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Nr. 28

1907

i v j

Das Gartenhaus

frido Witte [Schneverdingen]

Der geschmierte
Feldwebel

„was ich mir zu Weih-
nachten wünsche?" sagte brr
Feldwebel und strich schmun-
zelnd seinen Schnurrbart.

„Hm — meine Herren Ein-
jährigen, das ist so 'ne Sache.

Ich für meine Person märe
ja nicht so unverschämt —

Sie kennen mich — aber Sie
wissen ja: die Weiber, die
Weibe.--"

..was hat denn Ihre Frau
Gemahlin fnreinenwunsch?"
ermunterte Heller, der Spre-
cher der drei Einjährigen.

„Ich getraue mich 's gar
nicht zu sagen!"

„So schlimm wird's doch
wohl tticht sein, Herr Feld-
webel !"

„Nein, so schlimm ist's
tticht! Nur 'n bischen teuer!

Aber, schließlich, Sie sitld ja
zu dritt und die Söhne reicher
Eltern. Kurz und gut: meine
Frau hätte gern ein Ala vier! Sie hat nun
mal was für die Musik übrig. Sie ist erblich
mit belastet; ihre Mutter hackte auch auf'm
Wimmerholz. Und nun möchte sie's gar zu gern
auch lernen. Na, ich sagte es ja nur, weil Sie
gerade frugen. Also guten Morgen, meine Herren
Einjährigen!"

Oer Herr Feldwebel entfernte sich über bet:
Kasernenhof. Er war froh, daß er den Wunsch
heraus hatte.

„So eine Frechheit ist mir noch nicht vor-
gekommen!" meinte der dicke Schramm. „Ein
Klavier! Sonst nichts! Auf zwanzig, dreißig
Mark war ich schließlich gefaßt, aber ein Klavier,
das ist doch 'n bischen toll!"

„Oer Mann hat ganz Recht!" sagte der kleine
kindemann, der überhaupt ein Gemütsmensch
war. „Ich hätte mir an seiner Stelle einen
Bliithn er-Flügel gewünscht, warum nicht? wenn
er doch schon gefragt wird! —"

„Nun müssen wir dran glauben!" seufzte
Zetter. „Geben wir ihin was Anderes, dann
können wir bis (Ostern Blut schwitzen! Parole
— tioch Tage! 's is zum AufhängenI"

Am Weihnachtsabend erschienen bei Feldwebels
vier siäiumige Männer mit einer großen Kiste.
Der Inhalt bestand aus einem prächtigen Klavier.
Entzückt fiel die Frau Feldwebel ihrem Mann
um den Hals. „Noble Hunde, die Einjährigen l"
lachte der. „Der Kasten kostet mindestens feine
achthundert Mark! Und wie das Ding zu unser'»
Möbeln paßt! Der nächste Jahrgang tnuß mit'»
Automobil ran! — Ich werd's den Kerlen aber
nicht vergessen'. Sollen's gut haben bei mir, die
Bengels!"

Und die drei Einjährigen hatten's gut. was
sie auch anstellten, der Feldwebel ließ es ihnen
durchgehen, wollte sich mal einer vom Dienst
drücken, so beseitigten ein paar Zigarren jede
Schwierigkeit. Sie liefen mehr in Zivil Herum
als in Uniform, und wenn ihnen der Herr Feld-
webel zufällig begegnete, dann gab er Proben einer
geradezu beängstigenden Kurzsichtigkeit. Bestechetl
ließ er sich nicht, nein, das tat er tticht, der Herr
Feldwebel!

Der kleitte Lindemann gab der Frau Feldwebel
Klavierunterricht. „Sie hat Talent!" versicherte
er oft seinen Freunden. „Sie ist schwer erblich
belastet. Ein reizender Krabbe! Sie kann schotr
die ,Holzauktion*. Morgen kommt die ,Gigerl-
Föniginc dran. Sie hat nämlich eine Vorliebe für
klassische Musiki Auch kocht sie sehr guten Kaffee.
Ueberhaupt ein reizetrder Kerl!"

Merkwürdig war nur, daß während der Klavier-
stunden, die der kleine Lindemann erteilte, die
Nachbarn beim besten willen Feinen Ton hören
konnten. Obwohl während der ersten Hälfte des
Unterrichts stets das Fenster geöffnet war.

Endlich lautete die „Parole" nur noch: drei
Tage. Auch die gingen herum, und die Einjährigetl
kehrten wieder in die Freiheit zurück.

