t* amai a Tag kemma, da hab'n sie s' in der
Drau drent g'fund'n."
Schön Lenzi ward ganz ernst und feierlich
bei der traurigen Geschichte von dem un-
gläubigen Madl. Sie war halt gar so fromm,
die Lenzi.
Ich aber faßte sie unters runde Rinn und
fragte sie:
„Na, jetzt aber ehrlich, Madl; wenn das
mit dem Spiegel net war, ,dürftest^ dann?"
In den schwarzen Augen funkelte aus der
Tiefe was herauf. Aber Antwort gab mir die
Lenzi nicht. Mit lautem Lachen sprang sie
zur Thür hinaus.
Am nächsten Morgen ging ich in die Kirche.
Der Herrgott allein weiß, nach wie viel Jahren
zum ersten Mal. Ich setzte mich still auf eine
der Hinteren Bänke und holte während des
Hochamtes den versäumten Frühschlaf nach.
Grade mit dem Amen wachte ich auf und
schloß mich der Menge an, die nun, während
die Orgelklänge verhallten, aus der Kirche ins
Freie strömte.
Hier sammelten sie sich alle auf dem großen
Platze vor dem Gotteshause, die Alten in der
Mitte, rechts die Burschen, links die Mädeln.
Herrgott, waren die alle aufgeregt! Ganz still
stand ihnen der Schnabel, der sonst im Malla-
thal grad so scharf ist wie anderwärts in den
Alpen, und auf die kecken Frozzelreden der
Burschen fanden sie keine Antwort.
„Na, vroni, hiazt is aus. Hiazt wird si's
weis'n, warum'st allaweil Enzian pflücken gehst,
von weg'n dem Lois, der drob' in dera Iaga-
hütt'n steckt."
„Paß auf Mirzl, ob'st im Spieg'l net zwa,
drei Schnurrbärt siech'st-"
„Lenzi, wenn's die blamierst vor'm Stadt-
Herrn! Ui jeh-—"
„So ging's unaufhörlich hinüber, keck und
harmlos. Aber die Mirzl schwieg, die Lenzi
und die vroni und alle die andern auch. Sie
schauten nur nach der Kirchenthür.
Aus der trat endlich der Pfarrer. Ein gar
wohlbeleibter betagter Herr war es mit einem
freundlichen, gescheiten Priestergesicht, wie man
es so oft bei Landgeistlichen findet. In den
Händen hielt er einen alten, scholl ganz mor-
schen Holzschrein, aus dem .er nun mit be-
hutsamen Fingern den heiligen Spiegel nahm.
Diese kostbare Reliquie erwies sich als ein ganz
gewöhnliches Stück Glas, das von einer ver-
gilbten Goldleiste eingerahmt war.
Ganz still wurde es auf dem Platz, als der
Pfarrer nun den Spiegel hochhielt, um die
Gemeinde damit zu segnen. Dann traten die
Mädeln, ungefähr zwanzig an der Zahl, eine
nach der andern vor den Spiegel, schlugen
drei Kreuze und schauten hinein.
Und siehe da — rein, ganz rein blieb das
Glas! Bei allen!
Jede Jungfrau, die ihre Prüfung bestanden,
wurde von den Burschen durch einen lauten
Iuchezer geehrt. Und als die letzte ihre Un-
schuld und Bravheit erwiesen, gab's noch einen
allgemeinen Schlußjuchezer, und die Feier war
zu Ende-
Am Nachmittag war dann im wirthshaus
großer Tanz. Mir aber ließ die Geschichte
keine Ruhe. Zwanzig Mädeln — rein wie
Spiegelglas, in den Alpen, wo die Moral stets
unter dem Nullpunkt steht — das wollte mir
nicht eingehen. Mährend also die Musikanten
im Tanzsaal ihre Instrumente stimmten und
die paare zum ersten Schleifer antraten, ging
ich zum Pfarrer hinüber.
Der saß behaglich in seiner Studierstube
und duselte in die winterliche Osterlandschaft
hinaus. Seine alte Köchin brachte mir eine
Schale Kaffee, die nichts zu wünschen übrig
ließ, und ich trug mein Anliegen vor.
Ermuthigt durch die freundliche Aufnahme,
stürzte ich mich sofort Ln rnedlas res.
