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Ein Rückblick auf das Jahr J9o5

von

Nur mit verhaltenen: Aerger kann der Chronist
2llphons von Spanien berichten. Der
Junge wurde am Brandenburger Thor in der
liebenswürdigsten weise empfangen, erhielt ein
preußisches Regiment, dazu die Hofjagd-Uniform,
ja, Haby hatte mit ihm — einem on dit



zufolge — die ersten Bart-Versuche mit vieler
Mühe angestellt — zum Dank dafür heirathet er
eine englische Prinzessin!I — Es soll unter
keinen Umständen mehr für ihn gebetet
werden! —

Einschneidende Neuerungen wurden aus dem
kleinen Holland gemeldet. Dort wird ein Gesetz
in Erwägung gezogen, demzufolge in Zukunft
„Prinzgemahle" nach erfolgloser Regierung
mit Pension zur Ruhe gesetzt werden können, um
die Wahl eines Nachfolgers zu ermöglichen. Wil-
helminije soll dem Antrag starke Sympathien ent-
gegenbringen. —

Ueber „Marianne", unsere hübsche Nach-
barin, möchten wir am liebsten gar nicht sprechen,
weil es ihretwegen beinahe zu einer gründlichen
Holzerei gekommen wäre. Den guten Beruhard,
der sie aufrichtig lieb hat, ließ sie links liegen und
nahm — wie ihr „Kleiner" ausplauderte —
nächtliche Besuche eines dicken Herrn entgegen. —

B

L


Das geschwätzige Wurm wurde todtge-
schlagen, und Mariannens OuvaUer servant
gerieth in ein böses Kaninchenloch. — © ge-
rechte Fügung des Fimmels!!


Ernste Krisen revolutionären Charakters hatte
die Türkei durchzumachen. Abduls Lage war
verzweifelt, da auch die Eunuchen für Wieder-
herstellung ihrer grausam verkürzten Men-
schenrechte einlraten und mit Repressalien
drohten, die wir nicht einmal andeutungsweise
hier erwähnen können.



LW

Und nun — Rußland!! —

„wie der wind in Trauerweiden" klingt es,
wenn man auf die Ereignisse im Jahre ^05 zu
reden kommt, der Chronist gesteht es gerne ein:
Auch er weiß nicht, was aus dem Kuddelmuddel
herauskommen soll: Line Republik, eine Ge-
sellschaft mit beschränkter Haftpflicht —
oder ein Aktien-Unternehmen auf Pump
mit dem Generalprokurator des heiligen Synod
an der Spitze. —


Alles kracht und wankt,
ja selbst die Flottenequi-
page ist verrückt gewor-
den. Nur — und das
ist immerhin bemerkens-
werth I — der Hetman
aller Kosaken hängt noch
in alter treuer Liebe am
Zaren. —

Zum Schluß etwas
aus den höchsten Re-
gionen : Ein projektier-

ter „Venus-Durch-
gang" durch die Sonne, eine Sache, die stets mit
skandalösen Begleiterscheinungen verbunden, wurde
noch im letzten Augenblick durch den Lizentiaten
Bohn glücklich inhibiert.

(Zeichnungen von A. Schmidhammer.)

Rultur und Seife

Ein Befehl des Zaren vom 19. Dezember ordnet

an, daß die Mannschaften fortan warme Decken,
Bettwäsche und Seife geliefert erhalten sollen. —
Bettwäsche und Decken, ja, das wird die Soldaten
gewiß erfreuen, denn die können sie leicht verkaufen.
Aber Seife: Dazu sind, die Soldaten denn doch zu
zivilisiert: die essen sie nicht mehr.

Zor deutsch-englische Verftännigung

von eme alde Zrankforder

voll alle Kerchterm möcht ich's läute:

Des Hie- und Her-Gediwwer ruht.

Mer duhn verdrage uns, mir beide,

Mer sin uns endlich widder gut
worum ääch net? — des ew'ge Hetze
Hat kään moralische Hinnergrund,

Schdets in die Wade sich zu petze
Is alwern un is uugesund.

