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A. Schmidhammer

Clemenceau

Ulichcl: „Ein famoser Rcrl, der Lleine! Aber als
Rultusministcr in Preußen war' er doch nicht möglich!"

Unsittlich ist auch ohne Zweifel,

Treibt Ruhhai dcl man ungeniert,

Jagt die Justitia man zum Deifcl,

Damit ein Günstling avanciert.

Das Schlimmste aber will mir fchcincn,
Das widerlichste auf der Welt,
wenn einer v o n d c n S c I b st - n i ch t - R c i n c n
Den Andern Tugen dpa uken hält

,, J ugeud"

Sdrwariseberiscbes

In Kiel ist folgendes Kabeltelegramm ein-
gelaufcn:

„Oberlandesgcrichtspräsident Spahn, Kiel,

Den Schwarzen in Deutschland senden die
Schwarzen in Afrika einen brüderlichen Gruß,
Hoch die schwarze Farbe! Ein Schwarzer verläßt
den andern nicht. Wir halten fest und treu zw
sammen, hipp hipp hurratz!

Die 500 noch im Felde stehenden Hottentotten."

vie Jäen ctes Dezember

In das Arbeitszimmer des Papstes trat der
Kardinalstaalssekretär Merry del Val.

„Heiliger Vater, Deine Feinde dringen auf
Dich ei». Frankreich wirst untere Diener aus
ihren Häusern."

„Mein Sohn, dieser Stoß trifft Uns nicht. Der
Herr wird unsere Feinde strafen,"

„Heiliger Vater, Clemenceau, der Antichrist,
hat in Deiner Nuntiatur Haussuchung abhalteu
lassen."

„Mein Sohn, sei ruhig I Die Rache ist des
Herrn,"

„Heiliger Vater, man hat Deinen Knecht, den
Monsignore Montagnini au? Frankreich hinauZ-
gejagt."

„Wehe, dreiinal wehe! Aber verzage nicht,
mein Sohn, der Herr verläßt die Seinen nicht."

„Heiliger Vater, Fürst Bülow hat dem Zen-
trum Fehde angesagt und den Reichstag aufgelöst."

Da verhüllte der heilige Vater sein Haupt und
rief schluchzend: „Auch Du, mein Sohn
Bernhard?"

vem srauleln Emmy Verrinn

sind die Lobgesänge der Berliner Kritik so zu
Kopf gestiegen, daß sie folgende lapidare Sätze
von sich gab:

„Wagner ist so pedantisch ich kann mir nicht
helfen. Tristan und Isolde — im ersten Akt ein
wundervolles Liebespaar — aber dann, so herrlich
auch die Musik ist, ödes Theater. Wagner ist es
manchmal einfach nicht gelungen, Menschen auf
die Bühne zu stellen, Wagner war eben — in
dramatischer Beziehung von Vorbildern gefangen, die
zur Zeit durch Richard Strauß' überwunden sind,"

Als Emmy Destinu nun jüngst die Salome
sang, passierte ihr ein unangenehmes Versprechen,
Ganz erfüllt von ihrer Bedeutung als musikkritische
Salondame, verlangte sie statr des Hauptes
Jochanaans den Kopf Richard Wagners!

„Gottverdimmichl" ertönte es da plötzlich aus
der Zisterne, „Daß de uff mich schimbfen dhust,
des crloobe ich der ja ganz gerne I Aber menten
Gobb in eener Anwandlung von Berversidäd ver-
kissen laß ich nich, mei giedigstes Frailein!"

Mabres Gesckicktcben

Vor dem Schalter einer Münchner Post-
Filiale steh das Publikum schon lange und
lvarlet ans den Beamten. Diesen sieht man
am T.legraphcn-Apparat sitzen, von einem
wahren Bandwurm von Papier umgeben.
Als der Apparat noch immer weiter klappert,
hört man ans dem Publikum die zaghafte Frage
eines zehnjährigen Jungen: „Onkel, das ist
wohl gewiß ein Kaisertelegramm?"

Llütbenlese cler ,,'Jugend“

Aus einem soeben erschienenen Flugblatt des
Münchner sozialdemokratischen Wahl-
Vereins: „Die bevorstehende Volksabstimmung
hat darüber zu entscheiden, ob das deutsche Volk
ferner geneigt ist, Millionen, ja Milliarden für
eine wüste Kolonialpolitik zu verschleudern
ob es seine Kinder hergeben will, damit sie im
afrikanischen Wüstenlande wüst verderben, zur Be-
friedigung der reichspreußischeil Kolonialwollust (!),
oder ob dem Tropenkoller, dem weltpolitischen
Wahnsinn, der frechen Ausbeutung der Massen,
der Verluderung (!) deutschen Volksgutes und Volks-
blutes nicht endlich ein deutliches Halt geboten
werden soll."

„Die letzten Reste spärlicher Volksrechte sollen
zerstört werden, damit auf ihrem Grabe der un-
verschämte und ungehemmte Absolutismus, der
mit dem Land- und Wassermoloch (') verschwisterte
Mordskapitalismus (!) sein rußfarbenes Banner (!)
die Flagge mit dem Totenkops (!) aufpflanzen kann,"

Sollte nicht ein heimlicher Gegner der So-
zialdemokratie dielen Stiefel zusammengeschrieben
haben? Seid auf der Hut, Sozis! Es scheinen vcr
kappte Centrumsmänner in Euren Reihen zu spuken!

Oer letzte Seclsnke äes Soldaten

Die Schlagfertigkeit unseres kseeres und unserer
Marine ist wiederum gehoben worden. Jeder An-
gehörige des ksecres und der Marine, der in der
Schlacht, beim Untergang eines Schiffes oder sonst
im Dienste das Leben verliert, hat unmittelbar
vor seinem Tode mit angespannter Aufmerksamkeit
und durchgedrückten Iknieen an die Aricgsartikel
zu denken, ksat er ein Gewehr bei sich, so HP
er dabei zu präsentieren; anderenfalls hat er mit
dem Finger an der Hosennaht stramm zu stehen.
Uebertretungen dieser Vorschriften werden mit
Arrest und im Wiederholungsfälle mit strengen:
Arrest nicht unter >-z Tagen bestraft.
Index
Redaktioneller Beitrag: Etwas für Mucker
[nicht signierter Beitrag]: Der letzte Gedanke des Soldaten
[nicht signierter Beitrag]: Blüthenlese der "Jugend"
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
[nicht signierter Beitrag]: Schwarzseherisches
[nicht signierter Beitrag]: Dem Fräulein Emmy Destinn
Monogrammist Frosch: Illustrationen zum Text "Dem Fräulein Emmy Destinn"
Arpad Schmidhammer: Clemenceau
[nicht signierter Beitrag]: Die Iden des Dezember
 
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