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1907

JUGEND

Nr. 52

Liebespsalm

Ich höre Deine Stimme wie Flüstern des Schilfes,
Wie Zwitschern der Vögel, die im Rohre nisten,
Leise begleitet vom Rauschen des Wassers.

Mondschein fällt durch die hohen Wipfel,

In tiefer Sehnsucht erschauert mein Herz,
ltijb ich eile von den Bergen, ich eile —

Meine Augen blicken in leuchtende Träume,

Meine Hände tasten nach dem winkenden Glück,

Leih mir Deine Schwingen, o Wind!

Der Weg ist weit — wo find ich die Herzliebe?

Wo weilt meine Wonne, die an der Brust mir geruht?
Wie Rosmarin und Myrthen duftet ihr Leib.

Komm, laß wieder meine Arine Dich fassen,

Daß den Hauch Deines Mundes ich trinke!

Dein Atem ist süßer denn Rebenblüte — —

Fühlst Du mein Nahen? Eil mir entgegen!

Umbuscht von Rosen, unter Fruchtbäumen in Blüten
Steht unsere Hütte im Schirme der Nacht.

Oeffne, Du Süße, Dciu Freuud ist da!

Michael Georg tonrad

üriumvirat

Ton Äonröfc AgcrI) d

.... nicht stören! Pier spielen Rinder.

Da saßen sie in der Ladewanne. Im „Schiff".
Karl ist sechs, Lotte fünf, Ejamie vier Jahre alt.
„Arme Leute wohnen immer im Schiff."

„wir — sind — so — sehr — arm."

Und die Panne sagt: »Brot« — — —

Karl ist,Vaters Lotte-Mutter*, Panne ,Kiit!>*.
Manchmal ist das -Kind* auch -pnnd* . . . .
Die Drei haben nur ein Stückchen Brot, und Ma-
ma hat einen Fingerhut voll Zucker gegeben,
„wir müssen sehr — sehr — arm sein."

„Ja, sehr arm."

Sie sitzen traurig da.

„wir haben nichts zu essen.... wir müssen
hungern.... wir müssen schlafen."

Nun wird eine Gardine zugezogen. Nun
machen die drei Getreuen die Aeuglein zu.

„wir schlaf eil lange."

Karl lacht.

„Ist ja schon wieder ,Tag*! die Sonne scheintl"
Nun ist -Tag*, und sie lachen alle.

Der -Vater* setzt sich auf die Fußbank.

Ei bewahre! Die ist ja ein -Sofa*.

In der Badewanne .... Im -Schiffs

„Aber ,Mutter*, Kaffee kochen!", sagt ,Vaters
Ja — wo?

Das -Sofa* ist eine -Koch,naschine* ....
wo hat je ein Mensch ein Sofa als Koch-
Maschine benutzt?

Die drei Getreuen, die-Armen*, die können es.

Der -Kaffee*, kaum fertig, ist er schon ge-
trunken.

„Nun haben wir auch keinen ,Kaffes mehr" . . .
Die Kleinen sind -traurig*.

„Nun sind wir schon bald ein Jahr auf dem
-Schiffs", sagt Lotte.

„wir müssen -fischen', sonst müssen wir ver-
hungern", meint der -Vater*.

Sie fischen und beschlossen eine große Menge
,Fische* .... Papierstreifen.

,Dater* steigt über den Rand der Badewanne
an Land und geht Fische verkaufen! —

-Verdient viel Geld*. Spielend.

Aber der water* bleibt so lange ....

„^lch, so lange — " sagt Panne.

„Und wenn nun ein Sturm kommt — — "
Es kommt ein ,Sturm*, wie haben,Mutter*
und -Kind* doch so große Angst, puh — — —
Die -Mutter* weint.

Da weint das ,Kind* eben auch.

Die -Mutter* hört auf zu weinen.

Da hat Panne gelacht.

Endlich kommt der -Vater*.

Jubel und pändeklatschen . . .

„wo ist unser pund? wo ist mctit pund?"
Da wird — — — das ,Kind* zum -pünd-
Iciu* . . .

„Aber nicht lange," sagt Lotte ernst, „lange
soll Panne nicht pund sein . . ."

„Knurr mal!" sagt Karl.

Panne knurrt.

„Nochmall" befiehlt Karl — — —

Die -Mutter* geht schnell ,einkaufeil*: Drei
Kohlblatter. Ulid als sie wiederkommt, sagt das
-pündchen* -Mutter*. Nun ist's wieder -Kind*.

Kohlblätter ... -Karbonade*... -Pimmelreich.*
„Schnell gekocht!" — — —

„wir sind satt." — —

„wir sind bald in Amerika!"
wird der Vorrat auch reichen?

Als ob? I

Aus den drei Kohlblättern ward Rind, —
Schwein, — Ziege, was hat's da Not. Butter
und Käse sind vorhanden.

Der DucI<Ll-TMj8rl)Aum

Die drei Getreuen wachen, schlafen, bet eit,
singen, geben den Vögeln Futter, kochen, essen. —
Morgen wollen sie -in Amerika* sein.

„wir sind nun so reich geworden", sagt Karl.

„Ja, aber-nun ist das Spieleil schlecht!"

meint Lotte ....

Karl sinnt — —-

Endlich auch er: — „2Inn — ist besser" . . .

Und was wird mobevue Erziehung in Schule
ulld paus aus deil drei Getreuen machen?-

Mir graut davor.

Aphorismen

Es gibt eine Art W o h l w ollen, die itu-
endlich mehr verpflichtet und Gutes stiftet,
als alles Wohltnn.

*

Wenn in Deutschland ein neues, großes
Licht, eine Leuchte des Geistes, auf-
geht, so sind schon hundert Laternanzünder
bereit, mit feierlicher Wichtigkeit den Docht
der eigenen Geniekerze daran in Brand zu
setzen; ein zweites Hundert eilt herbei, nach
allen Regeln der Kunst und der Zunft
dieses Licht mit brutaler Gewissenhaftig-
keit zu zerlegen in seine spektralanalytischen
Elemente und Komponenten; unb abermals
hundert bemühen sich, das Licht nach Para-
graph so und so viel des spießbürgerlichen
Gesetzbuches auszublasen; was da bleibt,
könnt Ihr Euch denken: viel Rauch und
wenig Helle, viel Lärm und wenig
Lebe n.

Welch ein Unglück für ein Volk, wenn seine
Frauen sich nur so lange Mutter fühlen, als
sie schwanger sind.

Die Arbeit des Maulwurfs mag ja nütz-
lich sein, sie braucht aber immer wieder einen,
der sie wegschafft.

*

Liebe, die zur Ehe führt — ein Wort; —
Ehe, die zur Liebe führt — eine Tat.

Dr. Äacr (Oberdorf)

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Register
Paul Rieth: Der Dackel-Christbaum
Dr. Baer: Aphorismen
Konrad Agahd: Triumvirat
Michael Georg Conrad: Liebespsalm
 
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