Fräukein Leoparöuo
Sduard Oüun (München)
Die eine: (mit den Fingern über die Kelche
streichend) Dn klarer, zitternder Tha»! . . .
Die andere: Die Mauern und Säulen tragen
cs .'. . auch ohne uns. . .
Die eine: (hält mit beiden Händen einen Blüthcn-
kelch und beugt ihr Gesicht über ihn): Duft, ich
trinke Dich bis zur Neige.
Die andere: Ueberflüsfig bin ich gewesen —
all die Jahre. Ein Spielzeug, eine Tändelei.
Meine Kraft mar verschwendet, mein Stolz ist
eitel. — Mond, gib inir den Glauben wieder,
daß meineKraft nothwendig war... Vollmond!...
Die eine: (entzückt) wie die Silbcrkränze auf
ihrer dunklen Decke leuchten l
Die andere: (beschwörend) Oder, wenn ich
denn ein Nichts bin, so nimm inir meine Seele,
Vollmond, damit ich cs nicht fühlel . . .
Die eine: Duft, Farbe und Glanz, ich schließe
Euch ein in diese Stunde, wie Juwelen in einen
goldenen Schrein und nehme Euch mit mir. . .
Die andere: (blickt lange aus die Schwester
hin, dann leise) . . . oder erlöse auch mich zur
Freude. . . -- — —
Die eine: (die sich erhoben und die letzten Worte
gehört hat): Schwester, siche, nun ist die Zeit da-
hin. Er hört Dich nicht mehr, er hat seine
Silberkränze eingcsammelt und hüllt sich ist seine»
Wolkenmantel. — Ich aber kehre zurück voll
Seligkeit. Ich will das Haus wieder schmücken
mit der Zier meines Leibes und freudig warten,
bis eine neue Stunde mich erlöst. (Sie begibt sich
langsam und den Blüthcn zuwinkend an ihren Platz
zurück, wo sie in der früheren Stellung allmählich
erstarrt- Der Garten liegt in Dunkelheit.)
Die böse Schwiegermutter
„Ja, lieber Schwiegersohn, ich habe auch schon
gedichtet."
„Da gehören Sie gewiß zur Schule der soge-
nannten S at an i sten?"
Jakoufreöiköer
Die Ansichten über Kunst und Sittlichkeit gehen
heutzutage bei den einzelnen Menschen so weit
auseinander, daß es für den Künstler unmöglich
scheint, jeden Geschmack und jede sittliche oder
unsittliche Weltanschauung zu befriedigen, „was
dem Einen sin Ul, ist dein Andern sin Nachtigal."
Und dieser Widerstreit der Meinungen tritt auch
zwischen den vier pfählen der kleinsten Bürger-
wohnung zu Tage und vergiftet so den Frieden
der deutschen Familie.
Der Vater sicht gern, was er der Frau und
der Tochter nicht zeigen darf, und Sohn und Töch-
tcrlcin möchten gern in Abwcsenbeit der Eltern
ihren Kunsttrieb auf andere weise befriedigen, als
es offiziell gestattet ist. von der Hausfrau ganz
zu geschweige», die als Mutter alles Nackte ver-
pönen muß, während ihr als Weib doch längst, mit
der Bibel zu reden, die Augen aufgegangen sind.
Für wen soll nun der Künstler malen? Für
m Pater? Für die Kinder in Anwesenheit der
Eitern? Für die Kinder, wenn sie ohne Aufsicht
!!" Für die Mutter? Für die oerheirathete
Hauses? Das sind wicbtige ästhetische
"NS pädagogische Fragen, um die kein Maler herum-
onnnt, wenn er sich das deutsche Hans und die
">'I che Familie erobern will. Oder gibt es hier
wirklich mir ein „Entweder-Oder"?
schien cs so. Und so wurde mit jedem
»ciie» Gemälde, das in die Familie einzndringen
»ermochtc, der Friede des Hauses gefährdet,
v" kam unser College Maler Linksrechtser
1 efreite die Kunst mit einem Schlage von
' fürchterlichen Alp, der auf ihr gelastet hat.
