Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
H. Bing (München)

(Bestärke MerKunz

Im Vvllm and schein die Erde, tiefverschncit.
Beschirmt vom Himmel, der aus Siriusfernen
Mit ewig wachen Augen auf sie schaut.

Die Nacht, besiegt von ihrem alten Feind,

Im tiefsten Schooß der weißen Wälder lauernd —
Und alles tot, kein Laut im weiten Rund,

Nur Glanz und Friede, eis'ger Kirchhofsfriede,

Als war der Lebensfunke ansgeglüht,

Der Jahrmillionenlang den Stoff beseelte.

Mich aber, der ich tief im stummen Forst
Auf Naubwild laure, schleicht von rückwärts her
Das Grauen an, schlagt seine spitzen Krallen
Mir ins Genick — schon rieselts mir ans Herz . .
Da klingt vom Dorf ein trauter Gruß herüber
Und bricht de» Bann.

Elf Uhr! . . . Souper! im lauschgen Wintergarten
Der Villa „Ilse" spielen die Zigeuner;

Man flirtet, kost und scherzt — jetzt legt der Graf
Dell Hermelin galant um Heidys Schultern . . .

' „Warum so still, Baronin?" . . . seine Hand
Streift ihren Nacken . . . träumend blickt sie auf .
„Wo waren Gnädigste?" . . Da lächelt sie,

Eili feines Roth färbt ihre zarten Wangen . . .

„Weit fort von hier - im Wald! Jetzt aber Graf,

Jetzt will ich lustig sein!" . . .

Die Kelche klingen, schrill wie eine Saite,

Die schwer verletzt, so hohl wie Heidys Lachen —

Mich schauerts bis ins Mark . . .

t die Kälte hat

Sich stillbeharrlich durch den Pelz gefressen . . .

Ulid wieder grüßt der Thurmuhr traute Stille
In meine Einsamkeit . . .

jetzt wiegt sie sich

An seine Brust geschmiegt im Walzertakt . . .

Verscheucht ihr Traum, erhitzt ihr jilliges Blut,

Bethört ihr Kinderherz von dem Verführer . . .

„Heidy, sei mein!" — was wird sie?

Horch, es rauscht

Im nahen Dickicht! Fauchendes Miauen!

Zwei Marder sinds! Das ewig alte Lied!

Der Brautnacht Preis auch hier —

da bricht mein Schuß

Des Grabesschweigens schaurig bangen Zauber . . .

Der hitzge Werber stürzt ■— Euch, Graf, gilts morgen!

Arthur Schubart

*aits Hahlen hatte schwarzes Haar, eine gelbliche

_Hautfarbe und eine Nase, die weit aus dem

Gesicht herausschoß. Seine Stirn stieg gerade und
hoch auf, und seine blauen Augen blickten un-
ruhig flackernd und erstaunt in die Weite. Eine
heftige Lebhaftigkeit, eine nervöse Hast war in
ihm. Nie saß er still, beständig quirlte er um-
her; es hatte den Anschein, als fluchte er fort-
während vor sich selbst. Klan erzählte zwar, das;
er zuweilen, wenn er alleine zu Hause war, still
und ruhig vor seinem Schreibtisch saß und stunden-
lang mit versonnenen Blicken gedankenvoll hinaus
in die Ferne schaute. Jemand wollte ihn sogar
einmal schluchzend an seinem Schreibtisch ange-
troffen haben; aber dergleichen unwesentliche Züge
kommen wirklich nicht in Betracht.

Hans Hahlen war ein Spaßvogel. Mit breiten,
fleischigen Händen gestikulierte er lebhaft in eckigen
Bewegungen und erzählte die seltsamsten Ge-
schichten, die gewagtesten Abenteuer, die absonder-
lichsten Anekdoten; er war von einer tiefen
Albernheit.

Linst hatte einer seiner Freunde ihm den
Namen „Hans Vuaft" gegeben. Dieser Name
hatte die Runde gemacht und war lange Zeit an
ihm haften geblieben.

