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Paul Rieth

neuester Spttjen-Roch

„Hnti-Caruso"

Bald reift er durch d' Straß'n,

Daß d' Leut' nur so flieg'n,

Bald schießt er auf d' Bauern
Aum bloß'n vergnüag'n,

Dann haut er zur Abwechslung
Durch als wia d' Hund'

Seine Leibadjutant'n —

— Aber sonst is er g'sund!

Grad weil ihm a andre
Beschäftigung fehlt,

Drum wer'n halt jetzt d' Viecher
Und d' Menschen recht 'quält.

Dös nimmt ma so g'nau net
In Serbien drunt' —

Lr spinnt halt a bißl,

— Aber sonst is er g'sund!

A. I» IS.

Jubiläumsferien

Tie preußische Regierung will mit Rücksicht
auf das am 8. Januar 1907 stattsindende Bischofs-
jubiläum des Fürstbischofs Kopp den Landtag nicht
zum 8., sondern erst zum 10. Januar berufen. Der
Reichstag hat bereits beschlossen, aus demselben
Grunde die Sitzungen nach oen Weihnachtsferien
erst zwei Tage später zu beginnen.

In der Geschäftsordnung des Reichtages und in
der Reichsverfassung sollen gleichzeitig einige dring-
ende Aeuderungeu vorgenommen werden. Jede
Sitzung des Reichstages wird durch ein von dem
Präsidenten gesprochenes lateinisches Gebet eröffnet.
Alsdann bittet der Präsident namens des Reichs-
tages den Papst telegraphisch um seinen Segen.
Die Berathungen dürfen erst nach dem Ein-
treffen dieses Segens beginnen, da sic ohne den
letzteren ohnehin nicht znm Heile des Deittschen
Reiches dienen würden. Wird — was der Himmel
verhüten möge, — der Segen verweigert, so hat
der Reichskanzler binnen 24 Stunden seinen Ab-
schied einzureichen. Damit der Gang der Reichs-
maschine nicht länger aufgehalten wird, als un-
umgänglich nöthig ist, ist der Papst verpflichtet,
binnen 72 Stunden den Nachfolger des Kanzlers
zu ernennen. Besonders verdienten Kanzlern ver-
leiht bec Papst das Barfüßer-Kreuz von Canossa.

Uebrigens will der Kultusminister am Kopp'-
schen Jubiläumstage allen preußischen Schulen
Paradeferien anbefehlen.

*

Cohtois „Rieder mit Shakespeare r

Was ward uns nicht schon Alles genommen!
Nun ist auch Shakespeare daran

gekommen.

wir lesen's und schauen uns schmerzlich an:
Auch seine Größe also ein Wahn?

Lin Wahn auch, wie uns Tolstoi lehrt,
Wenn Schiller man und Goethe ehrt! —

G diese Kritiker, sie morden
Was lieb und theuer uns geworden.

So lernten in der Schule wir:

Der Llel sei das dümmste Thier
Und habe die allerlüngsten Dhren . . .

Ich hält' es. bis heutigen Tags, beschworen.
Doch s it diese Schrift kam von Rußland her.
Glaub ich wahrhaftig auch das nicht mehr.

fifeorg Bötticher

*

Carufo: „Ibas hilft mich der Mantel, wenu
er nicht geschlitzt ist!"

Milchgroßhändler: Bei den Rühen hat
das Melken eine Grenze, beim Publikum zum
Glück nicht!"

Oer Börsenjobber spricht:

VDoju der Lärm, verehrter Herr Rören?

Ich wünscht' nur uns Jobbern — ich

bin so frei —

Daß wir so gute Geschäftsleute wären,
wie die christliche deutsche

Zentrumspartci!

Erfreuliche Neuigkeiten aus lKerkin

Nachdem Bruno Paul Direktor der König-
lichen Kunstgewerbeschule geworden, ist noch Fol-
gendes z>t nieldeu:

Bernhard Shaw, der Dichter der „Helden",
hat die Aufseherstelle für die Sicgesallee
übernommen und verkauft selbstverfaßte Erklär-
ungen der Denkmäler.

