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1908

Nr. 1

Ski Heil — 1908!

(Zum Titelbilde von Paul Rieth)

Nrrutsch! Wie diese beiden Schwestern
Ueber'n Schnee im Sonnenschein,

Sausen wir jetzt zu Sylvestern
In das neue Jahr hinein!

Nrrutsch — herab und immer munter,
Sei's kopfoben, sefis kopfunter!

Nur nicht bang den Kopf zerbrochen,

Was die Zukunft kocht und braut:
Frischen Mut und grade Knochen
Und ein Bissel derb die Haut!

Heißah! Ueber Stein und Wurzeln
Wenn wir uns auch überpurzeln!

Zwar nicht immer sanft und sacht
Geht die Fahrt auch dieses Mal,

Auch um Neunzehnhundertacht
Wird die Welt kein Nosental!

Ueber Staat und Stadt und Steuer
GibUs Verdruß gewiß auch Heuer!

Wie der Auf an seiner Kette,

Von den Krähen angehaßt
Wird der Michel und, ich wette,

Mancher Augenblick verpaßt!

Und geredet und gedrahtet
Manches wieder, was uiis schadet!

Und von zärtlichen Gevattern
Wird uns wieder mancher Tort;

Und das Bannstrahldonnerknattern
Aus dem Süden dauert fort;

Und in Bayern schwillt der Kamm der
Zentrumsbonzen noch verdammter!

Was wir 'trinken, was wir speisen,

Wird verteuert konsequent,

Unter Chimborassopreisen
Stöhnt der Nichtsalskonsument;

Seiile Zahne mag er üben
An Kartoffeln bald und Rüben!

Nrrutsch! Nicht Vieles wird sich bessern,
Unerfüllt bleibt mancher Wunsch —

Soll nun darum sich verwässern
Stimmung und Sylvesterpunsch?

Soll man darum steh'n und zittern,

Statt fidel dahinzuschlittern?

Eins nur hilft in allen Dingen,

Wenn man einmal purzeln muß:

Wieder auf die Füße springen,

Ist der Weisheit letzter Schluß —
Nrrutsch hinab und immer munter:

Unser Michel geht nicht unter!

Hanns

Kindermund

Der Religionslehrer fragt in der Volksschule
das kleine Lieschen, was Abraham wohl gedacht
habe, als der liebe Gott von ihm verlangte,
er solle seinen Sohn Isaak opfern. Schlagfertig
erwidert die Gefragte: „Ist er wohl verrückt ge-
worden?"

Burger-Mühlfeld

Vaterhaus

Und bin ich hundert Jahre tot,

Dann will mein Leben wieder glühn
Und wandern in das Abendrot,

Wo meiner Heimat Linden blühn.

Du kleine Kammer unterm Dach,

Du giebelgrünes Vaterhaus —

Wer ist um jene Stunde wach
Und sendet seine Sehnsucht aus?

Ein weißer Nacken schimmert licht
Und taucht ins Dunkel zag und scheu —
O Mädchen, üb die süße Pflicht
Und liebe stark und liebe treu!

Und küß den Knaben, der dich freit,

Und trau dem tapfern Vaterhaus —

Das hält viel Sünde, Sturm und Leid
Und tausend Seligkeiten aus.

Victor Hcrrdung

Rrmer, kleiner Pierrot!

Bunte Gewänder . . . Duft. . Musik. . . Tanz
. . . Sekt., . Lachen . . - verheißende Blicke durch
schmalgeschlitzte Larvenaugen.... Nischen voller
Heimlichkeit.... — Das war sein Traum, seit-
dem der Onkel Alfred neulich vom Maskenball
gesprochen. —

Jetzt in der Nacht kommt es wieder: Musik . . .

Tust.Tanz.— Fest drückt er die

blaue Steppdecke an die Lippen — Blicke ....

Lachen. . . Nischen voller Heimlichkeit.—

Ja der Onkel Alfred! Wer erst so weit wäre,
wie der! So blaß, so kühl, so ... — Ta wird
er nun hingehen, wiederkommen, die Achseln
zucken und ihm, wenn er ihn fragt, ob es schön
gewesen, nur mitleidig und etwas malitiös lächelnd
über das Haar streichen: „Ach Kleiner!" — Aber

hingehen wird er, er geht überall hin.-Der

Papa betrachtet den Onkel Alfred eigentlich als
so eine Art abschreckendes Beispiel, als etwas, wie
man nicht sein soll. Und er hat wohl eine heim-

