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Nr. 26

JUGEND

1903

Tiroler Bergkraxler-Marterln

Von Kassian Kluibenscbadel, Tuifelemaler
II. Theil

Rurz ist das Erdenleben mir aller Freud' und (Qual,

Das mußte auch erfahren Peter Untcrkircher, weiland postoffizial.

Er that hier oben nur ein ganz klein wenig rasten

Und benützte alfodann diesen Felskamm als Briefkasten,

Um sich darin mitfammt Leib und Leben

Zur Beförderung in ein besseres Jenseits aufzugeben.

*

Theresia Wieserin, anno J$73 allda ausgeschieben,*)

Im Leben war sie eine fürchterlich böse Sieben,

Im Tode hat sie verschluckt diese Kluft mit Haut und Haar —
Man hörte sie noch schimpfen, bis sie ganz drunten war.

*

Herr Friedrich Wilhelm Meyer, Privatier aus Saxen,

Brach das G'nack sich hier und beide Haxen.

Dieweil er in einem solchen Zustand nicht mehr weiter kunnt,
Blieb er gleich für ewig in diesem Felsenschlund.

t7euee von Serenissimus

Serenissimus fährt mit Kindermann spazieren. Schon zum dritten-
mal liest er über einem Hause „Salve". Gr wird nachdenklich und sagt zu
Kindermann: „Aeh, merkwürdiger Mrt das, Kindermann, mit äh — —
soviel — — äh — Apotheken."

Gedanken eines Polizeileutnanrs

„Ick komme nich drüber hinweg: et is doch eejentlich noch viel
zu viel erlaubt in Preußen!"

Rleines Mißverftändniß

„Fräulein Marie, die Dame dort ist eine Angelsächsin."
„And hat er angebissen?"

Unrerfränkisch

„S'is schracklich, wos die Staunzer ei'm heut gestach!"
„Aber Mamma—a, man sagt doch Schnaken!"

(Erregt) „Un i sog die verreckte Staunzerlich 11"

Vov drei Uhr schon bin ich hinauf gestiegen,

Und knapp nach fünf Uhr that ich allbereits herunten liegen.
Hätt' so was ich geahnt, ich dümmstes Schaf von allen Schafen,
Dann hart' ich lieber mich gemüthlich ausgeschlafen.

*

Zwischen Latschenstauden und Kranebittbuschen
Hat mich der grimme Tod erwuschen.

O müder Erdenpilger, der Du kraxelst hier,

Ich wollt' er hätte Dich erwuschen anstatt imcl

•*£

Wanderer bekreuzige Dich mit frommer Hand

Für das Seelenheil des Niklas Troger, so im Raiscrgcbirg verschwand.
Er wird schon liegen irgendwo,

Gloria sit Domino!

*) ausgeglitten.


Ursache und Wirkung

„warum wurde Fräulein Elli von ihren Eltern verflucht?"
„Sie befand sich mit einem Male in gesegneteil Umständen."

Sin Kbenck

Sommernacht und Sterne. Aber es ist heiß wie am Mittag, und
stände man an einem hohen Fenster, so müßte man dell röthlichell Dunst
über den unzähligen Däusern sehen.

In einer Reihe liegen die Gärten, aus denen wirre Musik und Helles,
gelbes Licht strömt, hinein in die dunklen Wege des weiten, ruhigen Parkes.

Dort rasselt der Csardas einer Zigeunerbande, hier paukt die Militär-
kapelle und da zaubert ein Herr im hohen Hut mit langem, glänzenden
Taktstab die graziösen Melodien der „Herren von Maxim" herbei.

Die Zaungäste stehen und hocken dicht linb faulenzen sich die Gassen-
Hauer in den Kopf, die einem dann auf allen Straßen in die Ähren gellen.

An unserm lustigen Tische hinter dem Blumengelärlder sitzen die beide::
Lotten. Die große, blonde ausgelassener denn je, die kleinere, schwarze still

wie immer. Meine Freunde gegenüber sind be-
trunken, und Lotte ist es auch ein wenig, denn sie
verträgt kein Bier.

Ich sah sie sonst immer nur im blauen eng-
lischen Kostüm mit rundem Strohhut. Ich sehe
sie von der Seite an. Sie hat ein nrattbraunes
Gesicht voller Sommersprossen, die aber gleichsam
überleuchtet werden von ihren tiefdunklen Augen.
Die Haare trägt sie auf französische Art. Ihr
Gesicht gehört zu denen, die sozusagen immer im
Schatten sind, die einen nicht locken, sie an^sich
zu ziehen und zurückzubiegen und ihre Hellen Züge
Spur um Spur zu verfolgen. Ich betrachte nicht
ihren Mund und dann ihre Augen und dann ihre
Stirne; ich schaue wie in einen dunklen Schein.

Die blonde Lotte trinkt Ströme Bieres, singt
englische Touplets und deklamiert dazwischen Faust-
monologe. Zu dem Blitzen ihrer Brillanten er-
zählt sie von den aristokratischen Bekanntschaften
auf ihren Fahrten durch alle Studentenstädte (wo-
bei die „Ungarn" eine große Rolle spielen), um
gleich darauf nach der Musik aus der „Berliner
Luft" auf ihrem Stuhle Lake-Walk zu tanzen.
Sie bläst sich den Tigarettenrauch in die Nase und
wieder zurück. Es sieht fürchterlich aus. Die
schwarze Lotte will auch was zeigen. Sie zieht
eine Wolke Rauches in die Lunge, trinkt Bier
darauf und pustet dann den blauen Dainpf wieder
heraus. Einige haben es nicht gesehen; so wieder-
holt sie es vier- oder fünfmal, bis sie husten muß.
Der Kellner macht einige schüchterne versuche,
dem Rauchen der Damen zu widersprechen und
sie in den Rauchsalon zu bitten.

Dann stehe ich allein draußen an dem Stroin,
der hinter den Biergärten vorbeifließt. Er hält
den großen Brand von Lust und Licht und Ge-
töse auf. Die großen Kähne liegen unbeweglich
und schwarz am andern Ufer. Und ganz in der
Ferne auf dem blassen Sommernachthimmel thür-

Tnfanterie zu Pferd Max Feldbauer

Herrgott, es is doch leichter auf seinen Rekruten herumzureiten, als auf so

'nem verfluchten Schindluderl"
Register
Hans Reisiger: Ein Abend
[nicht signierter Beitrag]: Gedanken eines Polizeileutnants
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Mißverständnis
[nicht signierter Beitrag]: Unterfränkisch
[nicht signierter Beitrag]: Ursache und Wirkung
Kassian Kluibenschädl: Tiroler Bergkraxler-Marterln
[nicht signierter Beitrag]: Neues von Serenissimus
Max Feldbauer: Infanterie zu Pferd
 
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