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Nr. 27

1907


Gedichte

von Margarete Susman

Hun sinkt öes Abends rote Blutenhülle
Uon der verschneiten Felsen starrem Haupt.
Und jäh des süssen Ueberschwangs beraubt
Ragt kahl und streng der Stein in eu/’ge Stille.

Ein mitleidloses eiliges Entfärben —

Kalt rinnt es nieder vom verarmten Stein,
Ein sonnenmüder Himmel mischt darein
Den blassen Gleichmut über

Glanz und Sterben.

*

5d still die Flut, die nie ein Schiff getragen,
Ein weiches Dämmern hüllt sie gütig ein,
Kaum spiegelt sich in ihr der Sterne Schein,
Sie träumt von fernen uferlosen Tagen.

Sie träumt und ihre sanften U/ogen schwellen
Und rühren leis das ew'ge Ufer an —
Doch plötzlich bebend öffnet sich die Kahn:
Der erste Kahn berührt die scheuen Weilen.

Und rauschend teilt er sie und

stark im Dunkeln,
Die schwarze Flut kühl atemlos den Kiel,
Der sie verwundend vorwärtsdrängt

zum Ziel

— Sein Weg ein Schnitt und

seine Spur ein Funkeln.

Auf der Lauer

Von 23urPc Jenb'ins

Ich bluffe mich tu ben tiefen, umhüllenden
Schatten mtb horchte gespannt. Der Kahn bes
antiquarisch erstandenen Revolvers knackte lustig.
Oer Reiter kam rasch naher.

Oer Platz, ben ich mir ausgesucht hatte, lag
ba, wo bie Landstraße bicht an bem Wasserbehälter
vorüberführt. Line Brücke, bie an biesem Punkt
ben weg überspannte, bot mir sreunblichen Schutz
vor bem Monblicht, währenb mir bie vorsprin-
genbe Basis eines Bogens zum Stanbort biente,
von bem ans ich leicht in bie Zügel fallen konnte.
Einfach, aber hoffentlich erfolgreich!

Oer Trab würbe zu einem gemächlichen Schritt,
als bei- Reiter an bie Steigung bes Weges kam.
„lierunter vom Gaul!"

Mit anmutiger Gewanbtheit glitt ber Mann
aus bem Sattel. Nicht ber Schatten einer unter-
brückten Aufregung lag in feiner Stimme, als
er sagte: „was gibt's?"

„Finanzielle Schwierigkeiten," antwortete ich.
„©, ich verstehe," sagte er leichthin, „wollen
wir bie Lage einmal näher in Augenschein fassen?"

Ich betrachtete ihn scharf, um zu sehen, ob
er vielleicht Zeit ftnben tiub ein Derteibigmtgs«
mittel ersinnen wollte, hoch ans feinen Zügen,
bie ich unbentlich im Monblicht unterscheiben
konnte, sprach nur lebhaftes Interesse nnb sogar
eitle gewisse Freude über ein so außergewöhn-
liches Ereignis.

„Oas Gelb ist hier wie überall bes Pudels
Kern," stieß ich mürrisch hervor. „Mein Argu-
ment ist «ui, prima prima."

JUGEND

„Ich verstehe vollkommen," murmelte er ge-
bankenvoll, als ob er sich im Geiste etwas zu-
rechtlegte. Oann fuhr er mit klarer, etwas be-
fehlerischer Stimme fort:

„Gut, baß wir uns getroffen haben. Es wirb
uns beibe» zum Vorteil gereichen, stecken Sie
Ihr Kleinob in bie Tasche, wir wollen zusam-
men speisen nnb nachher bie Sache in Ruhe be-
sprechen. vermutlich sind Sie hungrig?"

Er nannte ein bekanntes, aber anspruchsloses
Restaurant im Westen ber Stabt, schlug mir vor,
ihn bort vor Ablauf einer Stunde zu treffen,
stieg gemächlich auf unb ritt baoon.

Ich steckte meine Feuerwaffe ein unb blickte
ihm nach.

Oann schüttelte ich bie Erstarrung von mir
ab, bie mich befallen hatte und lachte laut auf,
weil ich mich so leicht an ber Nase hatte herum»
führen lassen.

Doch trotz alles Spottes konnte ich ein Gefühl
nicht loswerben, baß ber Mensch seine Eintabung
tatsächlich aufrichtig gemeint hatte. Unb mich
einen Narren schimpfenb, schlug ich zögernb ben
Weg nach bem Westen ber Stabt ein.

Meine etwas verschable Kleibnng zeigte noch
ben Schick besserer Tage, unb wäre ich nicht so
unrasiert gewesen, so hätte ich gar nicht so übel
in bas Lokal gepaßt, wo ber Fremde mit mir
speisen wollte.

