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Aräukein Hotke

Wintersport

Wen» man Trübsal bläst, aus Haus gefesselt,
Wen» es draußen wie im Dampfbad nässest.
Wenn der Sturm Laternenpfähle biegt
lind vom Dach die Schlote niederschmettert,
Wenn es nebelreißt und schlackerwettert,

Daß ein Eisbär Jnstuenza kriegt —

Ja, dann stöhnt der Großstadtmensch verdrießlich:
„Hol' der Teufel diesen Winter!" schließlich!

Ach, was weiß er überhaupt vom Winter?
Fälschlich meint er, es wär' Nichts dahinter
lind in Wahrheit ist er magnifik!

Freilich nicht im Schmutz und Qualm und Dunste
llns'rer Straße», wo uns der verhunzte
Schnee als Brei umglitschert, grau und dick —
Nein! Weit außen ist er nur erfreulich,

Wo der Schnee noch glitzert weißjungfräulich!

Wie bestreut aus einer Zuckerdose
Liegt alsdann die Flur, die makellose,

Löte ei» frischgewaschncs Handtuch dort,

Weiße Polster laste» auf den Giebeln,

Trocken knarrt es unter nnsern Stiebelu —

O, dann ist es Zeit zum Wintersport!

Mit geschmiertem Schuh und wollnen Westen
Wallt man dann zu frohen Winterfeste».

Alles drängt im Bahnhof sich geschäftig.

Junge Leute, flink und wadenkräftig,

Alte auch, schon selbst bedeckt mit Schnee,
Stramme Mädels, flotte Kavalierchen —

Und am Schalter hört man: Parteukirchen
Dritter Klasse! Oder: Tegernsee!

Und vergnügt in Sportluftwahlverwandtschaft,
Rattert man im Eilzug durch die Landschaft!

Weg daun heißt's mit Pelz und Ueberziehern!
An die Füße schnallt man sich die Skiern
(Dies ist nämlich der Plural von Ski!)

Oder auch mit schmetterndem Gejodel
Zieht man auf den Wallberg seinen Rodel,

Uni herabzusause» — aber wie!

Frei von Gravitationsgesetzen

Glaubt mau sich bei solchem Niederhetzen!

Oder auch den Bobsleigh kühn benutzend,
Fliegt man — immer gleich in halben Dutzend! —
Von den Höh'n, wie ein geölter Blitz,

Oder auf des Nennwolfs schmaler Kufe
Fährt der Mensch von jeder Altersstufe,

Oder aber bäuchlings aus dem Sitz
Des Toboggan liegend, oder aber
Warm im Schlitten hinterm Orlow-Traber!

Oder ans des Rissersecs Eise

Zieht der Jüngling schwungvoll seine Kreise

Als ein Virtuos des Gleichgewichts:

Dreier, Schlinge» und Spiralen macht er,
Pirouetten, Nebgang, Rückwärts-Achter,
Spielend leicht, als wär' das Alles nichts!
Schlittschuh-Tennis, Fußball, Hockey spielt er,
Oder mit den Curlingsteinen zielt er.

Wintersport! Und frischerglühte Wangen!
Jauchzen! Fliegen! Jagen! Haschen! Fangen!
Weiße Winterwonnenwunderwelt!

Alle Stubenhocker und Philister
Hol' der Teufel! Alles, was in trister
Großstadt grämlich sich zum Ofen hält!

Aber wer dem Wintersport ergeben,

Männlein — Weiblein — hurrah!

Der soll lebe»!
Biedermeier mit ei

ü. Mökfke (München)

Der Landesvater

von Martin Beradr

„Komm auf meinen Schoß, Narr!" Der König
winkte einem Zwerge, der Grandentracht trug. Im
Menuettschritt kam er anqetänzelt, den großen
Schleifenhut zwischen zwei Fingerspitzen schaukelnd.
Des Narren gelbe Dogge kroch schwanzwedelnd
nach.

„Du bist klein, Giotto, und nicht viel breiter
denn ein Lanzcnschaft. Darum wird Dich mein
schmaler Schenkel wohl tragen können, ohne daß
mein schlagslüssiges Herz gleich lospocht!"

„Dein Schenkel ist breit..."

„Du sollst nicht so sprechen. Ich weiß, daß
mein Schenkel schmal ist. Sieh Dir Grandezzos
Beine an. Ich glaube immer, daß ihm die Leder-
hosen platzen I! Also ich will nicht solches erlogenes
Zeug von Dir hören. Sonst lasse ich Dir die
Grandentracht wieder ausziehen. So! Kran mir
ini Bart wie ein lieber Blutsfreund und höre!
Ich habe Angst, höre! Ich habe meine Ahnen
gestern überdacht. Eine lange Reihe von gekrönten
Menschen. Was war Dein Vater eigentlich, sage
rasch?"

„Schmied, ein fetter Schmied "

„Da hast Du's, fett war er. Mein Vater halte
eine Pagenfigur. Mein Großvater mütterlicherseits
halte solche Blässe im Gesicht, daß man ihn schon
mit zwanzig für eine Leiche hielt. Sieh, was ich
glaube, ist, daß ich dünnsästig bin. Ich habe
sechs Geschlechter Könige hinter mir. lind ihre
Ahnen waren auch schon Herzöge oder sonstwie
große Thiere. Die haben mir die Lebenskraft
vorweg genommen. Ich glaube, ich bin dünn-
säftig, Narr! Ich habe solches Grauen vor meinem
Leben, weil ich dünnsäftig bin, Narr!"

„Du trägst da Spitzen an Deinen Manschetten,
Philipp. Kann man sagen, daß das Gewebe nicht
halte, weil das Armband, das an Deinem Hand-
gelenk klirrt, von geschmiedetem Golde ist? Metallen
ist der Bau von Bauern und Söldnerleuten. Könige
sind zarter gewebt. Kann man darum sagen, daß
sie nicht halten? Ihr habt sechs Generationen
gehalten. Ihr werdet sieben kalten — wenn Du
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Biedermeier mit ei: Wintersport
Martin Beradt: Der Landesvater
Alfons Wölfle: Fräulein Holle
 
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