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<Oir. 25

durchgesetzt hatte, sich sein Zeitalter ein wenig an-
zusehen, kam der Hof des Franzosenkönigs denn
auch gar nicht in Ketracht.

Mas hatte der junge Fürst nicht Asses ge-
sehen und erlekt öei den schimmernden Hoffesten
im Mxmphenöurger Park. Die Fürstin schlug
die Hände üöer dem Aopf zusammen, wenn er er-
zählte und manches Kräftige: Pfui Deiöek! ent-
fuhr ihr. Aöer Asses erzählte er nicht. Jum
Keifpiek, daß dort seine eheliche Treue auf harte
Proben gestellt wurde. Gs hatte sich merkwürdig
oft gefügt, daß er sich mit dem schonen, üppigen
und lustigen Hoffräulein von Megenitz zusammen-
fand, öei Jagden, Magen- und Gondelfahrten
im Park, 6ei Tänzen, Feuerwerk und Masser-
spielen. (Und wenn er sich Aöends in seine Ge-
mächer zurückzog, huschte sie ein paar Mal noch
auf dem Gang vorüker und lächelte ihn fo firenen-
haft an, daß er lange nicht einschlafen konnte. (Und
einmal an einem schwülen Tag lustwandelte er mit
ihr im Park und sie erzählte ihm Hofskandälchen.
Auch von der schönen Kadenöurg und dem großen
Schwimmbassin darin, um das oöen eine Galerie
lief, von welcher man zufehen konnte, und von
welcher der Rurfürst Map Gmanuel auch öfter
schöne Damen öelauscht haöen sollte, ehe er fromm
wurde und die Magdalenenklause zu kauen anhuk.
(Und plötzlich öekam das schöne Fräulein Lust
zu einem Kad und eilte in den Pavillon, nicht
ohne ihren fürstlichen Kegleiter lächelnd zu kitten,
er möge es ja nicht machen, wie der Uurfürst,
denn der Pavillon sei unverschlossen. Da setzte
er sich vor dem Pavisson auf eine KanK, öereit,
(jeden mit dem Degen zu durchbohren, der das
schöne Fräulein störte. Als sie nach einer halken
Stunde herauskam hatte sie einen merkwürdig
rothen Uopf für Gine, die eöen ein kühles Kad
genommen hatte und war sehr einsilöig und
mokant auf dem Heimwege. Seit dem (Nach-
mittage kam er sich am Mxmphenöurger Hofe
vor» wie ein Kauernöursche, der mit derKen Holz-
schuhen auf ein spiegelglattes Parkett gerathen
ist. Für voss nahm man ihn nicht mehr am
Hofe, das war sicher. (Und er athmete doch auf,
als er wieder heim fuhr zur guten Oharlotte.

AKer der Murm faß in ihm und fraß weiter.
Gr schämte sich. Gr war doch so gar kein Sohn
seiner ?eit. Jeder Landesvater, der etwas auf
seine (Deputation hielt , hatte fetzt seine galanten
Abenteuer, heimliche und offene, und an jedem Hofe
gaö es irgend eine schöne offizielle Favoritin.
Gr verstand fetzt erst die Kosheit jenes (Detters
von Orleans, der vor einem Jahr auf Kesuch
in Mittelöurg war und öei der Tafel auf das
Mohl des tugendhaftesten Fürstenhofes in Guropa
getrunken hatte.

Fürst Johann Theodor fing sachte an, seinen
Hof zu modernisieren. Gr ging nicht mehr im
öraunen Tuchrock aus, sondern in gesticktem Hof-
Kleid. Gr gaK Feste. Jagden wurden aögehalten,
allerhand Meit- und Fahrzeug und Gondeln für
den Parkweiher angeschafft. Ländliche Feste wur-
den veranstaltet, zu denen die Fürstin allerdings
nur Ghepaare einlud. Sie war klug und resolut,
wie ihre Ahne, merkte öald wie der Hase lief und
dachte sich zu wehren. — Gs war in ihrem zier-
lichen Klauen Salon. Der Fürst nahm öei ihr
seine Machmittagschokolade ein und sie ärgerte sich
üöer die Art. wie er anfing daöei schöne Posen
zu suchen, und den kleinen Finger zierlich zu sprei-
zen. wenn er die Tasse zum Mund führte. Ganz
wie Varl Alörecht — meinte er. Plötzlich sagte
er mit einer Stimme, üöer deren unverschämte
Festigkeit er sich selöst wunderte:

