Schu/abingcr Evastöchter n- BEigenhErger
„Ich verstehe nicht, wie sich eine Dame schnüren kannI Ich würde nie gin Korsett tragen!“ — „Wo solltest Du auch?"
Klassisches Zeugnis
Auf eine Anfrage, wie er über gewisse Slkk-
lichkeits-vereinler und Schnüffler denke,
erhielten wir von Fr. Th, Bischer nachfolgenden Be-
scheid :
„Lesen Sie doch mein Gedicht .Auslegung' in
den .Lyrischen Gängen'! Die drei letzten Strophen
durften ganz gut auf die Kerle passen." —
Hier sind die Verse:
Die vu entdeckst, die Jauche,
Raive Kreatur,
Kommt aus dem eignen Schlauche:
„Schmutz riecht sich selber nur,"
Doch wenn ich so betrachte,
Wie wenig ihr euch kennt,
Mit welchem Unbedachte
Ihr in die Halle rennt, —
So kann es mich ergehen,
Das Wort, das Shakespeare spricht,
Auch so zu übersetzen:
Schmutz riecht sich selber nicht.
Aktuelle Grammatik
Lteigerungsbeispiele für Positiv, Komparativ und
Superlativ.
Der Große — der Größere — der Größte.
Lärm — „Salome" von Strauß. — Umpsla-
stermig am Münchner Wittelsbacherplatz.
Tarock — Lquitationsanstalt in Hannover —
Fürst von Monaco. Inhaber hoher Vrden.
Hilfsbricfträger — Briefträger — Kultus-
minister von Spdow.
J II II i UN
Friedrich Theodor bischer
geb. 30. Juni 1SL7
Was war er? Mehr Künstler? Mehr Denker?
Ich kann es nicht sagen. Line unbeschr.ibliche,
höchst eigenartige Mischung von Beidem; von Fein-
gefühl und Phantasie einerseits, spekulativer Kraft,
überschauendem Denken, klarer und energischer
Logik andererseits. Mit dem leidenschaftlichen Be-
dürfnis und der mächtigen Fähigkeit künstlerische»
Lmpfindens und spekulativem Tiessinn zugleich
begabt.
Diese Mischung machte ihn jedenfalls zum
geborenen Aesthetiker, zu dem größten, den Deutsch-
land hervorgebracht hat. Aber er war mehr als
bloßer Aesthetiker. Lin Phisosoph. Immer Aug'
in Auge mit den letzten und höchsten Fragen, von
jedem ästhetischen Begriff aus, vom Lrhabenen,
vom Komischen ans den Weg suchend zum Welt-
problem. Der Philosoph war ihm, dem echten
Hegelianer, der höchste Mensch. Aber der Künstler,
der Dichter sicher der reichste, glücklichste. So war
er auch Künstler, vielfach freilich mehr ein innerer
Künstler, mehr erdenkend, erfindend, nacherfindend
als ausführend. Und doch gibt es kaum einen
Laut poetischer Art, den wir nicht von ihm hörten,
von der messerscharfen Satire, durch den tragischen
und lächelnden Humor hindurch bis zum reinen
und runden Klang des Liedes: „Jetzt schnaube
nur, Dampf und brause, jetzt rolle nur, Rad, und
sause" und: „Der Lrdenstoff verzehrt sich sacht
und mild, bald ists vorbei, und du- bist ganz nur
Bild_"
Aber wir dürfen den Politiker nicht vergessen,
der anno Hg im Frankfurter Parlament die Men-
schen von links und rechts „bezauberte" und dem
die heimischen Bauern für diesen „Zauber" die
Fenster einwarfen.
