer Ehren", beginnt das bebrillte Fräulein
mit einer dünnen, vor Empörung zitternden Stimme,
„Euer Ehren, dieser junge Mann hier hat meine
und die öffentliche Schamhaftigkeit in einer gradezu
verbrecherischen Weise verletzt." Dabei deutet sie
mit einem langen mageren Finger auf den An-
geklagten. Er ist sehr sorgfältig gekleidet und macht
den Eindruck eines Menschen, der sogar seinen
Schneider bezahlt. „Jeden Sonntag Vormittag
— bedenken Sie, am heiligen Sonntag, liegt
er in seinem Zimmer lang auf dem
Sopha und zwar — und zwar (hier
erröthet sie) — o Gott, — muß ich es
sagen? — und zwar völlig unbekleidet!"

Der Richter runzelt die Stirne und
wendet sich mit strenger Miene den:
sorgfältig gekleideten Manne zu.

„Was sind Sie?"

„Civil-Jngenieur!"

„Geben Sie 31t, was diese Dame so-
eben vorbrachte?"

„Jawohl, Euer Ehren!"

„Hm, hm, wie kommen Sie dazu?"

„Euer Ehren, mir sind vom Arzt
Sonnenbäder verordnet. Ich habe ihn
als Zeugen mitgebracht hat. Hier ist er!"

„Ah, Doktor Stern, ich kenne Sie!"
sagt der Richter etwas freundlicher.

„Also Sie haben diesem jungen Mann
Sonnenbäder verordnet?"

Der Arzt bestätigt und begründet eS.

„Schön! Aber warum ziehen Eie dann nicht
den Fenstervorhang herunter, junger Mann?"

Lächelnd erwidert der junge Mann: „Weil
ich ja dann kein Sonnenbad nehmen könnte."

Alles lächelt und der Richter beißt sich auf
die Lippen. Er hatte einen fürchterlichen Bock ge-
schossen.

„Und dann," fährt der junge Mann fort, „ist
die untere Hälfte des Fensters auch thatsächlich
verhangen. Nur die obere Hälfte ist frei. Und
es ist unmöglich, daß man von der andern Seite
der Straße mich in meinem Zimmer beobachten
kann."

„Unmöglich?" pfaucht das bebrillte Fräulein.
„Euer Ehren, ich kann von meinem höher gelegenen
Zimmer mit meinem Opernglas jeden Stuhl in
des jungen Mannes Zimmer erkennen!"

Der Richter meint, er hätte Lust, das Opern-
glas 31t verhaften und entläßt den Angeklagten
in Gnaden. Das bebrillte Fräulein . bemerkt
gallig: „Die unerreichte amerikanische Sittlichkeit
wankt also wirklich!"

* * *

Gilhuly, der brave Irländer, liegt todkrank zu
Bette — an der Auszehrung. Lange ivird's wohl
nicht mehr dauern, hat der Arzt gesagt. Und
Gilhuly lebt doch so gerne. Grade jetzt, wo's
Frühling wird, lieber die Mauer vor seinem
Fenster ragen ein paar Bäume. Die werden schon
grün und grün ist so wie so die Lieblingsfarbe
der Irländer. Und die Sonne ist jetzt wie eitel
Gold an der Wand und gold ist ebenfalls eine
Lieblingsfarbe der Irländer. Denn des Irländers
Flagge ist grün und mitten drin ist eine goldene
Harfe. In den Bäumen sitzen die Spatzen und
zwitschern, daß es ein Vergnügen ist. Was gäbe
er darum, wenn er wieder in seine Schnapskneipe
hinunter könnte, um hinter dem Schanktisch seinen
Freunden den duftigen Whiskey rmd das schäu-
mende Bier zu kredenzen und über Politik zu
reden und das Geld, das Pat und Mike als Be-
lohnung für politische Dienste einsacken. Wie er
so liegt und sinnt und träumt, zieht von der
Küche her ein köstlicher Geruch ins Krankenzimmer.
Es ist der Geruch eines geräucherten Schinkens,
den Mary Ann, seine liebe Gattin, kocht. Ge-
kochter Schinken! Gilhulys Lieblingsessen! Er
labt sich an dem Duft wie ein junger Verliebter am
Duft der Rose, die ihm seine Angebetete geschenkt
hat. Gekochter Schinken! I Mit WeißkohlII All
M— m—m—m!