„LieKes Rind, Du wirst Dich dareinfügen
müssen, das; wir unser Leöen etwas zeitgemäßer

gestalten. Mir leöen wie Strumpfwirker, nicht
wie Landesfürsten. Ich wiss mich, nicht wieder
auslachen lassen, wenn der (Detter Orleans Kommt.
Ich will einen Hofhakt haöen, wie die Andern
auch! Ich will fürstlichen Glanz, Leöen, Grazie,
Gsprit —"

„(Und womöglich wissste auch so e Meiös-
Kild halte, Klos weil die annern Lüdrians auch
eine hawe?" rief die kleine Fürstin und fuhr
empor.

Johann Theodor nahm mit spitzen Fingern
ein Prieechen und sagte:

„Gs könnte unserm Hofe nur zur Zierde ge-
reichen, wenn eine Frau von Geist und Oharme
dieser plumpen Ukeinstädtergesellschaft von Hof-
damen zum (Doröikd diente! (Und wenn ich eine
solche Dame wüßte und an meinen Hof öeriefe-"

„Also, Du willst einfach e Mätreß hawe?
G Kleins Louis Ouinzche wissste werde? Du willst
Dei angetraute und ehröare Ghefrau verlasse um
so e Lu —"

„Ich will leöen, wie Asse leöen, unkeschadet
meiner innigen Lieöe und Verehrung zu Dir!"

,.A6er ich will nit fewe, wie die geleöt hat!"
rief die Fürstin, indes Thränen aus ihren Augen
Krachen. (Und sie deutete auf das schöne Kildniß
der Herzogin Liselotte, das üöer dem Sopha hing.
Mit üöerströmender Beredsamkeit erzählte sie, im-
mer wieder von Schluchzen unterörochen, was fene
wackere deutsche Frau in ihrer Ghe ausgehakten
hatte. Der Fürst aöer Kkieö 6ei seiner Idee. Auch
die Versicherung, daß sich die „Palatine" im Graöe
umdrehen würde, rührte ihn nicht, und die Frivolität
seiner ?eit hatte ihn schon so weit angesteckt, daß
er der Kemerkung sich nicht schämte, der guten
alten Dame könne nach zwanzigjährigem Stiss-
liegen die kleine Kewegung nur gut thun. Immer
wieder wurde das Andenken der deutschen Dul-
derin beschworen, und der Fürst nahm schließlich
seine OhoKolade nicht mehr in dem Kleinen Salon,
wo die Liselotte so strenge und ironisch von der
Mand sah. Aöer immer felsenfester sah er auch
ein, was seine Mürde verlangte. (Und eines Tages
rollte ein großer Meisewagen üöer die UatzenKöpfe
des Pflasters von Mittelöurg. und als er vor einem
netten kleinen Haufe ganz nahe am Schlosse
hielt, entstieg jenem elegant, hüösch, lächelnd und
unendlich neugierig, was da werden sollte, das Fräu-
lein von Megenitz aus München, Gs dauerte nicht
lange, da war in assen Häusern von Mittelöurg
der ungeheuerliche Skandal bekannt: die landes-
fürstliche Durchlaucht hatte eine Gekiekte! Die
Kürzer hatten es von den Lakaien, die Hofleute
zischelten miteinander darüöer und, es muß gesagt
werden: in ihre Gntrüstung und Kosheit mische
sich Gtwas wie eine Genugthuung.

Die Fürstin hatte erst viel geweint und dann
grimmig gegrollt. Gines schönen Tages erfuhr
der Fürst, daß ihm feine Gemächer im Mordflügel
des Schlosses eingerichtet feien. (Don dem bisher
bewohnten Süd-Pavlllon, in dem seine Gemahlin
ölieö. war er durch die ganze lange Orangerie ge-
trennt. Mollte er keinen Skandal, so mußte er
noch thun, als hake die ganze Geschichte er selöer
angeordnet! Gs war ihm gar nicht öehaglich öei
dieser Entwickelung der Dinge! Seit dre pikante

