Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
*

□er Tod hal keinen Hunger

Louis Legrand

[iouis [legrcmd

Von E. Aamiro (Paris)

„Was ich will, das will ich."

L. Lcgrand's Devise.

Megrand arbeitet seit 26 Jahren. Er ist 48 Jahre
alt. Und schon sind Hunderte von Radier-
ungen aus seiner Hand hervorgegangen, welche
ihn an die Spitze der jetzt lebenden französischen
Radierer stellen. Bekannte und bedeutende Schrift-
steller haben ihm Aufsätze gewidmet. Die Museums-
leitnng selbst schloß sich offiziell an die guten
Kritiken an und erwarb für das Museum Luxem-
bourg einige Probedrucke seines schönen Blattes:
„ökater inviolata".

Legrand wurde hauptsächlich bekannt durch
seine Seiten im Ooui-rier Framjais. Die Mit-
arbeit an dieser Zeitschrift brachte Legrand die ersten
Erfolge, doch auch bitteren Verdruß. Zwei ganz
verschiedene Kompositionen zogen ihm die Verur-
teilung des Gerichtes zu. Die eine, „Prostitution"
genannt, von der er später eine kleine Radierung
gemacht hat, ist sicherlich die ernsteste und auf-
richtigste Allegorie der unwürdigen, grausen-
erregenden Kuppelei: die andere, „Naturalismus"
betitelt, zeigt Einil Zola mit dem Zirkel die Hüften
eines Modelies messend. Eine intolerante Obrigkeit
war dem Künstler feindlich gesinnt, und da er die
ihm auferlegte Geldstrafe nicht bezahlen konnte,
wurde ihm ein Haftbefehl zugestellt, dem zufolge er
in's Gefängnis mußte. Die Spuren dieses Aben-
teuers verlieren sich heute hinter den akademischen
Palmen, womit seine Rehabilitation gekrönt wurde.

Nach dem Moulin-Rouge hat Legrand das
Theater ausgekundschaftet. Die Studien — eine
Serie von Tänzerinnen, welche er betitelt hat:
„Die Kleinen vom Ballett" — umfaßt 12 Blätter, —
ein Triumph in der Vermischung meisterlicher
Zeichnung und herrlicher Lichteffekte.

Was die Technik seiner Radierungen betrifft,
so ist sie neu und erstaunlich. Da stehen wir
einem Erfinder gegenüber, welcher das Metall und
die Säure nach unbekannten Rezepten zuberettet.
Aus diesem geheimnisvollen Gemisch weiß Legrand
die Kraft, die Weichheit und die unerwarteten

Feinheiten hervorzuholcn. Sein Strich, der kräftig,
aber doch leicht ist, paßt sich geschickt dem unendlich
verschiedenen Korn an. Er hebt die Figuren in
mächtigem Relief hervor. Oft scheint der erste
Zustand schlechthin mit Tusche auf das Papier
geworfen zu sein mit einem kurzen japanischen
Pinsel. Plötzlich, im zweiten Zustand der Platte,
erhellt eine lichte Wolke die Nacht. Dann im
dritten Zustand, ist es wie ein langsames Er-
wachen der Personen und der Sachen. Nach und
nach lösen sich die Körper, bald nackt, bald mit
schweren molligen Stoffen oder nur ganz duslig
und durchscheinend bekleidet, langsam vorsichtig aus
dem undurchsichtigen Schwarz oder dem silberigen
Grau. Und jede Stufe dieses geschickten Fort-
schrittes bildet ein kostbares künstlerisches Dokument.

Manchesmal hinwiederum gibt sich Legraud
einen plötzlichen Ruck und erreicht sein Ziel gleich
beim ersten Hieb. Und man steht erstaunt vor
diesen Wundern des schnellen Werdens, wo die
Sicherheit des Gusses augenblicklich in die kleinsten
Details eindringt.

Jedoch ist diese scheinbare Improvisation nur
Vas Resultat langen, reiflichen Nachdenkens und
des festen Vorsatzes, es gut machen zu wollen.
Den leichten Erfolg, den Modegeschmack, den
Gegenstand, welcher allen zugänglich ist, hat
Legrand stets geringgeschätzt; unbeirrt und ohne
Wanken hat er seinen Weg verfolgt, ohne einen
anderen Gedanken als den, in jeder begonnenen
Arbeit alle Hilfsmittel seiner Kunst zu erschöpfen.
Die kleinsten Blätter wie die Hauptwerke bekunden
die gleiche Mühe, das gleiche Ringen nach Ver-
vollkommnung. Er hat sie gesucht in der Linie,
in der Farbe, in dem Anordi^en der Komposition.
Selbst die Nebensache, so unbedeutend sie auch
ist, beansprucht all seine unermüdliche Sorge.
Seine Studien nach der Natur silld in der Art
gemacht, daß nichts dem Zufall überlassen bleibt.
Aber, und das ist es besonders, wodurch der
große Künstler sich offenbart, sein Auge erfaßt
das Innere der Menschen, Tiere und Sachen,
welches für so viele in der äußeren Mache ver-
loren geht.

(Ueberseyt von 51teliUo Serolzheimer, öirünchen.j

Auferstehung

Wehe in meine Seele, o Duft

frühlingskeimender Nacht,
Quill, o quill, du süßer Odem!

Ihr heiligen Säfte fröhlicher Schöpferkraft,
Die ihr die jungen Birken im

Mondenglanz wieget,
Fließet, o fließet in meine Seele.

Lenzwind, du jugendstarker Knospenbrecher,
Der du kosend die Wipfel der Bäume schüttelst,
Schüttle, o schüttle auch meine Seele,

Daß ihre verlangenden Knospen brechen
In die träumende Nacht, die frühlingslinde.
Gib, o schaffendes Wunder,

auch mir das süße Erbeben,
Gib auch meiner Seele den

Glanz schweigender Sehnsucht,
Der zu Seligkeiten drängt alle Liebenden

Frühling, Frühling, du Inbrunst

der Ewigkeiten,

Führ' meine Seele zum Tempel der Jugend,
Daß auch sie im schimmernden

Dunkel seliger Haine
Glühend öffne die jungen Blütenkelche.

Wehe in meine Seele, leuchtender Frühlingstag,
Die jauchzende Verheißung deiner Frühe,
Klinget, o klinget ihr liebelockendcn Lieder
In meine Seele, die lenzbewegte!
Durchglühe, schimmernde Königin,

Auch meine Seele mit deinem

lebendigen Glanze,
Wie du alle Gestirne durchglühst
Vom Aufgang bis zum Niedergang.
Frohjauchzend, den Lerchen gleich,

Wird sie gen Himmel sich schwingen,

Aus deinem göttlichen Born zu trinken
Ewiges LebenI

Karl GQattbw*

502
Register
E. Ramiro: Louis Legrand
Karl Mathies: Auferstehung
Louis Legrand: Der Tod hat keinen Hunger
 
Annotationen