» « a

Würde ich einmal heirathen — oh, das müßte
ein Fest geben. Alle Häuser der Ludmigstraße
müßten geschmückt werden mit Blumen, mit
Lilien Seerosen, arktischem Nohn und Glocken-
blumen ; dazwischen verstreut schwer duftende Tube-
rosen. Die Straße müßte bespannt werden mit

I)LNS Pakten

Von C>tto Grautoff

kostbaren, persischen Teppichen, in die mit Seide
und Silber riesenhafte Fabelthierc aestickt sind;
andere wiederum müssen eineir^dichten Wald von
Blumen und Sträuchern darstellen mit Granaten
und Lotosblumen. Wunderschöne Knaben in rothem
Sammet bilden Spalier und halten Weihrauch-
schale» in den Händen. Und dann der Hochzeits-
zug! voran zwei Knaben in weiße Seide ge-
kleidet, die an goldenen Ketten einen Löwen mit
einer nie gesehenen Mäbnc führen. Auf dreizehn
Dromedaren folgt die Kapelle; voran drei Harfen-
spieler; Haukenschläger Trompeten- und Flöten-
bläser ziehen hinterdrein. Nach einer Hause folgen
dreizehn prachtvolle Leoparden, die an unent-
wirrbar verschlungenen Ketten, in denen Türkise
aufblitzen, von abermals dreizehn blonden Jung-
frauen geführt werden. Wieder ein Zwischenraum.
Dann ziehen auf prächtigen, weißen arabischen
Hengsten, deren Schweife bis auf die Erde reichen,
Posaunenbläser vorüber, die in strahlende Silbcr-
panzer gekleidet sind. Und darauf das Braut-
paar! Auf zwei weißen Elcphantcn, deren Rüffel
in zartem Rosa auslaufen und die mit aromatische»
Gelen parfümiert sind, welche die Melancholie
aus der Seele bannen sollen, muß das Brautpaar
reiten. Mit ihre» gntmüthigen, blauen Augen
blicken die Elcphanten verständnißvoll zur Seite;
sie ahnen sehr wohl, daß sie auf ihrem breiten
Rücken zwei festlich geschmückte Menschen hinein
in das Glück tragen.

Die Braut hat tiefschwarzes Haar, das bis
auf den weißen Rücken des Elcphanten herab-
fließt und trägt auf der Stirn einen Ricsenopal

von seltener Größe und phantastischem Farben-
spiel. Ihr Kleid ist gestickt aus Fäden von Silber
und Seide, in das milchige Kvmophenen cinge-
flochten sind; eine breite Borde von leuchtendem
Roth bildet den Saum; hinter einem Schleier ans
dünner, dämmeriger Gaze verhüllt sic ihr Gesicht.
Ich aber trage eine goldene Rüstung, besetzt mit
Karfunkeln aus glühendem Scharlach und Rubinen.
Direkt hinter uns fährt in einer Kutsche aus
lauterem Gold, bespannt mit vier Apfelschimmel»,
die von unsichtbarer Hand gelenkt werden, der
Erzpriester, ein Mann init weißem Gesicht, langem
weißen Bart, halb gntmüthigen, halb schelmischen
Augen und von sagenhaftem Alter. Hinterher
kutschiert ein Taxameter; drinnen sitzt ein Heil-
gehilfe, demüthig und mager, der mit den Armen
eine riesengroße Flasche mit brausendem Brom
umklammert hält, für den Fall, daß dem hohen
Herrn in der goldenen Kutsche einmal schlecht
werden sollte, was immerhin leicht zu befürchte»
ist, da der hohe Herr an Altersschwäche leidet . . -
* * *

Solche Geschichten erzählte Hans Hahlen.

Ein anderes Mal erzählte er:

Denken Sie, welches Abenteuer ich erlebt habe.
Horgestern fuhren Freunde von mir nach Genua-
Ich hatte versprochen, sie an den Bahnhof zu be-
gleiten, und ich war auch eine halbe Stunde vor
Abfahrt des Zuges schon auf dem Bahnhof. Da
sehe ich sie kommen, beide in Reisekostnmen, be-
packt mit Koffern, Handtaschen und Hutschachtcln-
Mir wurde bei diesem Anblick recht melancholisch
zu Muth; denn offen gestanden, ich wäre sehr

y;8
Register
Otto Grautoff: Hans Pahlen
Arthur Schubart: Gestörte Werbung
Henry Bing: Zeichnung ohne Titel
 
Annotationen