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Die (Verkokten

Theodor Doebner (MQnchen)

Fern von der Stadt ans einsam stillen Westen
Gehn wir dahin, entgegen der sinkenden Sonne,
Schönhcittrunkein Doch nun der Abend heranfkomnit,

Mahnst Dn zur Heinikehr.

„Laß mich nun, Liebster, nach Haus; es zankt sonst die Mutter.
Kühler weht schon die Luft und leichte Nebel
Ziehen die Hänge entlang. Ans weißem Gewölle
Leuchtet der Mond schon."

Kind, wie wird es mir schwer, Dich heute zu lassen.

Süßer durchschanerten nie mein Herz Deine Küsse,

Nie noch ruhten so warm Deine lieben Arme
Mir um den Nacken.

Hämischer Mond! Die Liebste verscheuchst Dn mir immer.
Warte, das ändert sich bald! In trauter Kammer
Hältst Dn die Fackel mir dann zu süßerer Feier,

Neidvoll erbleichend. i.edcrer

/fl?s war eine Zeit, da Me Fürsten und Städte
122 von Fett strotzten, mährend der kleine Adel
zwischen zwei währschaften Mahlzeiten eine so
lange Panse machen mußte, daß ihm unterdeß
neue Zähne nachwachsen konnten. Die Bauern
hatten bald gewittert, wie schwach den Zerren die
Faust geworden, und weigerten sich der Frohn und
des Zehnten, und so ward in manch einer Burg
die Schatztruhe zur Zerberge für ein siebenfaches
Echo, wann einer den Deckel lupfte und in die
hohle Finsternis seufzte.

In jenen Jahren gab es in Franken einen
Ritter, dessen letzter Besitz sein Durst war. Und
dieses Kapital war nicht zu löschen, obwohl der
Ritter auf Tod und Leben mit den edlen Resten
seiner und seiner Vorfahren Fechsung dawider
kämpfte, von Tag zu Tag wuchs es um Zins
und Zinseszins. Je inehr dagegen gespritzt ward,
desto wucherischer fraß das Feuer, und der Ritter
mußte vor seiner Gier endlich die Waffen strecken
und sich aus den Schrägen legen.

Ein Töchterlein nur war geblieben. Und als
das seinen Besitz musterte, waren da ein schad-
haftes Dach über dem Kopfe, ein alter Schimmel
mit roten Augen, die im Dunklen leuchteten, eine
schwarze Ziege mit schlohweißem Barte, eine
mausgraue, langhaarige Katze, ein nach reichen
Liebesspenden einsiedlerisch gestimmter blauer
Spaniolenhah», sechs wohlverspundete Krüge
Rheinwein aus des Mädchens Geburtsjahr, einem
Kometenjahr, ein Branthemd aus feinstem Linnen,
mit Purpur gestickt, und ein verbrieftes Recht
anf ein Grab in der Dorfkirche.

Zn dieser Zeit begab es sich, daß der Kaiser
den Adel zu seinein 'Beilager entbot, und ein
Zerold kain auch vor die Burg des Fräuleins
geritten zn künden, daß alle Ldleil geladen seieii,
sieh mit ihrem besten Schatze ait das Fest zu be-
geben und mit ihrem Schmucke den Glanz der
Majestäten widerznstrahlen. Die Bauern höhnten,
das Fräulein niöge bar uiid bloß anf dein Schimmel
zu Zofe reiten — so komm» in feinem Sonntags-
staate. Darob härmte sich die Schöne uiid kehrte
ihre Gewändlein »m und lim, und da war keines,
das init ihr gewachsen gewesen wäre. So maß

Oar arme 5räulein

von Victor Harduntz

Geralde zuletzt das Brautheind und das war seiner
schlanken Fülle gerecht. Uiid das arme Fräulein
weinte über seine süße Jugend, der doch nicht
einer aus der Sippe nachgiug. Auf die Achsel
steckte es eilten Strauß von Frauenschuh, den es
tagsüber im Bergwald gebuiide», ins Zaar eine
große Zagrose, und dann tat es zu dem warmen
Frühlingssturm, der den Kamin herabgefahren
kain und in der Zalle hauste, gar zärtliche und
gar wütige Zupfer. Und darüber besann sichs
auf sein Recht, in der Dorfkirche begraben zn
werden. Diese Bahrfeier durfte den unholdeil
Bauern nicht mißgönnt werden; ihre Kerzen sollten
sie opfern und über seinem Sarge eine Litanei
für die Abgestorbeneil singen müssen. Aber sterben
wollte das Maidlein den Roßmuekeii zum Torte
doch nicht, sondern sich rüsten, um es drei Tage
lang, über die Zeit der Aufbahrung, im Sarge
auszuhalten nnd dann heinilich anf und davon-
zugehen, fernen Gestppten zu, wo es im Winkel
Hausen nnd als Aschenputtel seine nnbegehrte
Fugend verschleißen koiiilte.

