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l/om Brunnen in Kempten G. Wrba [Dresden]

5aIdatEn-LiEdchßn

Dein fiuge fragt, wer küssen kann,
üur der Soldat ist solch ein Mann.

Drum, Mädchen, Iah Dir raten,

Lern's nur bei dem Soldaten,

Soldaten.

Und sehnst Du Dich in einen flrm
UoII mark'ger Kraft und jugendwarm,

Dann, Mädchen, Iah Dir raten,

Schmieg Dich an den Soldaten,

Soldaten.

Ist durchgetollt die Jugendzeit

Und schielst Du nach dem Hochzeitskleid,

Mein Kind, dann Iah Dir raten,

Lah ab von dem Soldaten,

Soldaten.

Doch, ist Dein Mann ein arger Wicht,

Er herzt Dich nicht, er küht Dich nicht,

Dann, Mädchen, Iah Dir raten,
fräst' Dich mit dem Soldaten,

Soldaten!

Mr.

Im Stegreif

von Paul Bulson

Todstill und weißglitzernd war die Ebene — drei niedrige Waldstreifen
lagen wie große, kauernde Tiere an gefrornen Binsenteichen. Langsam
wandte Breskow den schlechtgepntzten Schimmel, der im Schnee ganz gelb
aussah, und lugte die lange Straße hinunter nach der Extrapost, die
kommen sollte. Weit drüben, gegen die Stadt zu, hielt sein Freund Pegwitz
auf dem magern Fuchsen, unbeweglich wie eine Silhouette und äugend,
wie der Falke auf dem Zaunpfahl.

Breskow lüftete ungeduldig die schwarze Halbmaske, deren Schnur ihn
belästigte, klopfte alten Staub aus seiner flaschengrünen Pekesche und sah
nach den Doppelpistolen in den Holstern. — Die Holster waren aus ab-
geschabtem Pnrpursamt — mit braungewordener Silberstickerei, — ein
Geschenk des Herzogs von Braunschweig an Thilo von Breskow, der längst
in der Sandsteingruft auf Malsinnen schlief. Vielleicht würde er in wenigen

Wochen aus dem Schlummer geweckt, wenn Hersch Leibel krummbeinig
über die Marmorplatte schritt, über die drei goldenen Rosen des Wappens-

Dem jungen Gutsherrn ward auf einmal kalt bis in die Zähne »»d
späte Reue zerpreßte sein Herz.

Seit Taglicht lauerte er mit dem Freunde, dem es wenig anders erging,
an der Straße. Der schiefe Knecht des Posthalters hatte Botschaft gesendet.
Zweihundert Goldstücke hatten die fremden Weiber in Aufbewahrung ge'
geben, ehe sie nächtigten. Roch immer kamen sie nicht.

Um des verdammten Wechsels willen mußte nun das schöne Gut vor
die Hunde gehn — — wenn auch mit leeren Ställen und Scheuern. Der
Jud ließ nicht locker. Eine einzige gute Ernte hätte vielleicht alles in's
rechte Geleis gebracht und den redlichen Willen hatte er nun — nach

manchem tollen Jahr. Die Nachbarn warteten-aber der schmierige

Kornwucherer trieb zum Verkauf-um hundert Lujedore ging es. Die

konnte er nicht mehr bekommen.

Es war nicht nur seine Schuld. Die Franzosen lagen dem ganzen
Lande hart auf — im Sommer gab's weder Knechte noch Mägde, — die
Preise für alles und jedes waren ins unsinnige gewachsen, — viel war
niedergebrannt durch Bosheit und unvorsichtiges Hantieren. Man brauchte
nur die alte, gute Landstraße zu sehen, — wie zerstampft und knollig sie
durch die Ebene zog — von Kommißstiefeln zertreten, mit Abfall bedeckt
und aufgewühlt von Trainwagen und Geschützen. — Käme doch nur jetzt
der Güterschlächter des Weges — wie sollte er still liegen unter den Föhren,
zugedeckt mit Reisig und Schneeklumpen. — Er war wohl nicht der erste
Breskow, der fremdes Leben nahm. Aber der Jud war schlau, blieb ini
Gässel, in seinem dunklen Zimmer — und der Wechsel lag gewiß in
sichrer Hut. — Herrgott, die hundert Lujedore mußten her, — wenn auch
mit Hängen und Würgen-1

