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Nr. 51

JUGEND

1907

Der gute Onkel

und die unvorsicDtigen Kna&en

Münchner Bilderbogen von A. De Nora

Besonders wenn sie artig sind,

Liebt Mnkel Bernhard jedes Kind.
Denn er ist freundlich, lieb und nett,
wie man schon sieht auf dem porträtt

Zwar diese Buben waren böse,

Drum klopft' er ihnen das Gehöse
Und lud sie nie mehr zu sich ein.
Man sieht, er kann auch anders fein!
Dagegen fand er eines Tags
Drei muntre Jungen andern Schlags.
Er sprach: Sie seh'n nicht übel aus,
Ich nehme mir 'mal die ins Haus.

171er oben ist ihr Eonterfey:

Der Friedrich, etwas wild und frei,
Der Kunz, etn kleiner Herr Baron,
Der Ludewich, Professorsfohn.

Der Mnkel sagte: „Liebe Knaben,

Ihr sollt es herrlich bei mir haben.
Nur wünsch' ich, daß ihr artig seid!
Stört niemals die Gemütlichkeit!"

Und sie versprechen's mit Applaufe.
Doch kaum der Mnkel aus dem krause,
Sieh! da zerbläuet fürchterlich
Der Kunz bereits den Friederich.

Der Ludwich läßt sich auch nicht Hunzen
Und attakieret wieder Kunzen
Und schlägt dabei, — 0 hört doch nur! —
selbst Mukels liebster Nippfigur,

Dem Gott des Krieges, in der Hitze
Beinahe weg die Nasenspitze.

Den Max und Moritz, diese zwei,

Ergötzte zwar die Keilerei.

Doch Mnkel Bernhard, sehr empört,

Daß die Gemütlichkeit gestört,

Sprach ernst: „Es scheint mir, liebe Knaben,
Daß wir etwas zu reden haben?" —

Drauf nahm er jeden sanft — sich vor
Und mit in sein Privatkontor.

Mas sie geredet, weiß man nicht.

Doch mit gerötetem Gesicht,

Gekämmt, die Hände auf der Bank,
Seht ihr sie wieder, Gottseidank,
Hier sitzen voller Einigkeit,

Und auch der Kriegsgott ist erneut!
Den Max und Moritz, diese zwei,

Empört zwar solche Schweinerei,

Doch Mnkel Bernhard denkt sich: „Nun!
wenn sie es nur nicht wieder tun!" —

(Zeichnungen von A. Sch ml d Hammer.)

*

Parturiunt montes!

Die Seele des Abgeordneten M a s a r y k kochte,
als Lueger auf dem Katholikentage die Christlich-
Sozialen aufgefordert hatte, die revolutionären
Universitäten zu erobern. Und da ging er hin
und stellte im Abgeordnetenhaus den Antrag, die
Regierung aufzufordern, die Freiheit der Forschung
an den Universitäten gegen die Angriffe der Redner
des Katholikentages zu verteidigen. Und seine
Rede donnerte gegen die Christlich-Sozialen, wie die
empörten Wellen gegen die Schiffswand donnern,
so daß das Schiff jeden Augenblick in Trümmer
zu gehen drohte. Aber das Donnern wurde leiser
und leiser und ging schließlich in ein lindes Zephyr-
säuseln über, in das alle Parteien des Ab-
geordnetenhauses, auch die Christlich-
Sozialen einstimmten; es erklang nun eine
Sphären Harmonie, an der die Englein im
Himmel und die Christlich-Sozialen auf Erden
ihr Wohlgefallen hatten. Masaryk hatte nämlich
aus seinem Antrag die Worte „gegen die An-
griffe der Redner des Katholikentages"
weggelassen und nun stimmten alle Parteien, auch
die Christlich-Sozialen für den Antrag. Der
Abgeordnete Lueger aber drückte dem Bruder
Masaryk die Hand und sagte: „Recht so!
Fordern wir die Regierung auf, die Freiheit
der Forschung an den Universitäten zu verteidigen.
Die Juden und die Freimaurer bedrohen sie
schon lange und suchen sie in die Fesseln ihres
Unglaubens zu schlagen, aus denen sie nur durch
die Kirche befreit werden kann. Bruderherz,
hättest du den Antrag nicht gestellt, so hätte ich
ihn gestellt, denn die Freiheit der Forschung muß
gegen die Angriffe der Modernisten und
der Zweifler geschützt werden!" Frido

*

Das 6i des Grjberger

Schon wieder hat Columbus im Reichstag ein
Ei ausgebrütet. Bekanntlich liebt es dieser um-
gekehrte Kuckuck, Eier anderer Leute auszubrüten;
diesmal war es ein Erz b erg er sch es Ei. Der
jugendliche Held, dem das Reden von der Partei
für einige Zeit untersagt war, hat das Schweigen
nicht länger ertragen können. Er schlug zur
Hebung der Geldnot vor, 200 Millionen Mark in
Kassenscheinen auszubrüten. Erzberger kann nun
einmal das Ausplaudern nicht lassen. Er weiß
doch, daß die größte Gefahr für den Block in den
neuen Stenern besteht, die das Reich notwendig
braucht. Zitternd wartet das Zentrum, ob es dem
Block gelingen wird, diese gefährliche Klippe zu
umschiffen; und da kommt dieser schwatzhafte Ben-
jamin und verrät den Feinden das Geheimnis,
wie sie der Gefahr entgehen können. Sie brauchen
ja bloß noch fernere 200 Millionen Mark Kassen-
scheine auszugeben; dann ist jede Steuer über-
flüssig und der Block gerettet! Solange Erz-
berger nicht in den Trappistenorden ein-
tritt, wird das Zentrum die verlorene
Herrscherposition nicht wieder erringen!

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Register
A. De Nora: Der gute Onkel und die unvorsichtigen Knaben
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Der gute Onkel und die unvorsichtigen Knaben"
Frido: Parturiunt montes!
[nicht signierter Beitrag]: Das Ei des Erzberger
 
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