Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

I

Nr. 1

Ameisenhaufen, die Bienen, die Libellen und den
flinken Bach. Und er wollte alles auf einmal
haben und getraute sich doch nicht, nach einen: zu
greifen. Und als er sich schließlich über den flinken,
blitzenden Bach beugte, um mit ihm zu spielen,
kam er weinend zurück und sagte: „Er läuft mir

weg."-Das Parkett war glatt, die Musik

gut, hübsche Masken, elegante Dominos genug,
Schwatzen, Lachen überall. — Pierrot siebt und
wartet. — Paar an Paar. Pierrot beißt sich in
die Lippe. Gut tanzen läßt sich hier schon. . .
und . . . hübsche Mädel sind auch da. Zum Bei-
spiel, die Kleine in Rot. . . Also! ... — Onkel
Alfred! Ah . - . endlich! Gott sei Dank! Das
heißt, gut, daß er ihn gleich entdeckt hat. Eine
elegante Dame führt er, gerade so eine, wie er
sie für sich ausgedacht.

Ob er berausbekommt, wer sie ist? Er wird
einfach auf die beiden zugehen und sie mit ver-
stellter Stimme anreden. — Zwei, drei Schritte
macht er, dann bleibt er stehen. Es ist wohl besser,
wenn er sie nicht anspricht, ihnen nur folgt. Da
kann er sie in Ruhe beobachten, das ist viel in-
teressanter. —

„Na, Kleiner!" —

Pierrot fährt zusammen, ein hellblaues Baby
hat ihn angestoßen. —

„Aber erlauben Sie!"

„Der ist gut! ,Erlauben Sie/" äfft sie ihm
nach und hängt sich an einen andern.

Pierrot wendet sich geärgert ab. Was gehen
ihn diese fremden Personen an . . . überhaupt ...
Na, schließlich ist er doch hauptsächlich des Onkels
wegen hier. Er wird schon noch auf seine Kosten
kommen, jetzt geht ja der Spaß erst an- — Da!...
da taucht er wieder auf mit seiner Dame. Nun
steigen sie die Treppe hinab. — Pierrot drängt
sich ihnen nach. Eine Pierrette hält ihn fest. „Hopla,
Cousin! Wir zwei gehören zusammen!" Pierrot
nimmt einen großen geistigen Anlauf: „Ich bin
bereits .... versehen!" Damit springt er, drei
Stufen auf einmal, die Treppe hinunter. —
Unten im Tunnel sind kleine Nischen, von
violetten Vorhängen geschlossen. Ein Sofa, zwei
Stühle, ein Spiegel, der Ständer für den Sekt-
kühler ... In so eine Nische führt Onkel Alfred
seine Dame- Weich fällt der Sammtvorhang hinter
ihnen zusammen.

Pierrot empfindet ein Neidgesühl. Wo bleiben
all seine stolzen Pläne?

Später, später. Erst das hors d’oeuvre, das
Erlebnis der andern, die pikante Einleitung, viel-
leicht kann man dabei noch etwas lernen.

Pierrot schleicht an die Koje heran- Sobald
er hören wird, daß sie sich küssen, wird er den
Kopf durch den Vorhang stecken und rufen:
„Schmeckt^ ?" Das hat er sich längst ausgedacht.
Werden die zusammenfahren! Er ist ordentlich
aufgeregt. Wie „Sie" wohl aussieht? Schön
wird sie jedenfalls sein.

Sacht legt er den Kopf an den Vorhang. Sein
Herz klopft schnell. Seine Finger gleiten an den
weißen Pompons des Anzugs auf und nieder.

Er tritt von einem Fuß auf den andern. —
Drinnen rührt sich nichts.

