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Das Pantheon in Rom

müthigung gefallen ließ, offenbar, um dafür ge-
legentlich einen nützlichen Rath, einen technischen
Kniff zu erhaschen.

Eben, als Hansel mit seiner Arbeit zu Ende
war und die sauber gewaschenen Pinsel ordnungs-
mäßig durchs Daumenloch der Palette gesteckt hatte,
kam der Pole wieder zur Thüre herein. Er sah,
daß der Andere sein Tagespensum richtig wieder
von der Leinwand heruntergeschabt und an die
Wand geschmiert hatte, und sagte lachend in seiner
harten, schnarrenden Weise:

„So ist serr gut! Abkratzen, immer abkratzen!
Malt sich wunderschön auf abgeschliffene Bilder!
Wenn Sie einmal nimmer freut, kauf ich Ihnen
abP

Hansel griff zornig nach der Mallatte und der
schlanke Pole sprang nach der Thüre. Wenn der
Tiroler Ernst machte mit seiner Bauernkraft, dann
war nicht gut Kirschen essen mit ihm. Der sah
dem Boshaften mit einem fast drolligen Ausdruck
von Zorn und Schmerz nach und sagte:

„Der Hund! Und so ein schlechter Kerl hat
Talent! Jedem sonst gönn' ich sein Talent, nur
dem da nicht!"

„Vielleicht hat er gar keins, Hansel," warf ich
ein. „Talent hat man im Kopf und im Herzen,
der aber hat es blos in den Fingern!"

„Aber jedenfalls bringt der Pollack' Alles
fertig, was er will, verkauft, hat Aufträge, stellt
aus. Sogar der Prinz besucht ihn, so oft er in
hie Akademie kommt — der wenn's wüßte, was

der Barrowsky für ein feiger, ehrloser Lump ist!
Du weißt ja auch — das mit der Leni!"

Natürlich wußte ich es- Die Durlacher Leni
war ein Modell — „nur Kopfmodell" — dereu
blasses Gesicht mit den großen umschatteten Augen
auf mehr als einem Bilde von Gabriel Mar die
Leute fascinierte. Im Leben war sie ein gut-
müthiges und geistig recht beschränktes Ding und
war entweder schon Birkhofers Liebste, oder doch
im besten Zuge, es zu werden. Aber der Pole
spannte sie ihm ans, prunkte mit ihr, putzte sie
auf und suchte an ihr zu verderbeu, was zu
verderben war. Und jetzt hatte er ihr, wie wir
durch Fräulein Rosa Schnell erfahren hatten, den
Laufpaß gegeben zu Gunsten der hübschen Richetta,
eines italienischen Kostümmodells, dessen bisherige
Unnahbarkeit ihm wohl einen neuen Reiz bedeutete.

„Warum wirfst Du den Kerl, der Dir doch
nichts als Verdruß und Störung in die Stube
bringt, nicht ein für alle Male hinaus?" fragte
ich. Hansel wurde blutroth im Gesicht, wandte
sich ab und dann sagte er mit gepreßter Stimme,
der Stimme eines Menschen, der sich schämt:

„Ich kann nicht — es hat schon seinen Grund!
Lass's gut sein l" — — —

Bald darauf kamen wir auf lange aus-
einander. Erst stampfte ich ein Jahr durch über
den Exerzierplatz der Türkenkaserne, dann führte
mich eine lang ersehnte Jtalienreise von der
Heimath weg. — An einem schönen Frühsommer-
sonntag kam ich wieder und am gleichen Morgen

Rudolf von flltt

noch bin ich in der Barerstraße dem Birkhofer
Hansel begegnet. Er war nicht allein — neben
ihm schob ein weibliches Wesen einen Kinder-
wagen. Im Uebrigen sah er gut aus, war
voller geworden und der breitkrämpige Hut, den
er immer noch trug, war sauberer, als mir das
von früher her in Erinnerung war. Wir be-
grüßten uns herzlich und waren bald im Ge-
spräch. Der Frau, die schweigend den Kinderwagen
hinter uns her schob, stellte er mich nicht vor —
es war unschwer zu erkennen, daß er dies ab-
sichtlich vermied. Natürlich war eine meiner
ersten Fragen:

„Na, und was macht die Kunst?"

Ein verlegenes Lachen und dann sagte er:

„Der Kunst geht's gut!"

„lind die heilige Magdalena? Ist sie noch
in den Glaspalast gekommen?"

Wieder ein Lachen:

„Eben da hängt sie jetzt! Willst sie sehen?"

Als ich zustimmte, schickte er seine Frau „mit
dem Buben" in den schattigen Garten der Alten
Pinakothek und als sie mit einem scheuen Nicken
sich verabschiedete, erkannte ich sie — die Durlacher
Leni I Dann gingen wir dem alten Münchener
„Glaskasten" zu — Hansel, der ein seltsam kniffiges
Gesicht machte, schritt schweigsam und eilig voran.
Wir betraten die Ausstellung und endlich blieb
er vor einem Bilde stehen, das die Unterschrift
trug: -Jan von Barrowsky' und eine Wolfsjagd
in Polen vorstellte. Es war eine effektvoll und
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Rudolf v. Alt: Das Pantheon in Rom
 
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