Die Hand zem Fridde is gebolte,
wann ääch noch manchmal mache Krach
E Dutzend Iwwer-Patriotte
von hibb der Bach un dribb der Bach.

Doch wann mer uns ääch liewe derfe,

Davoo is doch noch lang kää Redd,

Sich an de Hals dem ©os ze werfe,

So nödig hawwe dhun mer's net.

©ft dhut als bester Freind sich weise,
wer erschd e Ekel war un Graus

— Mir komme jetz ja mit de Preiße
Aeäch Gottseidank ganz leidlich aus.

Sin e paar Iohr erschd iwwerwunne,

Dann werd die Freindschaft dick un fett.

Die Zeit, die heilt ja alle wuru:e

— worumdie „englisch Krankheit" net?

Ein Abschieds grüß. Hermann Bahr ver-
öffentlicht sein Tagebuch, darunter folgende Auf-
zeichnung vom 27. November 1905. „-Mir

ist in den letzten Jahren immer mehr alles, was
in Oesterreich künstlerisch versucht wird, als Schwin-
del vorgekommen. Man kann in Asien nicht Europa
spielen. Wir paar Europäer müssen abwarten, bis
Oesterreich europäisch geworden sein wird. Der
Künstler vermag nichts, dies verlangt politische

Thaten. Ich aber traue mir solche nicht zu.-

Also fort.-Fort, bis Männer der That, stärker,

muthiger und fester als ich, uns ein Vaterland ge-
schaffen haben werden."

Die Oesterreicher sind über diese Liebenswürdig-
keiten ihres Landsmanns entsetzt. Wir können sie
trösten: denn uns liegt Bahrs künftiges Tagebuch
vor. Darin heißt es unter dem 27. November 1907:
„Mir ist in den letzten beiden Jahren immer mehr-
alles, was in München künstlerisch (nicht von mir)
versucht wird, als Schwindel vorgekommen. Man
kann in Europa nicht Eanada spielen. Wir paar
Canadier müssen warten, bis Europa canadisch ge-
worden sein wird. Die canadische Wildheit vermag
nichts, dies verlangt übertünchte Höflichkeit. Ich
aber traue mir solche nicht zu. Also fort! Ich lade
über tausend tausend Jahre mich wiederum in dieses
Amt. Da wird ein weiseres Volk in diesem München
wohnen als jetzt und sprechen: Bleib." — So sagte
der bescheidne Hermann.

veuM!

Zwei japanische Offiziere betraten ein Geschäft in
Hamburg, um Einkäufe zu machen. Der Inhaber,
der die seltenen Kunden selber bedienen wollte, eilte
hinzu: Do you speek english ? Darauf wurde dem
Herrn in fließendem Deutsch die Antwort: „wir sind
in einem deutschen Geschäft und möchten deutsch
sprechen."

Taucht da in der weiten Welt
Irgend auf ein Federheld,

In Italien oder Schweden,

©der bei den Samojeden,

Im Franken-, Reußen-, Engelland,

©der wo am Nordpolstrand,

Gleich entdecken wir die „Sonne",

Schlucken „neues Licht" mit Wonne,
wärs auch nur ein Talgstumpflicht, —
Dieses stört uns weiter nicht!

Und geht Michel mal auf Reisen,
wird er nie beschränkt sich weisen,

Ab die Zippelmütz er thut,

Setzt hoch aus den Sxrachenhut
Und in Rom, Paris und London
Reckt er sich das Maul zu Schand'n.

Doch der Gipfel ist doch das,

Und es ist ein bitt'rer Spaß:

Nicht im eignen Haus, — verdreht! —
Fragt er, ob man deutsch verstehtl


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Index
[nicht signierter Beitrag]: Ein Abschiedsgruß
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Ein Rückblick auf das Jahr 1905"
Der alde Frankforder: Zor deutsch-englische Verstännigung
W.: Deutsch!
Frido: Kultur und Seife
[nicht signierter Beitrag]: Ein Rückblick auf das Jahr 1905
 
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