An der Türe des Restaurants pflanzte ich mich
auf, immer noch darauf bauend, daß man kein
falsches Spiel mit mir getrieben hatte.

Ein wagen fuhr vor. Mein Fremder stieg
ans und zahlte. Er erspähte mich sofort, trotzdem
ich mich in den Schatten gedrückt hatte, und führte
mich durch die Schwungtüren in das Lokal, wo
er einem kleinen Tisch in einer entfernten Ecke
zufteuerte.

Eine geschlagene halbe Stunde beobachtete er
schweigend mein gieriges Mahl. Ich wußte jetzt,
daß ich in ihm den blasierten Reichen sehen konnte,
der sich an einem außergewöhnlichen Zeitvertreib
ergötzte.

Schließlich legte ich mit einem nicht zu unter-
drückenden Seufzer der Befriedigung Messer und


Gabel hin. Er lehnte sich über den Tisch. k'1’*1
mir feine Rechte hin und sagte:

„Ich kann Sie nicht tadeln für das, was ~lt
getan haben."

Als ich die lfand ausstreckte, um feine Rech"
zu ergreifen, kamen unter der Brücke meine F>"S^
mit der nassen Erde des Reitwegs in &e'
rührnng.

Ich richtete mich z» einer sitzenden Stellung
empor und fuhr mit zitternder kjand über k"
feuchte, eisige Stirne.

Eine dicke Beule zeugte davon, daß der schive"
Knopf einer Reitpeitsche mit Geschick gehandha^
worden war.

(Berechtigte Uebertragung aus „TTCunfep’s Magazine'
von Mathilde Beck.)

Liebe fugend!

In San Nemo bildeten zufällig einige Rhein'
länder eine gemütliche Ecke beim Mittagessen, »N?
ein altes Ehepärchen, ein hannoverscher Landdrost
mit Gemahlin, schlossen sich an.

Oer sorglose, heitere Ton tat es den Alten
an und schon am zweiten Tage gingen sie nul
zum Frühschoppen u. s. w. (Obgleich der Land-
drost besonders liebenswürdig gegen mich war.
mußte es mir auffallen, daß er nie meinen Nanw"
aussprach, während er die Anderen unnötig viel
mit „Uerr Doktor", „perr Banptmann" u. s.
anrebete. An einem Abend kommt er ganz ver-
gnügt heran und sagt: „Ich bin glücklich, einen T i t f1
für Sie zu haben. Sehen Sie, ich habe noch »"
mit Titellosen verkehrt und es war mir deshalb
unmöglich, Ihren Namen auszusprechen, aber
ich sah eben auf einer Adresse, daß Sie Paf-
lieferant sindt Auf's Spezielle, lieber Peer
Ej of liefcrantl"

Mein Hund

von !. Lindemann-Rüßner

Mein Hund ist ein merkwürdiges Vieh. ®"'
sonderbarer Kerl, —ich glaube, eS steckt eine gefangene
Menschenseele in ihm- Er kann sogar lache"'
Ich meine damit nicht das nervöse Zucken i"'1
dem Maul, das manche Hunde an sich haben,
nein, er kann wirklich lachen; vom hellen, freudige"
Lachen, mit dem er mich bewillkommt, bis Z""'
Verlegenheitslächeln, wenn er irgend etwas geta"
hat, was er nicht tun sollte, und noch nicht weiß'
wie die Sache ausgehn wird.

Schwarz ist er. Rasse: Mops.Pudel-Pinscher
Dachs; vielleicht nicht ganz so schlimm, er
verhältnismäßig ganz anständig aus. Auge" 1)"*
er wie ein Mensch, d. h. ein treuer Me"!®'
Große, schwarzbraune Augen, die er nachdenklich
hin und her kugelt, während er seinen Kops still hält.

Und Glück hat das Geschöpf bei Weibern "
kolossal! Wenn ich in ein Restaurant gehe
ich bin nämlich Junggeselle — daun sind d"
Kellnerinnen um ihn her, wie die Fliegen "j"
den Zucker. Das kennt er schon. Er suck rulstg
mitten drin, rollt mit den Augen und läßt f1®
anbeten.

Da war vor Allem die Life, ein herziges
blutjunges Ding; zierlich und biegsam, von
zückender Figur. Unter dem krausen, lichtbram""
Haar guckten zwei Schclmenaugeu von seeleug""®
Ausdruck.
Register
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Martha Genin: Zeichnung ohne Titel
Lisbeth Lindemann geb. Küßner: Mein Hund
Burke Jenkins: Auf der Lauer
Margarete Susmann: Gedichte
 
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