rninerte sich, im Zimmer seiner Großmutter
j. „Jei!cr Zalousiebildcr gesehen zu haben, die
! nach dem Standpunkt des Beschauers ein ganz
""s Portrait zeigten, und beschloß, diese Idee
für die Kunst der Gegenwart fruchtbar zu machen,
weiß der Leser, was ein Ialousiebild ist? Ein
Bild, über dem in senkrechten parallelen dünne
Blcchstäbche», die auf der rechten und der linken
Brcitscile ebenfalls bemalt sind, eine Art Gitter
bilden. Stellt man sich nun ganz gerade vor das
Bild, so sicht man von der Malerei der Stäbchen
nichts, sondern lediglich durch das Gitter der Stäbe
den Kopf oder die Landschaft, die auf dem Hintcr-
grunde gemalt ist. Stellt mau sich aber seitwärts
vom Bilde auf, so setzen sich die bemalten Seite»
der Blcchstäbchen zu einem ganz anderen Gemälde
zusammen, und zwar zu einem anderen für den
rechts und zu einem andern für den links stehenden
Beschauer, wir haben also drei Bilder in einem
Rahmen.
wie»»»? sagte sich Maler Linksrechtser, wie
nun, wen» mir modernen Meister künftig nur noch
Ialousicbilder malen würden, die denselben Gegen-
stand für drei ganz verschiedene sittliche Stand
punkte darstelltcn? Z. B. eine büßende Magdaleue,
die, von links gesehen, sich in ihrer Sünden Maien-
blüthe nackt dem Beschauer vorftcllte; von rechts
gesehen dagegen, bis ans Kinn bekleidet, als
Büßerin mit Wollstrümpfen und dicken Flanell-
»nterhose» und zudem nur als Rückeuansicht; von
vorn betrachtet endlich, die Vorderansicht derselben
Dame, doch in etwas geschmackvollerer Toilette
und leicht dekolletiert, mit der Bibel in der Hand
und einer Thräne im Auge.
Zur sittliche» Orientierung der Beschauer wäre
über dein Bilde eine Warnungstafel anzubringen
mit der Inschrift: „von links nur für Künstler
und Freimaurer; von rechts für Geistliche, Cen-
trumsabgcordnetc, Kinder unter zehn Jahren und
Spitalschwestern; von vorne für die deutsche Fa-
milie und Kunstvereins Mitglieder."
Sduard Oüun (München)
Die eine: (mit den Fingern über die Kelche
streichend) Dn klarer, zitternder Tha»! . . .
Die andere: Die Mauern und Säulen tragen
cs .'. . auch ohne uns. . .
Die eine: (hält mit beiden Händen einen Blüthcn-
kelch und beugt ihr Gesicht über ihn): Duft, ich
trinke Dich bis zur Neige.
Die andere: Ueberflüsfig bin ich gewesen —
all die Jahre. Ein Spielzeug, eine Tändelei.
Meine Kraft mar verschwendet, mein Stolz ist
eitel. — Mond, gib inir den Glauben wieder,
daß meineKraft nothwendig war... Vollmond!...
Die eine: (entzückt) wie die Silbcrkränze auf
ihrer dunklen Decke leuchten l
Die andere: (beschwörend) Oder, wenn ich
denn ein Nichts bin, so nimm inir meine Seele,
Vollmond, damit ich cs nicht fühlel . . .
Die eine: Duft, Farbe und Glanz, ich schließe
Euch ein in diese Stunde, wie Juwelen in einen
goldenen Schrein und nehme Euch mit mir. . .
Die andere: (blickt lange aus die Schwester
hin, dann leise) . . . oder erlöse auch mich zur
Freude. . . -- — —
Die eine: (die sich erhoben und die letzten Worte
gehört hat): Schwester, siche, nun ist die Zeit da-
hin. Er hört Dich nicht mehr, er hat seine
Silberkränze eingcsammelt und hüllt sich ist seine»
Wolkenmantel. — Ich aber kehre zurück voll
Seligkeit. Ich will das Haus wieder schmücken
mit der Zier meines Leibes und freudig warten,
bis eine neue Stunde mich erlöst. (Sie begibt sich
langsam und den Blüthcn zuwinkend an ihren Platz
zurück, wo sie in der früheren Stellung allmählich
erstarrt- Der Garten liegt in Dunkelheit.)
Die böse Schwiegermutter
„Ja, lieber Schwiegersohn, ich habe auch schon
gedichtet."
„Da gehören Sie gewiß zur Schule der soge-
nannten S at an i sten?"