„Mary Ann l" ruft Gilhulys schwache Stimme.
Sie hört es nicht.

„Mary Annl"

„Ja? Was willst Du, Dan?" kommt ihre
sanfte Stimme aus der Küche nebenan.

„Ach Mary Ann— dieser Duft! Weißt Tu—ich
denke—ein ganz kleines Stückchen von diesem
Schinken könnte mir wirklich nichts schaden."

Und noch sanfter kommt die Antwort zurück:

„Es geht nicht, Danny, es geht nicht. Dieser
Schinken ist ja für Deinen Begräbnißschmaus."

H Hymnus

(Sächsisch)

Zn Leibzig hamm'r jetzt ä Mann,

So weltberiehmt wie Lener,
von allen, die m'r nennen gann,

Da reicht'n 's Wasser geener:
was dar gezeechnet un gemalt
Un aus'n Steen geschlagen,

(Un nämenbei: bombees bezahlt!) —

Das is Sie nich ze sagenl

Das ärschte, was'r rausgebracht.

Das war'n radirte Blätter.

Die war'n mit änner Gunst gemacht —
Li Greiz un Donnerwetter!

Doch wie'n de Gunstgelehrten nun
Zu d'n Radierern wiejen,

(wie in ä Zach se jeden dhun!) —

Da dhat er dän — was niesen!

Mit eemal nämlich fing er ann
Ze mal'n — un nich zum Spaße!

Rich so Dctav-Zormat etwann,

Ree, gleich in großen Maße:

Zähn Meter, d'runter dhat er'sch nich,
(Ich sage nur, was wahr is!) —

Sie genn doch alle sicherlich
Sei Bild von „Aebbel-Baris"?!

Un dann sei greeßtes Bild: das Dingst,
wodruff Sie dargestellt is,
wie s mit dän Zeigs ze Lnde gingst,
was de „andieste Welt" is:

Se sitzen grad bei'n Gedderwein
Un geener denkt was Beeses,

Da tritt ä fremder Härre rein —
wer is es? — Li, Herr Zeses!

wie nu de Gunstgelehrten sahn,

Daß är ooch malen gennte.

Da sahn se sich bedibbert ahn —

Doch gam ärscht 's dicke Lnde:

Denn nu warf sich mei Mann, heiweh,
Uffs Modellir'n! Gassandre
Lntstand, un ooch de Salome
Un noch ä Dutzend Andre.

Un so gingst's nune — weeß d'r Daus —
Mit aU'n, was 'r gemacht hat:
Beethoven gam ganz andersch raus,

Als wie m'r'n sich gedacht hat!

Un wie där ärscht ze Dage war,

Da dacht m'r, heilger Brahma,

Ru gommt doch Mozart offenbar:

Ze, Gott bewahre — „'s Drama!"

Bei dän hat m'r sich stets geärrt.

's hat nie nich geener geene
Zdee, was där Sie bringen wärd —

Un das is ähm das Scheene!

Un wenn noch Lener fragen gann.

Ru sagt m'r awer endlich,

wie heeßt 'n där beriehmte Mann?

Ru, Klinger — selbstverständlich!

Fassbinder.

Steignebner (Breslau)

Liebe Jugend!

Kennt Dein Leutnant von Oersewih
schon die Rangordnung der Dffiziere?

Klasse (Trägt Sette, wo es nicht
zu sehn ist, grüßt Hofdamen und wird
wiedergegrüßt.

Klasse 2: (Tragt Seide, wo es zu
sehen ist, grüßt Hofdamen, wird aber
nicht wiedergegrüßt.

Klasse 3: Hat einen Freund bei
den Gardes du Eorps, der sich nicht scheut,
mit ihm Sonntags um \2 in Uniform
die Linden zu passieren.

Klasse 4: Hat auch einen Freund
bei den Gardes du Corps, der sich aber
geniert.

Klasse 5: Ersetzt den Ulangel au
Seide durch stramme Haltung in
außer Dienst.

und
Register
Faßbinder: Ä Hymnus
B. Steignebner: Zeichnung ohne Titel
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
 
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