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Nr. 25

1906

Heinrich an Adolf

(vtit £tc$öiki* Verleger kündigt ein B^lch des
Anchlyrikers und, Literarhistorikers A d o f Bar t e ls
an, in welchem dieser gegen die Errichtung eines
Heine-Denkmals eifert und den strikten Beweis
liefern will, daß Heine durchaus nicht der re-
spektable Dichter war, für den man ihn bisher
gehalten hat.

„Warum sind denn die Rosen so blaß. ."
Heinrich Heine, ,Buch der Lieder*.

IDctnim denn Adolf, bist Du so blaß,

Mein Adolf, sprich warum?

U?arum entflammst Du zu heiligem l^aß
Das tentsche Publikum?

lDarum denn wird mir Deinerseits
Mein Kränchen nicht vergunnt?

IDarnm erbringst Du den Nachweis bereits,

Daß ich nicht dichten gekannt.

Marum gebarst Du ein Schinähebuch,

Statt-friedlich zu singen blos?

U?arum denn fährst Du mit Gift und Fluch
Auf einen Kollegen los?

U?arum sind, ach, Deine Verse so matt,

Da Dein Bakel so feurig doch fliegt?

M s prich ! N? a r u m h a st Du an m eine r Statt
Nicht das n i e d l i ch e K r ö n ch e n gekriegt?

Borromäus

*

Camarilla

Bei Hofe: „Die Minister werden so spreche«,
öaß man ihnen eine Bombe vor die Füße wirft,
dann können wir die Duma auseinanderjagen."

Der Bote aus der Duma: „Sie haben
die Minister mit gut durchdachten Worten so ver-
möbelt, das; man sie in einem Wascheimer weg-
tragen mußte; Bomben aber fielen nicht."

Bei Hofe (gereizt): „Wir müssen den Kaiser
bereden, daß er die Amnestie hinausschiebt, bis sie
wahnsinnig werden."

Der Bote ans der Duma: „Sie sagen,
was der Kaiser dem Volk vorenthält, mag er vor
seinem Gewissen und dem Volke selbst verant-
worten — und berathen weiter."

Bei Hofe (wüthend): „Man versage den
Bauern Land, dann muß der Aufstand kommen."

Der Bote der Duma: „Sie fordern weiter
Land für den Bauer oder vernünftige Gründe da-
für, daß man es ihnen versagt. Bomben fielen
nicht." .

Bei Hofe Verzweiflung: „Aber wie soll
man die Leute bloß reizen, wenn das alles nicht

zieht-? Oh, Geist Gapons, — — erleuchte

uns!-" f. s.

JUGEND

Der wahre d5£au8e

Die japanische Regierung theilte der Hohen
Pforte mit, daß ein „religiöser Kongreß" in Tokio
eröffnet wurde. Es heißt in dem Schreiben weiter,
daß der Mikado seit langer Zeit nach der waWn
Religion suchen lasse. . . .

Als. sich der Mikado am zweiten Juni tele-
phonisch erkundigte, wie weit die Verhandlung ge-
diehen, meldete ihm der Zeremonienmeister, der in
seinen: Aufträge den Verhandlungen beiwohnte:

„O Erhabener, sie haben viele und heftige
Reden gehalten. Und eben jetzt, da der Mnha-
medaner ausführte, daß nur der Gläubige" der
Allah verehrt, in das Paradies eingehen werde
und dort schöne Weiber und edle Rosse finde, hat
sich ei:: großer Stur::: der Entrüstung erhoben.
Und ein Superintendent aus Berlin hat geschrieen,
er danke für einen Himmel, der halb ein Freuden-
haus und halb ein Stall sei. Da haben sie den:
Muhamedaner den Schädel eingeschlagen."

„Schadeum ihn," bedauerte der Mikado. „Aber
sein Gott kann nicht der richtige gewesen sein,
sonst hätte er in einer so wichtigen Stunde seinen:
Vertreter eine härtere Schädeldecke und den Sieg
gegeben."

Als sich der Mikado am dritten Juni tele-
phonisch erkundigte, wie weit die Verhandlung ge-
diehen,. meldete ihm der Zeremonienmeister, der in
seinem Aufträge der Verhandlung beiwohnte:

„O Erhabener, sie haben viele und heftige Reden
gehalten. Und eben jetzt hat der indische Brah-
mane in begeisterten Worten das Nirwana ge-
priesen, das der heilige Buddha gelehrt, den herr-
lichen Zustand, in den: alle Leidenschaften ver-
glüh':: und verwehen. Als er aber ausführte, der
Rechtgläubige könne sich einen Vorgeschmack solcher
himmlischen Ruhe auf Erden schon erwerben, wenn
er sich, unberührt von Lärm und Lust der Welt,
aus eine Tempelschwelle setze und unausgesetzt seinen
Nabel betrachte, da entstand ein wilder Tumult.
Und der Superintendent schrie, das sei eine Schwei-
nerei und man spräche in anständiger Gesellschaft
nicht von solchen Dingen. Und sie haben den Brah-
manen nach dem Fenster gedrängt, dort ist er her-
untergefalle:: und hat sich den Hals gebrochen."