liche Angst, daß er, der Rudi, ihm nach-
schlägt. Drum hält er ihn auch so stramm,
ihn. den Einzigen. „Nur nicht genäschig wer-
den", sagte er. Er haßt sie, diese Männer,
die da herumgehen und naschen, hier mal
was, dort mal was; auch an der Arbeit
einnral, weites grad Spaß macht. Und die
dann auch wohl in Augenblicken zerstören,
woran andere gebaut, ein Leben lang. —
Ter Papa ist berb, ernst; seine Hand
beschützt, aber sie lastet schwer auf einem. —
Der Rudi trägt sich mit einem großen
Entschluß, ltrtb der läßt ihn nicht schlafen.
Wirklich, Onkel Alfred hat ganz recht, wenn
er ihn als Kind behandelt. Was ist denn
nun dabei? ! Einmal muß er sich doch los
machen von Mamas Gängelband! Also ja;
der Entschluß ist gefaßt: Morgen holt er
sich ein Billet zum Maskenball. Das wird
ein Riesen-Spaß. Er geht hin, spioniert

den Onkel aus, beu Onkel und seine-

Damen, und nebenbei amüsiert er sich auch
auf eigene Faust. Als ob er etwa nicht
Konversation machen könnte! Ah, da sollen
sie staunen .... staunen! Ein kolossaler
Jux wird das werden! — Wer soll ihn
eigentlich hindern, diesen Ball zu besuchen?
Der Papa ist verreist, und die Mama?!
Seine süße Mama, der niemand einen so
großen Jungen zutraut, wie er ist! Er
wird ihr's schon sagen, aber — nachher!
Tatsachen gegenüber, die nicht zu ändern
sind, verhält sie sich immer sehr vernünftig.
Und dann — sie wird ihm das nach-
fühlen können dies .... diese Sehnsucht

nach .... nach . . . dem Leben .....-—

Einmal, er trug noch Locken und Wadenstrümpfchen,
aber er entsinnt sich genau, da ging sie auch aus
einen Maskenball. Ein gelbes Kleid aus zartem
Stoff trug sie und wenn sie die Anne ausbreitete,
waren es Schmetterlingsflügel. Und sie drehte
sich im Zimmer hin und her mit den Flügel-
armen: „Jetzt fliegt ich nach Freudenland!" sagte
sie. Und da hatte er geweint, weil er dachte, die
Mama fliege wirklich davon und komme nicht
wieder. Wie lang das schon her war! Endlos

lang.-So, und rinn, wo der große

Entschluß gefaßt ist, wird er schlafen. Also.

gute Nacht, Welt!".

Nette Geschichten das! Nun sitzt er wohl schon
10 Minuten im Bett aufrecht und pfeift! — Flink
die Decke über die Ohren! —

. .. Aber einen Pierrot-Anzug muß er haben!
Fesch wird der sein! Weiß, ganz weiß, wie ein
Schneemann. Aber nicht so kalt. Er hat eine
feurige Natur. — Ob er wohl einer großen Leiden-
schaft fähig ist? ... . „Und ich seh' des Herzens
Glut schon durch deine Weste brennen!" — Hieß
es nicht so im Heine? — Sehr gut: durch deine
„Weste!" Durch dein „Gilet!" Das Gilet aus

braunem Samt mit den 12 Knöpfen!-

Onkel Alfred ist kühl, vornehm kühl. . . und er
hat. . „geistvolle Hände" . . sagt. . die Mama. —
Wieder nichts mit dem Schlaf! — Man wird
bis hundert zählen: eins, zwei, drei, vier. . . —
Die meisten Herren gehen im Frack, aber das ist
zu gefährlich für ihn, schließlich will er doch nicht
erkannt sein. Auch besitzt er keinen Frack. — Wie
fpaßig, wenn er nachts um elf dnrchbrennt und
niemand im Haus ahnt was! _ Das heißt, dem
Stubenmädel, der Martha muß er's doch wohl
sagen. Ganz ausgeschlossen, daß er allein mit
dem Kostüm fertig wird. Kravatten kann er
binbcit, sehr schön sogar, künstlerisch schön geradezu,
aber so ein Faschingskostüm mit seinen tausend
Haken . . . tausend Haken, ha ha ha' — So nun
ist die Steppdecke richtig hernntergerutscht! Uff!
Da hat man sie wieder. Brr, nun ist's aber
kalt.... —

Ja, also die Martha muß helfen, die ist ja
sehr gefällig! Wenn sie nur den Mund hält....
nun, man wird ihr ein Trinkgeld geben, ein
Schweigegeld. „Halten Sie die Hand auf, Martha,
und den Mund zu!" — Sehr hübsch gesagt!
Register
Hanns (Hans): Ski-Heil 1908
Fritz Burger-Mühlfeld: Wanderer
Josefa Metz: Armer, kleiner Pierrot
Victor Hardung: Vaterhaus
[nicht signierter Beitrag]: Kindermund
 
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