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Dep HohEniwiEl

Rob. Engels [München]

Zwei Briefe

(“The Letter Writen and the Letter Sent”)

I.

Dienstag.

Ich werde Dir nun die Wahrheit schreiben.
Die Wahrheit, die ich fünf Jahre lang durch
Betrug, List und Lügen Dir vorenthielt. Ich
hasse Dich! Ich hasse Dich! Du widerst mich
an! Oh, welch' eine Erlösung, es endlich sagen
zu können!

Manchmal war mir's, als ob ich es hinaus-
schreien müßte. Ich tat cs nicht, — im Gegen-
teil: ich war sogar liebenswürdig und sagte oft
verliebte Dinge, — welch' ein Betrug! Das war
meine einzige Genugtuung, mein Lohn für alle
Leiden, — der Gedanke, daß ich Dich betrog und
hinterging, Dich, der Du so gern auf Deine
Welt- und Menschenkenntnis pochtest. Wie habe
ich den Gedanken geliebkost und die Stunde herbei-
gesehnt, in der ich es Dir in's Gesicht schleudern
könnte, daß eine Frau, — Deine Frau! — Dich
fünf Jahre hindurch zum Narren gehalten.

Als ich Dich heiratete, war ich kaum zwanzig
Jahre alt, hatte nicht viele Menschen kennen ge-
lernt. Ich hielt Dich für groß und edel, und
fühlte mich glücklich, Deine Frau zu heißen.

Und nun? Wenn ich mir in's Herz sehe, und
schaue dort diese Bitternis, Nacht und Unglück-
seligkeit, — dann kann ich nur grimmig lachen.
Ich habe meinen Part gntgespielt, — Du ahntest
nie, daß ich einen Haß gegen Dich fühlte, wie
Wenige ihn fühlen können. Wenn Du dies liest,
wirst Tu denken, daß ich einen Andern liebe.
In Deinem Hirn hat nur diese Vorstellung Platz, —
die Frau ein Vieh, welches bisweilen den Besitzer
und Herrn wechselt. Beruhige Dich, ich war Dir
treu. Der Haß, der meinen Leib und meine Seele
durchtränkte und mein Dasein ganz ausfüllte,
duldete keine anderen Gefühle neben sich. Man
sagt, daß Leiden sanft macht, — das ist eine Lüge,
— Leiden verbittert, entwürdigt, verhärtet.

Manchmal stand ich vor dem Spiegel und
wunderte mich, daß die kleine, schlanke Gestalt, die
ich dort sah, die Frau sein sollte, die ich kannte.

Als Du im vorigen Monat telegraphiertest,
daß Du zehn Tage früher, als beabsichtigt, von
der Reise zurückkommcn würdest, da fluchte ich
sanfte, wohlerzogene Frau: die Depesche riß ich
in Tausend Stücke und trampelte darauf herum
in meiner ohnmächtigen Wut, — Du hattest mich
um zehn Tage meiner Freiheit beschwindelt und
betrogen.

Und nun werde ich gehen. Ich könnte laut
schreien vor Freude, Dich nie wieder sehen zu
müssen, — weder Deinen Gang, noch Deine Hände,

— nicht, wie Du ißt und sprichst, — nie wieder
Dein gesundes, zufriedenes Gesicht. Jahre lang
habe ich jedes einzelne dieser Dinge mit glühen-
dem Hasse gehaßt. Und ich werde noch die Er-
innerung hassen, die zu Dir hinabführt.

Wie werde ich mich ernähren? Ich habe in
fünf Jahren gelernt, wie man lügt, betrügt und
hintergeht I

Diese Blätter werde ich auf Dein Pult legen,

— so macht man es ja wohl in Romanen. Wenn

Du sie gelesen hast, mußt Du blaß werden und
stöhnen. Bei Deinem Teint wird es vielleicht
schwer halten-

n.

Donnerstag.

Lieber HanS!

Gestern sandte ich Deine Wäsche, auch die
wollene Unterwäsche, an Dich ab. Es freut mich,
daß Du Deine alten Freunde trafst, und daß
Du Dich amüsierst. Gegen Deinen Rheumatismus
solltest Du aber etwas tun. Vielleicht helfen die
Pillen, die Du vom letzten Winter her noch hast.

Es tut mir natürlich leid, daß Du noch eine
ganze Woche länger ausbleiben wirst, aber Du
hast die Ruhe wirklich nötig, und solltest die Ge-
legenheit, die Du dort hast, wohl ausnützen. Die
Kinder senden Grüße und Küsse. Ich schließe
mich ihnen an. Käthe.

NB. Morgen werde ich wieder schreiben. Gr. K.

(Aus dem Englischen von A. 3TC. R., mit Erlaubnis
von “Colliers Weekly”, pork.)

Märchen

Gesammelt von einem modernen Aesop.

Die Grille und die Ameisen

Die Grille zirpte im Sommer immerfort. Jur
Winter war sie schon eine geschulte Sängerin und
bekam von den reichen Ameisen allabendlich
700 Kronen. Dafür zirpte sie ihnen zwei kleine
Romanzen vor.

Des Gelehrten Affe

Ein Akademiker hatte einen sehr klugen Affen,
der sich so räusperte und spuckte, wie sein Herr.

Einige Jahre später hatte es der gelehrige
Affe so weit gebracht, daß er auch Bücher schreiben
konnte. Seine Werke waren so wertvoll wie die
seines Herrn.

Die Sache hatte aber einen Haken. Es war
wohl nur eine unbedeutende Kleinigkeit, aber doch
Etwas, was den wert der Werke stark beein-
trächtigte und den Beweis lieferte, daß er nicht
selbständig, selbstbewußt und originell denken könne:

Der Affe hatte vor dem ersten und nach dem
letzten Buchstaben seiner Werke „Gänsefüßchen"
gemacht. Sein Herr hatte dies immer verabsäumt.

Das traurige Zebra

Die Gattin des Zebra saß unter einem Baume
und las eine Modezeitung. Sie legte plötzlich die
Zeitung weg und weinte bitterlich.

„was fehlt Dir?" fragte sie der Gatte.

„Ich bin zu Grunde gerichtet! Ich bin für
mein ganzes Leben kompromittirt! Lies doch!"

Der Gatte nahm die Zeitung in die Hand
und las:

„Gestreifte Stoffe sind nur dann modern, wenn
die Streifen nicht von oben nach unten, sondern
von rechts nach links gehen."

Die Klage des Känguruh

„Ich bin das unglücklichste Tier," klagte ein
Känguruh.

„warum?" fragte ein befreundeter Vierfüßler.

„weil Jedermann Geld von mir pumpen will.
Und ich kann Niemandein sagen, ich hätte beit
Beutel zu Hause vergessen." H.
Register
Robert Engels: Der Hohentwiel
A. M. N.: Zwei Briefe
H.: Vier Märchen
 
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