— Ganz hinten kroch ein Etwas wie Kinderspielzeug aus dem Holz,
das weiter unten die Straße umsäumte. Ein blaues Wägelchen — zwei

Hvttopferdchen-und ein Männlein in orangegelbem Röcklein auf dem

Bock.-Der Herr von und zu Breskow griff sichernd an die Maske,

stieß einen leisen Pfiff aus und kletterte behutsam in den tiefen Graben,
geduckt reitend wie ein mongolischer Kosak. Der andere Reiter verschwand
zwischen den Stämmen.

Die Glocken der Pferde klangen lustig und hell — die Räder polterten
dumpf auf den steinharten Schollen des Weges. Schläfrig hob der Postillon
die Peitsche — von Zeit zu Zeit. Rasch kamen sie sich entgegen — die
trabenden Rößlein und der langbeinige Schimmel im Graben.

Und bei der Biegung neben dem Meilenstein war Breskow mit einem
Satz auf der Straße.

„Steh! Steh, Kerl!" brüllte er heiser und kniff zielend das linke
Auge ein. Das rote, verduzte Gesicht des Postknechts lag auf der Mücke
seines Pistols. „Herunter — oder ich blas'Dich vom Bock!"

Jürgen kannte den Scherz. Er parierte rasch die beiden Klepper,
rutschte hastig vom Sitz, lief dreißig Schritt querfeldein und legte sich auf's
Gesicht. Er wollte keine bleierne Bohne zwischen die Rippen kriegen.

In der blauen Kutsche quiekte es auf und dann ertönte eine andere
Stimme, bittend und drohend. Der Reiter saß ab, wickelte den Zaum um

den linken Arm und öffnete-schußbereit. Zwei Weiber-—

es war richtig.

Die alte braunseidene Duenna lag in Ohnmacht oder tat so — —,

die andere-ei, wie bildhübsch sie war mit ihrem zornroten Kinder-

gesicht! Ihre Brauen runzelten sich herrisch und der reizende Mund war
trotzig geschürzt. Breskow zog höflich den hohen Hut und verneigte sich-

„Verzeihung, Demoiselle, wenn ich dero Bequemlichkeit derangiere! —
Sie wird mir alsbald die mitgeführten Gelder übergeben, — damit wir
zwei beide nicht unnötig aufgehalten sind —."

Er hob graziös das schwere Doppelrohr.

„Ich bin keine Demoiselle-ich bin das Fräulein von Hals-

sperg —" rief ihn das Mädchen an, „merk' er sich das vorerst--

Und vor einem Terzerol fürchte ich mich gar nicht-."

Der also Angerufene wich ein wenig zurück. Die fuhr wohl auf den
großen Winterball zum Grafen Spöhn. Unter den Wachslichtern und in
der Uniform würde sie ihn zwar nicht wieder erkennen — dennoch tat
Vorsicht not. Fort mit der Galanterie!

„Mamsell oder Serenissima — das gilt auf der Landstraße gleich,"
schrie er roh und erschrak selbst über den gemeinen Klang feiner Stimme.
„Heraus mit den Moneten! Ansonst könnte Ihr leicht noch Uebleres
arrivieren mit Ihrem hübschen Frätzchen-- Allons!"

Da befiel sie eine schreckliche Furcht und die Idee eines romantischen
Abenteuers mit ritterlichen Räubern schwand plötzlich vor der häßlichen

Wirklichkeit.-- Und Hilfe war fern, — die Duenna gab keinen Laut

von sich, der Kutscher lag resigniert und platt wie ein Frosch im
beschneiten Acker. —

Der Edelmann faßte mit verzweifelter Brutalität nach dem dünnen
Handgelenk des Mädchens. Sie schrie auf — —. „Wird's nunmehr,
meine Teure?"

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Register
Paul Busson: Im Stegreif
Mr.: Soldaten-Liedchen
Georg Wrba: Vom Brunnen in Kempten
 
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