Der alte Priester hörte mir lächelnd zu.
Morgen
S. Pefcoldf
„Dacht' mir's doch gleich, als ich Sie da
heute morgen sah, Sie als ungläubiger Städter
würden mich fragen kommen! Ja, ja, die Ge-
schichte verhält sich so. wie die Lenzi sie Ihnen
erzählt hat! Meine Mädeln hier im Thal sind
drum auch Alle kreuzbrav! Die Geschichte von
der Dirn, die sie einmal in der Drau gefunden
haben, kennen sie Alle! Und ich sorg' schon
dafür, daß sie sie nicht vergessen."
„Gut, das gebe ich ja zu, daß die Mädeln
hier wirklich tugendhaft sind — aus Furcht
vor dem Spiegel I Das glaub' ich ja recht gern.
Aber das mit der Muttergottes, die sich in dem
Spiegel kämmt — na, feien wir ehrlich — Hoch-
würden — I"
Der alte Herr lächelte wieder in seiner fein-
listigen Art.
„Sind Sie aber ein ungläubiger Thomas!
Ihnen muß ich es schwarz auf weiß zeigen."
Er holte aus einem kleinen Ebenholzschränk-
chen einen unheimlich dicken Schweinsleder-
folianten hervor, auf dem geschrieben stand:
„Lhronika der Pfarrkirche zum Aloysius in
Malta". Da schlug er mir denn die Stelle auf,
in der derjenige seiner Vorgänger, unter dem
sich die wundersame Historie ereignete, sie wort-
getreu ausgezeichnet hatte.
„Das war im sechzehnten Jahrhundert,"
sagte ich, „und wir leben doch heute im
zwanzigsten."
„Na," erwiderte der Pfarrer da, „weil Sie
doch nie vor meinem armen Spiegel eine
Keuschheitsprobe werden ablegen müssen, will
ich Ihnen noch etwas zeigen."
Er blätterte um ungefähr zweihundert
Jahre vor und zeigte mir eine Stelle, in der
ich Folgendes las:
„Heute, den 20. Marti! anno domini fieb-
zehnhundertzwanzigsechs bekunde ich, Hierony-
mus Hirtenthaler, wohlbestallter Pfarrer zu
St. Aloyisi, Folgendes: Aldiweil vor ohnge-
fähr drei Wochen mir aus meinen unfrommen
Händen der hochheilige Spiegel, so die Barbara
Steinhackerin gestiftet, beim Putzen ausge-
glitscht und zu meinem unexpressionablen Schreck
auf die Stein fiel und jämmerlich in Scherben
schlug, bin ich tags darauf heimlich gegen
Klagenfurt gereiset, allwo ich durch einen gar
anstelligen Meister Hab ein neues Glas ein-
schneiden lassen. Nachdem ich zur Buße mir
selber drei mal siebenundzwanzig Aves auf-
gelegt, Hab' ich am gestrigen Osterfeste Prob
unter den Dirnen gehalten, wie so der Brauch
es heischet. Die hochheilig Jungfrau aber ist
mir gnädig gewest, und ist das Spieglein rein
und makellos geblieben, so sich die Dirnen drin
beschaueten. Hat also durch die Macht des
frommen Glauben das gleiche heilige Wunder
gethan wie der heilige Spiegel selber. So
bezeuget und bekräftigt
Hieronymus Hirtenthaler, Pfarrer."
Ich dachte an das „i derf net" der Lenzi
und schaute beinahe vorwurfsvoll den alten
Geistlichen an.
Der aber lächelte sein altes Lächeln und
klappte die Lhronik zu.
„— Und hat das gleiche Wunder gethan —"
sagte er dabei.
Und während er das Buch an seinen Platz
zurückschleppte, hörten wir in der stillen Stube
vom nahen wirthshaus herüber das Stampfen
und Jauchzen der Tanzenden.-
Splitter
Mancher ist hochmüthig nicht in Folge
der Ueberschätzung seiner gegenwärtigen
Leistung, sondern im Gefühl seiner zu-
künftigen. Paul Garin
Hus der Kunstgesdncbtsstunde
Lehrerin: „(Elfe, können Sie mir ein
Gemälde von Murillo nennen?"
Höhere Tochter: „Ja, die Madonna
immatriculata!"
