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Si tacuisses . . .

Beim letzten Historikertag in Wien,

Als Alles recht fröhlich beisammen schien,
Hat Liner, der amtlich ist abgestempelt,
Mal wieder die Presse hübsch angerempelk.

Das war der Archivdirektor Bailleu —

Der sprach von seiner Geheimrathshöh,
Verachtung in den edlen Zügen:

Die Journalisten sind es, die lügen!

Sie lügen! wenn so ein Geheimrath spricht,
Dann gibt es kein Mucksen und

Murren nicht!

Denn ein Geheimrath und zwar in Preußen,
Das ist eine Kummer, die will was heißen!

Der Journalist, das ist sein Fluch,

Muß lügen, sagt er, wie ein Buch,

Muß lügen aus unerforschlichen Gründen
Lin jeder Stand hat halt seine Sünden!

Zch kenne eine Menschenkategorie,

Die stinkt vor Dünkel — aber wie!

Und wer nicht frißt aus der Staates Krippe,
Wird schwer verachtet von ihrer Sippe!

Den hält sie für elend und vogelsrei
Und schimpft ihn — was ist auch weiter dabei?
Ls freut sich vielleicht dann ein hoher

Protektor —

Richt wahr, Herr Geheimer Archivdirektor?

„Jugend4,

#

Die Genossen und das Herrenhaus, In
den Kreisen der Genossen hatte sich ein großes
Hallo erhoben, weil dem preußischen Herrenhause
eine sozialdemokratische Petition wegen des Wahl-
rechts eingereicht wurde, die mit „hochachtungsvoll
und ergebenst" unterzeichnet war. Das ist auch un-
erhört! Wenn sich schon Genossen soweit erniedrigen
und eine Petition vor das Herrenhaus werfen, so
dürfte sie doch höchstens folgenden Wortlaut haben:
Ihr aufgeschwemmte Kapitalprotzenbande! Wir
wollen das Wahlrechts Versteht ihr uns, ihr
idiotischen Hohlschädel ihr? Kriegen wir es nicht,
dann stoßen wir euch mit unfern Stiefelabsätzen
gegen cuern aufgesoffenen Champagnerbauch, daß
eure fauligen. Gedärme herumspritzen wie eine
Düngerjauche, in die ein Stein geschmissen worden
ist, Kriegen wir aber das Wahlrecht, dann stoßen
wir euch vor euern entgegengesetzten Theil, daß
ihr drei Wochen lang nicht sitzen könnt. Und nun
seht euch einmal unsre Buckel an, damit ihr wißt,
wo ihr dann entlang zu rutschen habt, ihr speichel-
leckerischen Lakaien ihr! Wir wollen das Wahlrecht,
blödsinniges Gesindel! Verachtungsvoll und voll
Ekel — hier folgen die Unterschriften,

Der Massenstreik-lKampfhahn vor —■

Liebet eure Feinde! In Berlin leben die
Leute recht uneinig; von Bruderliebe spürt man
nicht viel. Der Regierungsrath Martin, der die
russischen Finanzen der Vergangenheit, der Gegen-
wart und der Zukunft genau kennt, hat einen
Redakteur verklagt, der ihn als einen Mitgiftjäger
dargestellt hatte, Herr Bergmann, der das Rein
hardt'sche Deutsche Theater angegriffen hatte, ver-
klagte Herrn Jakobsohn, der ihn deßhalb geschmäht
hatte. Beide Verhandlungen wurden vertagt; indem
erste» Prozeß sollen zwei Kommerzienrathstöchter, in
dem zweiten mehrere Zeugen der Reinhardt'schen
Kunst vernommen werden, — Ist denn da kein Ver-
gleich möglich? Wir schlagen Folgendes vor: Herr
Reinhardt engagiert Herrn Martin als Statistiker
und finanziellen Berather. Herr Bergmann schreibt
ihn: ein Stück, in dem zwei Komnierzienraths-
töchter auftreten, die von den Zeuginnen im
Martin-Prozesse echt dargestellt werden; den
Hintergrund bildet eine echte Martins-Wand, Herr
Jakobsohn wird wegen seines guten Gedächtnisses
als Souffleur angestellt. Die Privatklagen werden
zurückgenommen; alle Bethciligten schwören sich
ewige Freundschaft; drei von ihnen schwören noch
ein Spczialgelübde: Herr Jakobsohn das des Ge-
horsams, Herr Reinhardt das der Armuth u>zd
Herr Martin das der Keuschheit und des Cölibats,

Line Losvonschwarz-Bewegung. Die Farbe
schwarz ist plötzlich so im Kurse gesunken, daß sie
fast werthlos geworden ist; niemand ivill sie mehr
sehen, weil er fürchtet, für einen Schwarzseher ge-
halten zu werden. Infolgedessen erschien cs an-
gemessen, mehrere geographische und historische
Namen zu ändern, sowie auch einzelne andere Be-
griffe umzutaufen:

Der Mönch Berthold Schwarz ist unter denr
Namen Berthold von Roth nachträglich in den erb-
lichen Adclstand erhoben worden.

