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an und erklärte, ich müsse das unrechtmätzig erworbene Geld sofort zurückgeben

„Ich mag nicht." sage ich.

„Du mutzt. Ich wills."

Ich springe auf, lause hinaus. Papa mir nach; er erwischt mich leider und
es seht eine. Aber es gelingt mir dann doch in mein Zimmer zu entkommen, wo
ich. sicher bin. Dann hat Maina eine halbe Stunde Arbeit, mich zu trösten.
Sie versucht cs mit aller Güte: „Schau, gicb dem Kameraden das Geld zurück.
Man darf doch Niemanden betrügen. Sei lieb, Bubi. Thu doch mir folgen."

Es nützt nichts. Was soll ich ein so schönes Geschäft rückgängig machen.
Endlich versucht Mama ihren letzten Tric. „Sich, Carry, wenn Du das Geld
zurückgicbst, bekommst Du von mir dann 60 Kreuzer. Aber Du darfst dem Papa
davon nichts sagen."

Einige werden gcwitz jetzt meinen, man hätte darauf cingchn können.
Aber ich dachte mir: 60 Kreuzer vom Riminclsritz und 60 Kreuzer von Mama
macht 1 Gulden zwanzig. Wenn ich die 60 zurückgebe, bleiben mir nur noch 60.
Ich gab also nicht nach-

Da drohte Papa, er werde zum Klasscnvorstande gehn, und sich die Adresse
des Mitschülers geben lassen, um dein daS Geld selbst zurückzugcbcn. Als Papa
dies sagte, sah ich ein, datz mir nichts mehr übrig bleiben würde, als wenigstens
zum Scheine nachzugcbcn. Und ich versprach daS Geld zurückzugeben und Holle
mir die 60 Kreuzer von Mama. Natürlich gab ich in Wirklichkeit das Geld nicht
zurück. Wer wird 1 Gulden '20 Kreuzer leichtsinnig mir nichts dir nichts aus
den Händen lassen?

— Leider hat sich Papa dann doch erkundigt. Und alles kam aus. Und
der Rektor des Convicles schrieb an meinen Papa einen langen Brief, in dem
er aus das bestimmteste erklärte, ich hätte keine Spur von Charakter. Zu diesem
Urtheile berechtigte ihn mein bisheriges Benehmen in Schule und Convict, ins-
besondere aber dieses letzte betrübende Vorkommnis.

— Einige Zeit darauf brachte mich mein Vater nach Kremsinünstcr, das als
KorreklionsgyiNnasrnin einen grotzen Ruf hat. Dort, hictz eS, ivcrde auch der
grösste Thuiiichlgut gesüge, und dein erziehenden Einflüsse der Patres und der den
einzelne» Kosthäusern vorstehenden Erzieher gelinge cs, aus einem initzratheneu
Sohn einen Charakter zu bilden. Mein Vater mutz eine Freude gehabt haben,
als er dies erfuhr. Allerdings zeigte er diese aus der Fahrt nach Kremsinünstcr
nicht, sondern satz ernst neben mir im Coups und hielt mir auch, obwohl er von
der Einrichtung im Kosthause Kiesewctter sehr befriedigt schien, zum -Abschied
eine gcivaltigc Predigt, ich solle doch endlich in mich gehen und Sitte annehmcn. —