Drau drent g'fund'n."
Schön Lenzi ward ganz ernst und feierlich
bei der traurigen Geschichte von dem un-
gläubigen Madl. Sie war halt gar so fromm,
die Lenzi.
Ich aber faßte sie unters runde Rinn und
fragte sie:
„Na, jetzt aber ehrlich, Madl; wenn das
mit dem Spiegel net war, ,dürftest^ dann?"
In den schwarzen Augen funkelte aus der
Tiefe was herauf. Aber Antwort gab mir die
Lenzi nicht. Mit lautem Lachen sprang sie
zur Thür hinaus.
Am nächsten Morgen ging ich in die Kirche.
Der Herrgott allein weiß, nach wie viel Jahren
zum ersten Mal. Ich setzte mich still auf eine
der Hinteren Bänke und holte während des
Hochamtes den versäumten Frühschlaf nach.
Grade mit dem Amen wachte ich auf und
schloß mich der Menge an, die nun, während
die Orgelklänge verhallten, aus der Kirche ins
Freie strömte.
Hier sammelten sie sich alle auf dem großen
Platze vor dem Gotteshause, die Alten in der
Mitte, rechts die Burschen, links die Mädeln.
Herrgott, waren die alle aufgeregt! Ganz still
stand ihnen der Schnabel, der sonst im Malla-
thal grad so scharf ist wie anderwärts in den
Alpen, und auf die kecken Frozzelreden der
Burschen fanden sie keine Antwort.
„Na, vroni, hiazt is aus. Hiazt wird si's
weis'n, warum'st allaweil Enzian pflücken gehst,
von weg'n dem Lois, der drob' in dera Iaga-
hütt'n steckt."
„Paß auf Mirzl, ob'st im Spieg'l net zwa,
drei Schnurrbärt siech'st-"
„Lenzi, wenn's die blamierst vor'm Stadt-
Herrn! Ui jeh-—"
„So ging's unaufhörlich hinüber, keck und
harmlos. Aber die Mirzl schwieg, die Lenzi
und die vroni und alle die andern auch. Sie
schauten nur nach der Kirchenthür.
Aus der trat endlich der Pfarrer. Ein gar
wohlbeleibter betagter Herr war es mit einem
freundlichen, gescheiten Priestergesicht, wie man
es so oft bei Landgeistlichen findet. In den
Händen hielt er einen alten, scholl ganz mor-
schen Holzschrein, aus dem .er nun mit be-
hutsamen Fingern den heiligen Spiegel nahm.
Diese kostbare Reliquie erwies sich als ein ganz
gewöhnliches Stück Glas, das von einer ver-
gilbten Goldleiste eingerahmt war.
Ganz still wurde es auf dem Platz, als der
Pfarrer nun den Spiegel hochhielt, um die
Gemeinde damit zu segnen. Dann traten die
Mädeln, ungefähr zwanzig an der Zahl, eine
nach der andern vor den Spiegel, schlugen
drei Kreuze und schauten hinein.
Und siehe da — rein, ganz rein blieb das
Glas! Bei allen!
Jede Jungfrau, die ihre Prüfung bestanden,
wurde von den Burschen durch einen lauten
Iuchezer geehrt. Und als die letzte ihre Un-
schuld und Bravheit erwiesen, gab's noch einen
allgemeinen Schlußjuchezer, und die Feier war
zu Ende-
Am Nachmittag war dann im wirthshaus
großer Tanz. Mir aber ließ die Geschichte
keine Ruhe. Zwanzig Mädeln — rein wie
Spiegelglas, in den Alpen, wo die Moral stets
unter dem Nullpunkt steht — das wollte mir
nicht eingehen. Mährend also die Musikanten
im Tanzsaal ihre Instrumente stimmten und
die paare zum ersten Schleifer antraten, ging
ich zum Pfarrer hinüber.
Der saß behaglich in seiner Studierstube
und duselte in die winterliche Osterlandschaft
hinaus. Seine alte Köchin brachte mir eine
Schale Kaffee, die nichts zu wünschen übrig
ließ, und ich trug mein Anliegen vor.
Ermuthigt durch die freundliche Aufnahme,
stürzte ich mich sofort Ln rnedlas res.
