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Hoher die „Donnerkeile" Kommen...

Ein Märchen von Hanns Holzschuhcr

Da fand ich unten am Mceresstrande diese runden,
glatten spitzigen Steine; gerade wie abgebrochene Spitzen
dünner Speere sehen sie aus. Die hat der Sturm tief aus
Meeres Grund heraufgeholt, und die Mögen haben sie dort
unten, gepeitscht von den wilden Mellen des Minder, ge-
lockert und abgebrochen.

Und manche sind noch ganz so, wie sie waren, als sie
vom Fimmel kamen.

„Seltsam" sagst Du, „vom Himmel?" Ja, ja seltsam
und doch ist es so. Ich will Dir davon erzählen:

Das ist so . . . das war so . . , aber es ist wohl schon
eine lange lange Zeit her, deshalb haben es die Menschen
vergessen, und sie vergessen gerne, was ihnen nicht mehr
in den Kram paßt — und in das grelle harte Licht ihres
Wissens und ihrer Klugheit, von der sie manchmal gar so
viel Mesens machen. Aber das grelle Licht, das keine
Schatten und heimliche Dämmerstunden hat, blendet die
Augen, deshalb laufen so viel von den Menschen mit Brillen
herum; und das viele Licht macht die Herzen der Menschen
kalt, denn es hat nicht die Märme der Sonne, und des weiten
blauen Himmels.

Das Missen der Menschen und ihre Vernunft ist kalt,
hart und grausam Drum haben die Menschen vieles ver-
gesien, was alt und ehrwürdig war, Märchen und Sagen —
und haben auch vergessen, woher diese steinernen Spitzen
kamen, und nennen sie doch noch — das sind aber nur
die ganz alten Leute mit guten Augen und den tiefen
Furchen durch das Gesicht und den weißen Haaren — und
nennen sie doch noch „Donnerkiele," das heißt zu Hochdeutsch
„Donnerkeile."

Haben das Mort auch noch dann und wann, wenn sie
gegen das Geschick unüberlegte, ohnmächtige Morte sagen, —
'.fluchen" nennen sie es, sagen „Donnerkiel noch mal!" mit
sehr wüthenden Mienen, „Donnerkiel!"

von den Donnerkeilen aber will ich erzählen.

Als die Götter noch herrschten hoch oben im Norden,
denn dort war der alte Gölterhimmel, als sie dort auf
hochgethürmten Felsstühlen saßen, und Gottvater, der „Gdin"
hieß, gehorsam waren, als die Menschen noch wußten, was
das Meer in seinem Rauschen sagt, und die Bäume im Wehen
des Windes, in Sturm und Wetter, als sie noch die seltenen
Runen lesen konnten, die in hohen Steinen hie und da
eingeschnitten sind, da war die Zeit, aus der diese steinernen
Spitzen, diese Donnerkeile stammen.

D, es ist sehr lange her, denn man wußte noch nicht
das Eisen zu schmieden, denn Feuer war selten auf Erden,
und brannle nur da und dort in unterirdischen Böhlen, die
man heute Vulkane nennt. Man wußte auch noch nichts von
den großen, häßlichen Städten, in denen, statt frischen grünen
Bäumen, graue etliche Häuser wachsen, und man wußte noch
nichts von der guten Kunst, Bücher zu drucken, und nichts
von Maschinen und Instrumenten, die das gesprochene wort
auffangen und aufbewahren — und das ist eigentlich gut —
denn wie müßten sich heute die stolzen klugen Menschen
schämen, wenn sie erführen, daß alles das, was sie als Märchen
»nd thörichte Sage verlachen und verspotten, wahr und wahr-
haftig war... und sie müßten von den zerbrechlichen Stühlen
ihrer lvcisheit heruntersteigen und doch ein bischen kleiner
sein und dcmüthiger vor dem Malten der Welt. . .

Als die Götter im hohen Norden auf den steinernen
gethürmten Stühlen saßen, da waren Tage wie heut, daß
die Menschen, die sie lenken sollten — denn so wollte es
das Meltgesctz, dem auch die Götter nnterthan waren, —
da waren Tage, wo die Götter den Menschen zürnen mußten.
Dann saß Gdin auf seinem hohen gewaltigen Felsenthron,
und um ihn herum die stolzen Vögel, seine Boten, die kühnen
Adler, und die Vögel der Weisheit mit den klugen großen
Augen, und die unheilverkündenden krächzenden Raben, dann
saß Gdin und hatte das ernste, lockenumwallte Haupt in die
Hand gestützt, und sah traurig dem Thun und Treiben der
Menschen dort unten zu, die in thörichtem Stolz über sich
hinaus wollten, und kann doch keiner über sich selbst springen,
oder den Vögeln gleich durch die Molken fliegen, oder wie
die Fische durch das llTeer schwimmen — können es heut
noch nicht ohne große schwerfällige Apparate . . .

