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Pfui! Nun steht Ihr fröstelnd da mit fahler
Wange und mit schwarzumflvrtcm Blick!

Auf dem Scheitel wird es kahl und kahler —
Langsam rutscht die Stirne zum Genick!

In der Tasche mangeln viele Thaler,

Der Humor ist unter der Kritik,

Und von raschgeknüpften Rosenbanden
Sind bloß mehr die Folgen jetzt vorhanden!

Dieses ist die richtige Verfassung,

Wo man, falscher Illusion beraubt,

All' die schnöde Tugendunterlassung
Fromm bereut, Compressen auf dem Haupt!
Wo man unter Zittern und Erblassnng
An den Teufel und die Tugend glaubt
Und cs schwört, sich wirklich jetzt zu bessern
Und sich Wein und Liebe mehr zu wässern!

Ma» erkennt, daß nicht im Karnevale
Blos der Mensch in Sünden strauchclii mag:
Eine Kette sittlicher Skandale
Ist das ganze Dasein heutzutag!

Für das Nackte, für das Liberale
Schwärmt ein glaubensloser Menschenschlag
Es gehorchen die vertrackten Biester
Nicht einmal des Centrums edlem Priester!

Daß Euch darum einst nicht mit den Hörnern
Der Herr Satan unerbittlich spießt,

Wälzt Euch in den Disteln und den Dörner»,
Wo dies Kraut am allerdicksten sprießt,

Lebt von Wasser und von Gerstenkörner»,
Statt daß Ihr den Malossol genießt
Und aufs Haupt, das keine Seife wasche,
Streut Euch Asche, Asche, Asche, Asche!

So vielleicht gelingt es Euch, zu kriechen.

Aus des Lasters schlapperigcm Sumpf,

Statt an Herz und Magen hinznsiechen,

Zu der Hölle Jokus und Triumph!

Nein und sauber werden Eure Psychen
Wieder, wie ein weißgewaschner Strumpf,

Und Ihr gleichet, Erdeuschmutzbefreite,
Meinem Bild dann auf der Umschlag-Seite.

Kriikel

O Ihr Sünder, die vier volle Wochen
Nun gelumpt in dulci jubilo,

Fühlt Jhr's tief nicht in den faulen Knochen
Gräßlich kribbelkrabbeln irgendwo?

Hat's nicht heimlich Euch ins Herz gestochen,

Wie ein ungeheurer Hölleustoh?

Was da beißt und kribbelt stets aufs Neue
2 Ihr Sünder, merkt: es ist die Reue!

Habt Ihr nicht genascht von jenen Lüsten,

Oie der deutsche Mänuerbund vcrstucht?

Hat der Blick an ausgcschnittncu Büsten
Nach vcrbot'ner Plastik nicht gesucht?

Wißt Ihr nicht von Lippen, die Euch küßte».
Standesamtlich gänzlich ungcbncht?

Schmiegte nicht um voller Hüften Ründung
Sich die Hand in molliger Verssindung?

Habt Ihr in gedämpfter Logen Dunkel
Nicht auch sonst Euch mancherlei erkeckt?

Pumptet Ihr mit zärtlichem Gemunkel
Nicht den schwarzen Domino voll Sekt,

Der mit heißem Augenblitzgefuukel
Schwerlich Euer Seelenheil bezweckt?
lind dann bei der Heimfahrt im Fiaker —

War das schon und tugendhaft und wacker?

Schweigen will ich ganz von den Quadrillen,

Wo man das Entsetzliche erlebt,

Daß zum Schauder christlicher Pupillen
Sich der Lackschuh bis zur Nase hebt!

Wo die Jndianerschreie schrillen,

Daß das keusche Trommelfell erbebt,

Und beim „Drah'n" in wüsten Wonnewirbe!»

Wilde Leiber umeinanderzwirbcln!

Ach! Und nicht allein die Frauenzimmer

Lockten zu verwerstichem Genuß

Habt Ihr nicht — es ist beinah' noch schlimmer —

Debauchiert in alkoholibus!

Schlemmtet Ihr nicht von dem Schaumtrank immer,
Den der Mensch so teuer zahlen muß,

Der sechs Mark schon kostet, wenn er schlecht ist.
Zwölf bis fünfzehn aber, wenn er echt ist?!

«CXI

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E. Schüller
Register
Krökel: Aschermittwochpredigt
Emil Schuller: Zierleiste
 
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