Ls gibt noch eine bessere Bezeichnung für
Friedrich vischer als die des Aesthetikers, des
<8r
Philosophen, des Poeten, des Politikers. Der
kleine Gelehrte mit der markigen Stirn und den
klaren Augen war, was so mancher gelehrte Pro-
fessor niemals war, ein Mann. Lin runder,
ganzer, voller Mann von starkem Willen, energisch
und strebend in jedem Zug seines Wesens, große
Forderungen an die Wirklichkeit stellend, und nicht
zum mindesten an sich selbst, knorrig und etwas
eigensinnig, aber nie kleinlich, immer die Dinge
ihrem wahren Wert nach schätzend; wohl wech
und tief empfindend und doch keine Spur von
sentimental. Keine Klagen über Gefallene und
verwundete in dem großen Kampf des Lebens,
weder dem geistigen noch dem der Völkerkriege.
Diese Kämpfe allein machen ihm das Leben groß,
lebenswert, ideal, köstlich. Mit welcher Lust hat
er gekämpft! Wie blitzt seine Klinge, wie fährt
sie sausend hernieder! Wie jucht sie das Herz
des Gegners! Lin Mann, so wie jener alte
Peter vischer, den er so gern als seinen Ahnherrn
gedacht hat. Wie der dasteht am Fuß des Se-
baldusgrabs im Schurzfell mit Meißel und Ham-
mer, auf beiden Beinen mit der ruhigen Festig-
keit des Bürgers, der weiß, daß er arbeitet und
nützt, mit der breiten, tragfähigen Schulter, mit
dem biedern, ehrenfesten Kopf.
Ich weiß nicht, ob man ein Mann sein muß,
um ein Gelehrter zu sein, aber um ein akademischer
Lehrer zu sein, sollte man es sein, vischer war
ein wundervoller Lehrer, kein Vorleser sondern ein
Sprecher, und das geringste, was er sagte, war
bedeutend, weil der ganze Mann dahinter stand.
Line Stunde von ihm war wie eine Singstunde
beim größten Meister, fördernd, hebend, aufklärend
wie sonst hundert. Lr sprach einfach und ganz
sachlich. Zuweilen blitzte das Schwert auf, zu-
weilen malte der Pinsel, zuweilen leuchtete die
große Ruhe des über den Dingen stehenden weisen,
die verstehende, verzeihende Klarheit der Vernunft,
der richtende Lrnst und der funkelnde Witz —
immer eine Persönlichkeit. Das Kleine blieb klein,
„Ich verstehe nicht, wie sich eine Dame schnüren kannI Ich würde nie gin Korsett tragen!“ — „Wo solltest Du auch?"
Klassisches Zeugnis
Auf eine Anfrage, wie er über gewisse Slkk-
lichkeits-vereinler und Schnüffler denke,
erhielten wir von Fr. Th, Bischer nachfolgenden Be-
scheid :
„Lesen Sie doch mein Gedicht .Auslegung' in
den .Lyrischen Gängen'! Die drei letzten Strophen
durften ganz gut auf die Kerle passen." —
Hier sind die Verse:
Die vu entdeckst, die Jauche,
Raive Kreatur,
Kommt aus dem eignen Schlauche:
„Schmutz riecht sich selber nur,"
Doch wenn ich so betrachte,
Wie wenig ihr euch kennt,
Mit welchem Unbedachte
Ihr in die Halle rennt, —
So kann es mich ergehen,
Das Wort, das Shakespeare spricht,
Auch so zu übersetzen:
Schmutz riecht sich selber nicht.
Aktuelle Grammatik
Lteigerungsbeispiele für Positiv, Komparativ und
Superlativ.
Der Große — der Größere — der Größte.
Lärm — „Salome" von Strauß. — Umpsla-
stermig am Münchner Wittelsbacherplatz.
Tarock — Lquitationsanstalt in Hannover —
Fürst von Monaco. Inhaber hoher Vrden.
Hilfsbricfträger — Briefträger — Kultus-
minister von Spdow.
J II II i UN
Friedrich Theodor bischer
geb. 30. Juni 1SL7
Was war er? Mehr Künstler? Mehr Denker?
Ich kann es nicht sagen. Line unbeschr.ibliche,
höchst eigenartige Mischung von Beidem; von Fein-
gefühl und Phantasie einerseits, spekulativer Kraft,
überschauendem Denken, klarer und energischer
Logik andererseits. Mit dem leidenschaftlichen Be-
dürfnis und der mächtigen Fähigkeit künstlerische»
Lmpfindens und spekulativem Tiessinn zugleich
begabt.