Der alte Priester hörte mir lächelnd zu.
Morgen
S. Pefcoldf
„Dacht' mir's doch gleich, als ich Sie da
heute morgen sah, Sie als ungläubiger Städter
würden mich fragen kommen! Ja, ja, die Ge-
schichte verhält sich so. wie die Lenzi sie Ihnen
erzählt hat! Meine Mädeln hier im Thal sind
drum auch Alle kreuzbrav! Die Geschichte von
der Dirn, die sie einmal in der Drau gefunden
haben, kennen sie Alle! Und ich sorg' schon
dafür, daß sie sie nicht vergessen."
„Gut, das gebe ich ja zu, daß die Mädeln
hier wirklich tugendhaft sind — aus Furcht
vor dem Spiegel I Das glaub' ich ja recht gern.
Aber das mit der Muttergottes, die sich in dem
Spiegel kämmt — na, feien wir ehrlich — Hoch-
würden — I"
Der alte Herr lächelte wieder in seiner fein-
listigen Art.
„Sind Sie aber ein ungläubiger Thomas!
Ihnen muß ich es schwarz auf weiß zeigen."
Er holte aus einem kleinen Ebenholzschränk-
chen einen unheimlich dicken Schweinsleder-
folianten hervor, auf dem geschrieben stand:
„Lhronika der Pfarrkirche zum Aloysius in
Malta". Da schlug er mir denn die Stelle auf,
in der derjenige seiner Vorgänger, unter dem
sich die wundersame Historie ereignete, sie wort-
getreu ausgezeichnet hatte.
„Das war im sechzehnten Jahrhundert,"
sagte ich, „und wir leben doch heute im
zwanzigsten."
„Na," erwiderte der Pfarrer da, „weil Sie
doch nie vor meinem armen Spiegel eine
Keuschheitsprobe werden ablegen müssen, will
ich Ihnen noch etwas zeigen."
Er blätterte um ungefähr zweihundert
Jahre vor und zeigte mir eine Stelle, in der
ich Folgendes las:
„Heute, den 20. Marti! anno domini fieb-
zehnhundertzwanzigsechs bekunde ich, Hierony-
mus Hirtenthaler, wohlbestallter Pfarrer zu
St. Aloyisi, Folgendes: Aldiweil vor ohnge-
fähr drei Wochen mir aus meinen unfrommen
Händen der hochheilige Spiegel, so die Barbara
Steinhackerin gestiftet, beim Putzen ausge-
glitscht und zu meinem unexpressionablen Schreck
auf die Stein fiel und jämmerlich in Scherben
schlug, bin ich tags darauf heimlich gegen
Klagenfurt gereiset, allwo ich durch einen gar
anstelligen Meister Hab ein neues Glas ein-
schneiden lassen. Nachdem ich zur Buße mir
selber drei mal siebenundzwanzig Aves auf-
gelegt, Hab' ich am gestrigen Osterfeste Prob
unter den Dirnen gehalten, wie so der Brauch
es heischet. Die hochheilig Jungfrau aber ist
mir gnädig gewest, und ist das Spieglein rein
und makellos geblieben, so sich die Dirnen drin
beschaueten. Hat also durch die Macht des
frommen Glauben das gleiche heilige Wunder
gethan wie der heilige Spiegel selber. So
bezeuget und bekräftigt
Hieronymus Hirtenthaler, Pfarrer."
Ich dachte an das „i derf net" der Lenzi
und schaute beinahe vorwurfsvoll den alten
Geistlichen an.
Der aber lächelte sein altes Lächeln und
klappte die Lhronik zu.
„— Und hat das gleiche Wunder gethan —"
sagte er dabei.
Und während er das Buch an seinen Platz
zurückschleppte, hörten wir in der stillen Stube
vom nahen wirthshaus herüber das Stampfen
und Jauchzen der Tanzenden.-
Splitter
Mancher ist hochmüthig nicht in Folge
der Ueberschätzung seiner gegenwärtigen
Leistung, sondern im Gefühl seiner zu-
künftigen. Paul Garin
Hus der Kunstgesdncbtsstunde
Lehrerin: „(Elfe, können Sie mir ein
Gemälde von Murillo nennen?"
Höhere Tochter: „Ja, die Madonna
immatriculata!"