Den beiden Fürstenthümern Schwarzburg ist
die Führung des Namens Schwar.zweißburg-
Rndolstadt und Schwarzweißburg-Sondershauscn
gestattet worden.

Der schwarze Staar ist aus Preußen ausgewiesen
worden, Staarkranke haben die Wahl zwischen
dem grauen und dem grünen Staar.

Die schwarzen Blattern haben die allerhöchste
Erlaubniß erhalten, sich fortan Karmoisinblattern
nennen zu dürfen.

Der Schwarzwald hat den Namen Grünivald
oder Grunewald erhalten.

Den Jesuiten ist statt ihrer bisherigen schwarzen
Ordenstracht die rothe llniform des Leibgarde-
Husaren-Regiments verliehen worden.

Sin Monolog

Rosa Luxemburg hat ihrem Herrn und Meister
fast mit dem Maschinengewehr gedroht; noch liebt
sie ihn, aber in ihrem heißen Herzen glimmt schon
der Funke der Untreue. Der kluge Bebel thut, als
wenn er nichts merkte, aber der Zweifel nagt an
ihm, wie aus folgendem Selbstgespräch hervorgeht,
das wir neulich erlauschten:

Die Sonne geht in meinem Staat nicht unter.
Doch alles das besaß ein andrer schon,

Gehört dem Glück, — d i e R o s a n u r d c m A n g u st
Hier ist die Stelle, wo ich sterblich bin.
wenn ich einmal zu fürchten angefangen,

Hab ich zu fürchten aufgehört. Ich prüfe
Die Großen meines ganzen Hofs. Die Rosa,

Bei Gott, fängt an mir fürchterlich zu werden.
Sie reibt sich allzu gern an mir, seitdem
Sie jüngst aus Warschaus Zitadelle kam.

Ihr Blut ist heiß, warum ihr Blick so kalt? —
Mich ruft mein königliches Amt. Die Pest
Der Ketzerei steckt meine Völker an.

Der Aufruhr wächst in meinem weiten Reiche.
Ls ist die höchste Zeit. Lin schauderndes
Lxempel soll die Irrenden belehren.

Dies Strafgericht soll ohne Beispiel sein;

Mein ganzer Hof ist feierlich geladen.

Frid»

Oie bailade vom verlorenen und
wiedergefundenen Jlbbc

von Lhatenay war der Abbe,

Herr Dclarne verschwunden;

Man suchte ihn in Fern und Näh'

Und hat ihn nicht gefunden —

Kein Sherlock Holmes entdeckte ihn,

Selbst keine Somnambnlerin!

Ls unterwühlten Mensch und Thier
Das Departement der Seine —

Lin echter indischer Fakir
Lief mit und 'ne Hyäne —

Sogar ein Trüffelschnüffelschwein
Soll auch dabei gewesen sein!

Doch ach, der Pfarrer Delarue
war nirgendwo zu haben!

Da sagten sie: Er ist perdu,

Ermordet und vergraben!

Am End' erschlug ihn ein cockion
Maudit von einem francma^on?

Bald hielt ein rührsam Leichenamt
Ihm die Pfarrei voll Trauer:
verhängt mit schwarzem Tuch und Sammt
war Katafalk und Mauer;

Amtsbrüder kamen — welch ein Glück
Für feine Seele! — fünfzig Stück!

Sie hätten ihn vielleicht zuletzt
Noch gar gesprochen heilig,

Doch Delarue, das zeigt sich jetzt,

war eher gegenthcilig

Und seinen schönen Katafalk

Hat er sich nicht verdient, der Schalk!

Denn der verschwundene Abbö,

Todt war er nicht ein Bissel I
Er lebt — und zwar in wilder Lh'!

Mit seinem Schatz in Brüssel!

Da Hausen sie voll Seligkeit

Und auch der Storch ist nicht mehr weit!

Denn eben wegen dieses vieh's
lvar echappiert das Pärchen —

Ls liebte die insritrnrice

Der Pfarrer schon drei Jährchen,

Bis der Erfolg sich offenbart
Mit ahnungsvoller Gegenwart! —

werft auf den wilden Lhgemahl

Nun aber keine Steine!

wer hat die Schuld an dem Skandal?

Der Lölibat alleineI

Gebt dem Abbe ein Weib ins Haus,

Dann reißt er nimmer heimlich aus!

Pips

— und nach Mannheim
Register
[nicht signierter Beitrag]: Eine Losvonschwarz-Bewegung
Pips: Die Ballade vom verlorenen und wiedergefundenen Abbé
[nicht signierter Beitrag]: Liebet eure Feinde!
[nicht signierter Beitrag]: Die Genossen und das Herrenhaus
Redaktioneller Beitrag: Si tacuisses
Monogrammist Frosch: Der Massenstreik-Kampfhahn vor und nach Mannheim
Frido: Ein Monolog
 
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