Frank Wedekind ist zum Direktor der
Königlichen Schauspiele ernannt worden mit den:
Titel „Exzellenz".

Ernst Häckel wurde Hofprediger und
Präsident des preußischen Oberkon-
s i st o r i u m s.

Gitt- und Vrindlicizkelt

Das „Deutsche Lesebuch", Gießen 1905, verbessert
eine Stelle in Herders Legende „Der gerettete Jüng-
ling", die erzählt, wie ein Jüngling, den der heilige
Johannes dem Bischof in Obhut gab, diesen täuschte
und ein Räuber wrtrde. Herder sagt: „Und die
Freiheit war ein Netz des Jünglings; — Augelockt
von süßen Schmeicheleien Ward er müßig,
kostete die Wollust, — Dann den Reiz des fröh-
lichen Betruges." Das Lesebuch setzt an Stelle des
Wortes „Wollust" das Wort „Sinnesfreudcn".
Das ist wieder einmal eine halbe Maßregel; das
Wort „Sinnesfreuden" erweckt in jedem frommen,
keuschen Leser ebenso lüsterne Vorstellungen wie
das Wort „Wollust". Hier kann nur eine radikale
Verbesserung helfen und das ist die folgende: „Und
die Freiheit war ein Netz des Jünglings; — An-
gelockt vom Schmeichelreiz des Geldes — Ward
er muthig, wandelte nach Köpenick, — Machte
dort sich schuldig des Betruges."

Das im Regierungsbezirk Wiesbaden einge-
führte „Deutsche Lesebuch für Volksschulen" ändert
in dem Gedichte: „Wenn du noch eine Mutter
hast", die folgenden Verse: „Und warst du krank,
sie pflegte dein, — Den sie mit tiefem Schmerz
geboren; — Und gaben alle dich schon auf, —
Die Mutter gab dich nicht verloren." Selbstver-
ständlich ist das Wort „geboren" geeignet, die kind-
lichen Seelen zu vergiften und dem Teufel in die
Arme zu schmeißen. Das Lesebuch sagt deßhalb:
„Und warst du krank, sie pflegte dein, — Und
schienst du schon vom Tod betroffen, — Und gaben
alle dich schon auf, — Die Mutter hört nicht auf
zu hoffen."

Diese Aenderung ist ungeschickt, weil sie den Be-
griff des Gebärens unterschlägt; er muß dem Ge-
dichte erhalten werden, aber natürlich in einer der
kindlichen Einfalt angepaßten Form.

Wir schlagen folgende Verbesserung vor: „Sie
athmete für dich nur, horch, — sie wachte Nachts
an deinem Kissen, — sie pflegte dich, um den der
Storch — sie tief einst in das Bein gebissen."
Besser wäre es freilich noch, wenn man die Be-
griffe Mutter und Kind überhaupt ausmerzte,
da sie an Z ugnng und dergl. erinnern und deßhalb
unsittlich zu nennen sind. Aus dem Gedicht
„Wenn du noch eine Mutter hast," müßte man
ein Gedicht „Wenn du noch einen Vater hast"
machen; in ihm müßte es heißen: „Er hat noch
immer väterlich — Gesorgt für die Schulmeister-
Herde. — Er hat zur rechten Zeit gebremst, —
Daß ihr Gehalt zu hoch nicht werde. — Drum
sollen Seine Exzellenz — Der Herr Kultusminister
leben — Und der Hochwohlgeborne Herr — Direktor
Schwartzkopff auch daneben!"

Wenn Lehrer und Kinder gemeinsam solche
Gedichte voll Inbrunst aufsagen, dann wird die
Soziald mokratie und die Schwarzseherei bald ans
dem Staate verschwunden sein. »ri<i„
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