Münchnerin da war, hatte er Keinen freundlichen
Klick seiner guten Oharlotte mehr erhascht. Seinen
Missen hatte er nun ja und die ersehnte Favo-
ritin war auch da. Aöer im (Ueörigen kam er
mit dieser nicht weiter, als in Mxmphenkurg, und
am lieksten hätte er sie wieder nach Hause spediert.
Menn die lieöe Eitelkeit nicht gewesen wäre! Aöer
die war eöen! (Und als ihm die zürnende Thar-
lotte das mit der Ausquartierung angethan hatte,
da öefchloß er, ihr zur Strafe, aus der Geschichte
ein ernsthaftes galantes Akenteuer zu machen.
Hüösch und fündhaft genug, daß ihm das nicht
leid werden sosste, war die Megenitz ja doch!-

Drei Mächte hatte er fchon einsam im Mord-
pavisson verkracht, schlaflos, in der niederträchtig
schmalen Kettstesse, welche die grossende Fürstin
für ihn aufgetrieken hatte. (Und für heute
Macht hatte er mit der Megenitz ein Mendezvous
in der Orangerie aufs raffinierteste verakredet:

Gs war Mitternacht. Städtchen und Hof
lagen in tiefer Muhe. Mit Herzklopfen stelzte
der Landesfürst zwischen den Uükeln der Orangen-
bäume auf und ak im geisterhaften Mondschein,
der durch die öreiten Fenster hereindrang. Gin
leichtes Gruseln ükerlief ihn. Muth im Finstern
war nicht seine Sache und akergläukisch war er
wie seine ganze ?eit. In der Aufregung war
er viel zu früh gekommen und der Aufenthalt
in dem riesigen halöleeren Maum fing an, auf
seine Mieren zu wirken. Selöstvorwürfe stachelten
ihn. Das; er der guten Oharlotte. in die er
immer noch verkiekt war, solches Meh anthat!
Daß er — und ganz gegen seine Matur! —
lüderlich wurde wie die Andern, der Ludwig in
Paris — oder der Herzog von Orleans! Gr
dachte auch an die große Ahne seiner Frau, die
Liselotte, die sich im Graöe umdrehte. —

„Asse guten Geister!"

Da war sie! Ihr Gespenst natürlich! Lang-
sam, tastend, schlich eo vom Südpavisson her!
Schneeweiß von oöen öis unten! Kald Hess in
den Mondlichtstreifen, öald im Schatten kaum
erkennbar, wie Meöel! Gtwas wie ein Schlüffcl-
öund, wie ihn asse rechtschaffenen Gespenster
haöen, klirrte in seiner Hand! Das war die
Liselotte, die Kam, ihn für feine Mntreue zu
strafen! Mit einem Stoßgeket, das er vor
^ähneklappern kaum hervorkrachte, sprang er
in langen Sätzen in seinen Pavisson und riegelte
die Thür hinter sich zu. Daß das Gespenst
nach der andern Seite schreiend davon lief. Konnte
er nicht mehr wahrnehmen. — — —

Das Gespenst war freilich nicht die Liselotte
gewesen, wohl aöer deren Enkelin» die gute
Fürstin Lharlotte. die der Großmutter nicht un-
ähnlich war. Gs waren ihr reuevosse KedcnKen
gekommen, daß sie ihren Johann Theodor so
einsam da drüöen schlafen ließ und so unbewacht,
und sie hatte Keschloffen. ihn sich zurückzuholen
in tiefer Macht, wenn Asses schlief. In einem
verführerischen weißen Machtgewand wosste sie
durch die Orangerie zu ihm schleichen.

?wei Tage "später fuhr das Fräulein von
Megenitz nach München zurück und wurde mit
dem Ropffchütteln üöer Johann Theodor während
der ganzen Meise nicht fertig.

Dieser nahm wieder seine Ghokolade im ölauen
Salon. Gr saß mit dem Mücken gegen das
Kild der Liselotte. Ansehen konnte er's nicht.
Do aöer krachte er's eines Tages sogar fertig,
dort von jener Schreckenonacht zu Leichten. 1
hat es nie herauoöringen können, warum seine
Gattin damals, vor Lachen schluchzend, ihm um
den Halo fiel und auorief:

„Landeoferschtliche Durchlaucht - Du List
e kleener Schafokopp!" v* °*
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Julius Diez: Vignette
 
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