Am ersten Mai desselben Jahres erschienen
abertnals vier stämmige Männer bei Feldwebels.
Diesmal mit einer leeren Kiste.

„was gibt's denn?" fuhr sie der Feldwebel an.
„wir wollen das Klavier abholen!"

„was für'» Klavier?"

„Ei, das wo bei Ihnen steht!"

„Zum Donnerwetter, seid Ihr denn verrückt,
Kerls? Das Klavier gehört doch mir!"

„(D nein! das gehört dein Klavierhändler
Spitzer! Und wir sollen's abholen, weil seit dem
[. April keine Miete mehr befahlt worden ist!"

Da half kein Schitnpfen, Fluchen und Donner-
wettern. Die Männer packten das Klavier kutist-
gerecht zusammen und trugen es fort. „Diese
Hunde von Einjährigen! Verdammte Schweine-
bande! das hat sicher der Zeller ausgedacht, der
miserablige Kerl! Und wenn ich bedenke, was
für Gewehrgriffe ich dem Biest durchgehen ließ!"

Bald darauf liefen beim Regiment drei Ge-
suche der Eitljährigen Schramm, Zeller und Linde-
mann ein, ihre Reserve-Uebungen bei ihren Heimat-
rcgimentern abdienen zu dürfen. Der Herr Feld-
webel aber wünschte sich von den Eitljährigen
des tlächstetl Jahrgangs 511 Weihnachten kein
Automobil, sondert: etwas viel Bescheidetteres,
einfacheres — einen Kinderwagen nämlich.

Karl Errlinger

Liebe Jugend!

Ich hatte ben Zigeuner-
primas, der besonders auf
aristokratische Herzen so
stark wirkte, ketrnen gelernt.
Eitles Abends war ich mit
ihm in einem Restatlratlt
zusammen. Er bestellte
Austern. „Habet: Sie Feinen
Güster auf Austern?" frug
er mich. Ich dankte.

Einen Augenblick ist
Ruhe; dann fragt er
wieder: „wollen Sie nicht
votl diesei: Austertl pro-
bieren?"

„Ich habe keinen Hut:-
ger," erwiderte ich.

Ein paar Minuten ist
wieder tiefes Schweiget:
uttd der Zigeunerprimas
ißt tncht. Zuletzt fragt
er: „wie muß mat: beim
eigentlich das Zeug da
essen?"

-l-

Einer norddeutschen Großstadt wird eit: Dorf
einverleibt. Nach der Eingemeindung „führt"
eines Abends zwischen 6 und 7 Uhr eitle arme
biedere Bäuerin ihre eitlzige Kuh. Der Bulle
jedoch ist störrisch. Mißmutig sagt die Bäurin:
„Nu hebb ick den weiten weg gemakt, un nu
wull hei tlich."

Da patscht sie der Wärter des Bullen ver-
trauetlsvoll auf die Schulter und sagt: „Ja, der
ist jetzt städtischer Beamter, und die habet: 6 Uhr
Schluß." -

*

Ein bekannter Schauspieler erscheitlt am Früh-
schoppentisch mit allen Zeichen gliihender Begeiste-
rung. „Ihr hättet gestern dabei seit: sollet:"
erzählte er, sich niedersetzetld, — „in Regensburg,
wo ich den Othello spielte. Der Beifallssturn:
nach dem Schluffe der Vorstellung dauerte stunden-
lang. Das war eit: Jubel! Das Publikum stieg
auf die Stühle. Frauei: und Männer wehtet: mit
den Taschentüchern. Und wie aus einem Munde
riefen sie mir zu: Hier bleiben! Hier blei-
ben!" „Das werdet: Auswärtige gewesen
seit:" — bemerkte ein boshafter Kollege.

»

Neulich war ich in einer Familie zum Abend-
brot geladen. Staunend beuterke ich, wie Kind auf
Kind sich zum Effet: einftnbet und tioch immer
Fein Ende abzusehen ist. Meinet: fragetldeu Blick
beantwortet der Hausherr, halb entschuldigetld:
„Nu ja, mer tnuß sich doch austoben."

Gemütsmensch

Traf ich da gestern meinen Freund Sch. im
Gehrock und Zylinder auf dem Bahnhof.

„was machet: Si e hier?" rief ich, verwundert
über feinen feierlichen Aufzug.

„Ich fahre mit meinem Schwiegervater ::ach
Ulm."

„Und was tun Sie dort?"

„Ich laß ihn verbrennen . . ."

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