Dann saß Gottvater da und war traurig, wenn ihm
Donar die strafenden spitzen Mnrfkeile reichte, damit er sie
wie einen Blitz zur Erde würfe, uni die Schuldigen zu troffen.
Ernst und traurig waren danii Gdiiis Augen, mit denen
er die ganze Erde überblickte, ernst und traurig sein Herz,
das von Güte und Milde sprach. —

Dann nahm er diese blitzenden Donnerkeile, an deiien
eben diese steinernen Spitzen, davon ich erzähle, befestigl
waren, — denn auch im Götterhimmel war Eisen noch
selten und kostbares Metall, — und nahm sie und wog
sie, weh lächelnd, in seiner Hand, wie ein Kind wohl den
dünnen Pfeil seiner Armbrust, der doch im Stande ist, zitternd
tu schnellem Fluge, tief in das Holz der Scheibe einzn-
dringen — zu verwunden und zu töten.

Dann hielt Gottvater diese Donnerkeile in der Hand
und hatte Mitleid mit den Menschen, denn wehe dem Frevler,
den er traf aus gewaltiger Höhe. — Und er hatte Mitleid
mit ihnen, und warf sie dicht an den Köpfen der Schuldigen
vorüber in den blitzenden Spiegel des Meeres, daß es hoch
aufschäumte in brandenden Mögen, daß Sturmwellcn das
Ufer überflutheten, daß ein gewaltiges Tosen war in den
Molken, die der Blitz zerriß, und durch die donnernden
wogen, die das Meer an das Ufer warf.

Dann wußten die Menschen, daß Gottvater zürnte,
und sie beugten das Haupt vor dem Malten der Melt, und
die Schuldigen hielten ein in ihrer That und hatten Reue. . .

Das war, als noch nicht thörichter Stolz ihr Denken
und ihren Sinn verblendete — als sie noch wußten, was
das Rauschen des Sturmes und das Wogen des Meeres
sagt, und das Singen der Bäume im Abendwind. . . .

Und daher findet man noch heute diese Spitzen, die das
Meer nach dem Sturme ans Ufer wirft. Ls sind ihrer
viele viele Tausende, und man sieht daran, wie milde
die Götter, wie milde Gottvater Gdin waltete. Denn wenn
alle diese vielen tausend steinernen Donnerkeile ihr Ziel
getroffen hätten, wo wären die Menschen und ihr Stolz, und
ihre Thorheit, mit der sie die Sagen und Märchen verachten
und verspotten. . .

Einmal ging ich am Meere mit einem lieben lieben
Menschen zusammen, dem erzählte ich davon — mir hatten es
die Mögen erzählt in einer wundervollen Vollmondnacht- denn
ich fühlte, daß einer da war, der es verstand und glaubte.

Aber ein andermal ging ich mit einem würdigen, stolzen,
gelehrten Manne, der trug viele, viele lange Titel vor
seinem Namen, die man gar nicht alle merken konnte, so
lang waren sie, und er trug eine scharfe blaue Brille, durch
die er einen gar streng und ernst ansah. . . Und wir
fanden am Ufer solche Donnerkeile und gerade als ich zu ihm
von jenen alten, längstvergangen Zeiten erzählen wollte, hatte
er schon mit einem stolzen Blick, der mich schweigen hieß,
wohl ein Dutzend furchtbarer lateinischer und griechischer
Morte gemurmelt, und viele Zahlen, Formeln und Klassen,
Abtheilungen und Systeme genannt, sprach von unsinnigen
Utärchen und versteinerten Thieren, von Petrefacten und
velriscenz, von Fossilien und Gcognosie, von Diluvialpcriodc
und Kreideschichten, — und sprach, von weiß Gott was für
Dingen, und ninrmclte viel schmerzhaft gräßliche Morte.

Ich schwieg und sah wie er stolz war, und seine
Brillengläser funkelten vor Missen und Dünkel.... und
gerade blies ihm der lustige Mind von hinten unter den
grauen Lodenkragen, daß es aussah, als blähte er sich auf
vor lauter Bücherweisheit und Wissenschaft; und die Mellen
brandeten an das Ufer, und es klang, als wenn ein Lachen
in ihnen wäre — und mit komischem Echo sagten sie die
vielen Titel des gelehrten Mannes immer hintereinander,
immer hintereinander.

Der aber warf achtlos den Donnerkeil zwischen die grünen
Algen und den Seetang, den die Meermädchen als Schmuck
im Haar tragen, und der mit vielen kleinen Muscheln und
Bernsteinstückchen am Ufer lag, aber ich schwieg und schaute
still über das weite Meer, denn ich wußte, daß er mir
nieinals etwas von dem glauben würde, was ich von den
Donnerkeilen wnßte, denn solche Leute glauben nur das, was
man mathematisch beweisen kann. was mit Zahlen und
Formeln zu sagen ist, und was sie schwarz auf weiß in
Büchern gedruckt sehen . . . Und Bücher gab es ja in jener
Zeit noch nicht, als Gottvater Gdin diese Donnerkeile vom
Himmel warf. . . Utid das ist eigentlich recht gutI

Liebe Jugend!

Als die Baronin Meyer noch ihr Verhältnis; mit dem
Maler hatte, ließ sie sich von ihm in einer mehr als ge-
wagten Pose porträtieren. — Später wurde sie wieder cr-
klusiv. nild es that ihr ungemein Leid. . . Angstvoll wartete
sie auf die Eröffnung der Kunstausstellung.

Die Ausstellung wurde eröffnet und ivieder geschlossen —
aber der Ruf der Baronin blieb intakt. Niemand von
ihren Standesgenossen mar in der Ausstellung gewesen.

Koda Koda


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