Jakoufreöiköer
Die Ansichten über Kunst und Sittlichkeit gehen
heutzutage bei den einzelnen Menschen so weit
auseinander, daß es für den Künstler unmöglich
scheint, jeden Geschmack und jede sittliche oder
unsittliche Weltanschauung zu befriedigen, „was
dem Einen sin Ul, ist dein Andern sin Nachtigal."
Und dieser Widerstreit der Meinungen tritt auch
zwischen den vier pfählen der kleinsten Bürger-
wohnung zu Tage und vergiftet so den Frieden
der deutschen Familie.
Der Vater sicht gern, was er der Frau und
der Tochter nicht zeigen darf, und Sohn und Töch-
tcrlcin möchten gern in Abwcsenbeit der Eltern
ihren Kunsttrieb auf andere weise befriedigen, als
es offiziell gestattet ist. von der Hausfrau ganz
zu geschweige», die als Mutter alles Nackte ver-
pönen muß, während ihr als Weib doch längst, mit
der Bibel zu reden, die Augen aufgegangen sind.
Für wen soll nun der Künstler malen? Für
m Pater? Für die Kinder in Anwesenheit der
Eitern? Für die Kinder, wenn sie ohne Aufsicht
!!" Für die Mutter? Für die oerheirathete
Hauses? Das sind wicbtige ästhetische
"NS pädagogische Fragen, um die kein Maler herum-
onnnt, wenn er sich das deutsche Hans und die
">'I che Familie erobern will. Oder gibt es hier
wirklich mir ein „Entweder-Oder"?
schien cs so. Und so wurde mit jedem
»ciie» Gemälde, das in die Familie einzndringen
»ermochtc, der Friede des Hauses gefährdet,
v" kam unser College Maler Linksrechtser
1 efreite die Kunst mit einem Schlage von
' fürchterlichen Alp, der auf ihr gelastet hat.
rninerte sich, im Zimmer seiner Großmutter
j. „Jei!cr Zalousiebildcr gesehen zu haben, die
! nach dem Standpunkt des Beschauers ein ganz
""s Portrait zeigten, und beschloß, diese Idee
für die Kunst der Gegenwart fruchtbar zu machen,
weiß der Leser, was ein Ialousiebild ist? Ein
Bild, über dem in senkrechten parallelen dünne
Blcchstäbche», die auf der rechten und der linken
Brcitscile ebenfalls bemalt sind, eine Art Gitter
bilden. Stellt man sich nun ganz gerade vor das
Bild, so sicht man von der Malerei der Stäbchen
nichts, sondern lediglich durch das Gitter der Stäbe
den Kopf oder die Landschaft, die auf dem Hintcr-
grunde gemalt ist. Stellt mau sich aber seitwärts
vom Bilde auf, so setzen sich die bemalten Seite»
der Blcchstäbchen zu einem ganz anderen Gemälde
zusammen, und zwar zu einem anderen für den
rechts und zu einem andern für den links stehenden
Beschauer, wir haben also drei Bilder in einem
Rahmen.
wie»»»? sagte sich Maler Linksrechtser, wie
nun, wen» mir modernen Meister künftig nur noch
Ialousicbilder malen würden, die denselben Gegen-
stand für drei ganz verschiedene sittliche Stand
punkte darstelltcn? Z. B. eine büßende Magdaleue,
die, von links gesehen, sich in ihrer Sünden Maien-
blüthe nackt dem Beschauer vorftcllte; von rechts
gesehen dagegen, bis ans Kinn bekleidet, als
Büßerin mit Wollstrümpfen und dicken Flanell-
»nterhose» und zudem nur als Rückeuansicht; von
vorn betrachtet endlich, die Vorderansicht derselben
Dame, doch in etwas geschmackvollerer Toilette
und leicht dekolletiert, mit der Bibel in der Hand
und einer Thräne im Auge.
Zur sittliche» Orientierung der Beschauer wäre
über dein Bilde eine Warnungstafel anzubringen
mit der Inschrift: „von links nur für Künstler
und Freimaurer; von rechts für Geistliche, Cen-
trumsabgcordnetc, Kinder unter zehn Jahren und
Spitalschwestern; von vorne für die deutsche Fa-
milie und Kunstvereins Mitglieder."