Diese Mischung machte ihn jedenfalls zum
geborenen Aesthetiker, zu dem größten, den Deutsch-
land hervorgebracht hat. Aber er war mehr als
bloßer Aesthetiker. Lin Phisosoph. Immer Aug'
in Auge mit den letzten und höchsten Fragen, von
jedem ästhetischen Begriff aus, vom Lrhabenen,
vom Komischen ans den Weg suchend zum Welt-
problem. Der Philosoph war ihm, dem echten
Hegelianer, der höchste Mensch. Aber der Künstler,
der Dichter sicher der reichste, glücklichste. So war
er auch Künstler, vielfach freilich mehr ein innerer
Künstler, mehr erdenkend, erfindend, nacherfindend
als ausführend. Und doch gibt es kaum einen
Laut poetischer Art, den wir nicht von ihm hörten,
von der messerscharfen Satire, durch den tragischen
und lächelnden Humor hindurch bis zum reinen
und runden Klang des Liedes: „Jetzt schnaube
nur, Dampf und brause, jetzt rolle nur, Rad, und
sause" und: „Der Lrdenstoff verzehrt sich sacht
und mild, bald ists vorbei, und du- bist ganz nur
Bild_"
Aber wir dürfen den Politiker nicht vergessen,
der anno Hg im Frankfurter Parlament die Men-
schen von links und rechts „bezauberte" und dem
die heimischen Bauern für diesen „Zauber" die
Fenster einwarfen.
Ls gibt noch eine bessere Bezeichnung für
Friedrich vischer als die des Aesthetikers, des
<8r
Philosophen, des Poeten, des Politikers. Der
kleine Gelehrte mit der markigen Stirn und den
klaren Augen war, was so mancher gelehrte Pro-
fessor niemals war, ein Mann. Lin runder,
ganzer, voller Mann von starkem Willen, energisch
und strebend in jedem Zug seines Wesens, große
Forderungen an die Wirklichkeit stellend, und nicht
zum mindesten an sich selbst, knorrig und etwas
eigensinnig, aber nie kleinlich, immer die Dinge
ihrem wahren Wert nach schätzend; wohl wech
und tief empfindend und doch keine Spur von
sentimental. Keine Klagen über Gefallene und
verwundete in dem großen Kampf des Lebens,
weder dem geistigen noch dem der Völkerkriege.
Diese Kämpfe allein machen ihm das Leben groß,
lebenswert, ideal, köstlich. Mit welcher Lust hat
er gekämpft! Wie blitzt seine Klinge, wie fährt
sie sausend hernieder! Wie jucht sie das Herz
des Gegners! Lin Mann, so wie jener alte
Peter vischer, den er so gern als seinen Ahnherrn
gedacht hat. Wie der dasteht am Fuß des Se-
baldusgrabs im Schurzfell mit Meißel und Ham-
mer, auf beiden Beinen mit der ruhigen Festig-
keit des Bürgers, der weiß, daß er arbeitet und
nützt, mit der breiten, tragfähigen Schulter, mit
dem biedern, ehrenfesten Kopf.
Ich weiß nicht, ob man ein Mann sein muß,
um ein Gelehrter zu sein, aber um ein akademischer
Lehrer zu sein, sollte man es sein, vischer war
ein wundervoller Lehrer, kein Vorleser sondern ein
Sprecher, und das geringste, was er sagte, war
bedeutend, weil der ganze Mann dahinter stand.
Line Stunde von ihm war wie eine Singstunde
beim größten Meister, fördernd, hebend, aufklärend
wie sonst hundert. Lr sprach einfach und ganz
sachlich. Zuweilen blitzte das Schwert auf, zu-
weilen malte der Pinsel, zuweilen leuchtete die
große Ruhe des über den Dingen stehenden weisen,
die verstehende, verzeihende Klarheit der Vernunft,
der richtende Lrnst und der funkelnde Witz —
immer eine Persönlichkeit. Das Kleine blieb klein,