Ich gewöhnte mich bald an das Leben, lieber die Schulstunden habe ich
wenig zu erzählen. Die waren dort ebenso fad und langweilig, >vie vorher in
Seilensteltcn und später in Feldkirch und in Kalksburg. Die freie Zeit verbrachten
wir mit Hcruinklcttern im Stcinbruch hinter dem Hause, ivas doppelt interessant
war, da man es uns strengstens untersagt halle und weil die Sache wirklich
nicht ganz ungefährlich war. Ein bis zweimal in der Woche ivurde ich Iheils deshalb,
lheils wegen.anderer Dinge in die Waschküche eingcsperrt. Dies geschah mit einer
gewissen Gcsctziiiätzigkeit immer zwischen 7 und 9 Uhr Abends, manchmal, nach
einem besonders guten Streich dauerte es auch bis 10 Uhr. Dort konnte man
Papierschisschen in den grotzcn Trogen uinherschivimmen lassen, was gleich, oder
auch die in Motzen Stotzen angchäuile Wäsche ein wenig durcheinander bringen,
ivas erst am nächsten Tage nach der Entdeckung einen grotzen Spatz gab. Wer
Schneid Halle, lonnlc auch eine» der grotzen Zuber, die bis zum Rande mit Soda
und .Seifenlösung gefüllt waren ablassen: nur hietz es dabei sehr acht geben, datz
man den Stöpsel nur wenig öffnete. Bis Morgen war dann der ganze Inhalt
abgcslosscn, was sehr natürlich aussah, so, als wenn der Hahn von selbst zu
wenig geschlossen hätte. Ich lhal die-s seltener, aber ich zeigte cs Stöger Franz,
der dann oft grgtzcs Vergnügen daran Halle und cs sehr gut machte. Leider
wurde uns dies nie mehr erlaubt, nämlich den Bottich auszulasicn, was schon
zuerst verboten war, sondern datz wir zwei wie bisher zusammen eingesperrt wurden.
Er war nämlich meist der Führer bei unseren Hochtouren am Sleinbruch und
wurde dann immer sammt dem „Engländer" zur Rechenschaft gezogen.

Eines Tages hatten wir beide es in. der Waschküche zu arg getrieben und
(allerdings mit grotzer Mühe) den grötzten Bottich ganz umgekehrt. Datz frisch
geivaschcne Wäsche dabei in den Patsch siel, halten wir zivar nicht beabsichtigt,
als sie aber so recht schmutzig ivar, lachten wir doch. Frau Kiescivctlcr, an deren
heiligste Gefühle wir damit getastet, war wüthcnd darüber und wutzte es durch-
zusctzcn, datz die beiden Lausbuben — man meinte uns — das »ächstcmal —
man sprach von Mittwoch — nicht wieder zusammen in die Waschküche kommen
werden. Da Stöger Franzl bescheiden erklärt hatte, er allcin hätte es nie zu
ivcge gebracht den grotzcn Bottich umzukehren, sah man in mir den Hauptschuldigen,
und sperrte nächsten Mittwoch nur den Frauzl in die Waschküche, mich indessen
aus den Boden hinaus, >vo es auch nicht übel war.

Kaum war nämlich die Thüre hinter mir zu, sah ich mich in dem neuen
Gefängnis; etwas genauer ui». Halloh, auf einem der Kästen standen in Reih'
und Glied eine Menge, wohl 2—3 Dutzend schöner Einsudgläscr bis zum Rande
gefüllt mit eingemachten Früchten, »nie Marillen, Zwetschgen und sogar Pfirsichen.
Obenauf war ein sehr steifes hartes Pergamcntpapicr gespannt, das gewitz da
>var, um daS Verstauben des Eingesottenen unmöglich zu machen Diesen Deckel
kann man entweder ganz herabnehmen, ivcnn man die Schnur ausbindet oder
man schlägt einfach mit der Faust fest darauf, ivas viel schneller geht, Autzer-
dcin macht es einen lauten Krach. Wie cs gemacht ivird, weiß ivohl jeder von der
eigenen Familie her. Ich will dctzhalb nichts ivciler darüber schreiben, sondern
nur mittheilen, datz ich damals von das ist anderthalb Stunden, fleißig

zu arbeiten hatte, bis ich ganz satt und auch mit dem Durchcinandcrinischcn
der einzelnen Coinpote fertig war.

» Was am nächsten Tage folgte, ist unbeschreiblich. So gemeine Schiinpfworle
will ich gar nicht hier niederschreiben. Die Frau hieb mir zudem ein paar

Mein Vaterhaus

Hugo von Habermann (München)
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