„Wie mir's um ihn leid thut!" seufzte der
Mikado. „Aber sein Gott kann der rechte nicht
sein. Sonst hätte er ihn vor solcher Niederlage
und solchen: Ende wohl zu behüten gewußt."

Dann klingelte der bekümmerte Herrscher ab.

Als sich der Mikado am vierten Juni tele-
phonisch erkundigte, wie weit die Verhandlungen
gediehen, meldete ihm der Zeremonienmeister, der
in seinem Aufträge der Verhandlung beiwohnte:

„O Erhabener, sie haben viele und heftige
Reden gehalten. Als. aber eben der Rabbiner
verlangte, Niemand solle fürder Schweinefleisch
essen, da erhob sich ein gewaltiger Entrüstungs-
sturm. Und der Superintendent aus Berlin
wetterte: es gehe den Herrn Rabbi den Teufel
an, was andere Leute äßen, und aus seinen
Worten spräche der Haß gegen die Viehzucht und

Landwirthschast überhaupt. Uud sie sollten erst
mal die Schweinerei in der Kunst uud Literatur
bekämpfen und die Grausamkeit bei::: Schächten
aufgeben. Als darauf der Rabbi zurückgab, sie
hätte:: zwar Thiere geschächtet, niemals aber
Hexen verbrannt, da schlugen ihn der römisch-
katholische und der griechisch-katholische Bischof
mit ihren Krununstäben nieder. Und der Rabbi
erlitt einen Schädelbruch und starb allsogleich."

„Der Rabbi thut mir leid," klagte der Mikado,
„es war ein friedliches, schwarzlockiges Männchen;
und er wußte so hübsche Judenwitze zu erzähle:/
Aber sein Gott kann doch nicht der rechte Gott
gewesen sein, sonst hätte er ihn wohl gerettet."

Dann klingelte der Herrscher traurig ab.

Als sich der Herrscher am fünften Juni tele-
phonisch erkundigte, wie weit die Verhandlung ge-
diehen, meldete ihm der Zeremoniennreister, der in
seinem Aufträge der Verhandlung beiwohnte:

„O Erhabener, sie haben viele und heftige Reden
gehalten. Und der griechisch-katholische Bischof
und der römisch- katholische Bischof sind über die
Echtheit des linken Fußes der heiligen Katharina,
den beide im Kirchenschatz haben wollen, so heftig
an einander gerathen, daß sie sich schließlich ge-
prügelt haben. Dabei ist aber der Eine so schwer
zu Fall gekommen, daß er alsbald verstarb. Der
Andere aber ist durch die Erregung vom Schlag
gerührt worden und war sofort tobt."

„Das- Ende der Beiden geht mir nah," sagte
der Mikado, „es waren brave, streitbare Jubel-
greise, Beide. Aber ihr Gott scheint mir doch
nicht der richtige Gott gewesen zu sein, sonst hätte
er seinen Vorkämpfer über den Andern trium-
phieren lassen."

Und sorgenvoll klingelte der Mikado ab.

Als der Mikado am sechsten Juni sich tele-
phonisch erkundigte, wie weit die Verhandlung
gediehen, meldete ihm der Zeremonienmeister der
in seinem Aufträge der Verhandlung beiwohnte:

„O Erhabener, heute ist nur der Super-
intendent aus Berlin zur Sitzung erschienen.
Denn alle andern Delegierten sind ja erledigt..

„O," rief der Mikado erfreut in das Schall-
rohr „so ist also seine Religion die richtige, die
allein wahre. Laß ihn schnell zu mir in den
Palast konunen, daß er mich und mein Volk
unterrichte."

„Majestät, das geht nicht," telephonierte der
Zeremonienmeister zurück.

„Und warum nicht, wenn icksis befehle?"

„Ja, Majestät, der Superintendent ist nämlich
telegraphisch schleunigst heimberufen und bereits
abgereist."

„Heimberufeu? — Und warum denn?"

„Ja, wenn ich recht verstanden habe, es sind
da verschiedene junge Pastoren seines Glaubens,
die diesen Glauben wieder anders predigen
und and ers auslegen. Sie halten heftige Reden
untereinander und sagen sich derbe Dinge in den
Blättern, schelten sich Ketzer und ..."

Aber der Mikado hatte abgeklingelt und hörte
nicht mehr.

Rudolf PresBei*
Register
F. S.: Camarilla
Rudolf Presber: Der wahre Glaube
Borromäus: Heinrich an Adolf
 
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