So zog es deiin in selbiger Nacht den Pflock
von der Stalltiire. daß Schimmel und Ziege, Katze
und Zahn freie weide fäiideii, stieg in deil Keller
und schleppte die sechs Krüge Rheinwein in die
Zalle. Uiid nachdem es fein Bettlein gerüstet,
ei» Bad gerichtet, sieh wie zur Zochzeit gewaschen,
seine Locken sorgsam gebunden nnd wieder sein
Brauthemd angetan, nahms eine Sanfeder von der
lvand, womit der Alte manchen Keiler gestreckt
nnd voreinst den Kaiser, da er noch ein junges
Prinzlein geweseil, vor einem reißenden Eberzahn
gerettet. Und damit schlug es dem erste» Krug
den Zals glatt ab, daß von dem Edelwein ein
feiner goldener Schwaden wie ein Kometen schwänz
aufduftete. Und so tat es, nachdem es den ersten bis
znr Neige geleert dem zweiten, mld so allen, nnd fiel,
voti sechs Schweifsterne» zart beglänzt, die Sanfeder
im Arm, auf sein Bettlein, und unter den Lippen
ging der Atem leise, leise, als dufte unter Rosen-
blättern eine köstliche Schale von der süßesten Traube.

Am Morgen kam ein verhlitzeltes weiblein,
das von der Armut des Fräuleins immer noch
einen Zaferbrei hatte. Und das sah mit seinen

stumpfen Augen die Schläferin, — als es einen
Schrei tat, zum greisen Dorfpfaffen humpelte und
den mit dem Kirchendiener auf den weg brachte. Der
Meßmer, den seine steifen Beine um jede» Gang
dauerten, schirrte sieh gleich vor seinen Totenkarren
nnd schleifte einen Sarg zur Burg hinan. Und
das arme Fräulein ward von den blödeti Alten
in seitiem Brautstaate in die Späne gehoben
und mitten in der Kirche aufgebahrt und die
Dorfgenossen wurden entboten, ihm die pflichtige
Kerze zu stecken.

Der wein blühte der Schönen aus allen Poren
nnd umwitterte sie mit einem so feinen Rüchlein,
daß selbst die groben Bauernnasen davon betroffen
wurden.

Jetzt, da es so unversehens gestorben, ver-
mochten sie die Erinnerung an die Güte des
Fräuleins nicht zu Boden zu bringen, wie es ihnen
bei so manchen Bresten an lveib, Kind und Vieh
liebreich beigestanden. Und in ihrer Rene gossen
sie die Fronkerzen so dick, daß die allerseligste
Jungfrau eine Freude daran gehabt haben müßte,
so begraben zu werde».

So lag es drei Tage laug, und da es immer
süßer duftete, so daß die Kirche von der Blume
des Kometenweins bis in den Glockenstnhl erfüllt
war, dachien die Bauern an die Zeiligen der Le-
geilde, über deren Fleisch die Verwesung keine
ttkaeht hat. Und^ des Dorfpfaffen arme Küche
ward in diesen Tagen zum strotzenden Speicher
für Schinken. Würste. Güggel und Spanferkel, als
müsse der geistliche Zerr wider sieben Zungerjahre
gerüstet werden. Mit solchen Spenden dankten die
Bauern seiner frommen Fürsorge, der zuliebe eine
reine Magd ans ihrer Mark gar eine himmlische
Fürbitterin zu werden vermocht hatte. Uild für
den vierten Tag, den der feierlichen Beisetzung,
schlugen sie das Kirchlein mit Maien aus und
streuten Blumen auf die Fliesen, daß es grünte
und blühte wie ein Zochzeitssaal.

In der Nacht zuvor aber erwachte die Anf-
gebahrte. Der Mond siibrrte die Kanzel und in
den Jungfernkronen früh verstorbener Mädchen
raschelte ein Mäuslein. Und als sie einen leichien
Register
Theodor Doebner: Zeichnung zum Text "Die Verlobten"
R. Lederer: Die Verlobten
Victor Hardung: Das arme Fräulein
 
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