Ah . . . ein Geräusch! . . Das war ein Kuß!
Pierrot seufzt zitternd auf. Fast feierlich ist
ihm zu Mut. Einen Augenblick überlegt er, ob
er nicht doch lieber fortgehen soll, ohne die drinnen
zu stören. Aber nein, einen Spaß muß er haben,
wozu denn sonst die ganze... — Langsam, leise

schiebt er den Vorhang beiseite.-Onkel

Alfred hält die Dame im Arm, fest, ganz fest. Sie

küssen sich. — Ein endloser Kuß.-

Auf dem Tisch liegt die Spitzenlarve. —

Sie küssen sich — eine Ewigkeit.-

Pierrot zittert. Jetzt wird er rufen. Eins ..
zwei. .. —

Onkel Alfred richtet sich auf, lehnt sich zurück

... ja, was ist denn?-Da hat er

sie erkannt. . .

JUGEND

Pierrot taumelt zur Seite. In der Ecke steht
er, das Gesicht der Wand zu, wie ein geprügeltes
Kind. Tann gleitet er auf den Boden hinab,
steckt die Hand in den Mund und beißt, beißt
unbarmherzig auf die Finger, um nicht laut auf-
schreien zu müssen ....

„Mama! . . . Mama! .. . Josefa Metz

Abends

Den Tag deckt leist die Dämmerung

mit Schleiern. . .

Nun werden meine braungebrauchten Hände
Wieder in Deinen festlich-weißen feiern,

Und meine müden Augen ohne Ende
Aus Deinen klarbereiten Trunk sich schöpfen.

Dann heben wir die Blicke ins Gelände,
Schauen den Falken nach und

weitgespannten Reihern,
Die wild sich jagen über unseren Köpfen. . .

Vorbei. . hinweg. . Der Kampf ist aus.
Wir gehen schweigend in das aufgetane Haus.

Harry Rahn

Der alte Seemann und das N7eer

<mit Zeichnung von A. Schmidhammer)

Der alte Seemann:

Segel, sturmzerfetzt,

Salzzerfrefsner Bug,

Hier ist Hafeu jetzt,

Hab der Fahrt genug.

Die wir uns bekriegt,

Meer, besiegtes, du.

An den Strand geschmiegt,

Singst du mich zur Ruh.

Das Meer:

Sieger blieb ich doch,

Und in deinen Traum
Roll ich Wogen noch,

Werf ich Salz und Schaum.

Schwarze Erde wird
Bergen dein Gebein,

Deine Seele irrt,

Wo die Möwen schrei'n.

Gustav Falke

1908

iffc,










-Liebe Jugend!

A. Schmidhammer

Hauptmann £. von der Zehnten war reif zum
„Abgesägtwerden." Er war zwar kein schlechter
Soldat, auch kein dummer Kerl, aber bequem und
nachlässig. Diese Eigenschaften machten sich nicht
nur in den Leistungen seiner Kompagnie, sondern
auch in seiner eigenen äußeren Erscheinung be-
merkbar.

Die Besichtigung durch den gestrengen Divisions-
kommandeur naht. £. weiß, daß vom Ausfall
fein Schicksal abhängt; er beschließt daher, einen
letzten versuch zu machen. Er kleidet sich von
Kopf bis Fuß neu ein, Bart und Haare werden
elegant gestutzt, das Pferd bekommt neues Sattel-
und Zaumzeug. —

Bei der Besichtigung klappt alles vorzüglich,
die Zehnte wird bei der Kritik gelobt.

Alles ist sprachlos, am meisten Hauptmann L.
Schließlich erleichtert er sein Herz zu einigen ihn
auf dem Heimwege begleitenden Herren durch die
Worte: „Kinder, ich glaube, der Kerl hat mich
nicht erkannt."

Aus Tirol

Der Krapfenwirt in Lanersbach ist ein beson-
ders „Schlaucher." Da fragte ihn einmal ein
Sommerfrischler: „Kommt der hochwürdige Herr
Pfarrer öfters zu Euch ins Wirtshaus?"...
„Ei joa. Diawat amal (manchmal) schon!" er-
widerte der Wirt behäbig. „Na, und dann trinkt
er wol'n wein?" . . . „Naa. wein trinkt er
koan'. Den hat er selber dahoam. A Biar trinkt
er, wenn's frisch is." . . . „Da erkundigt er sich
wol vorher, ob das Bier frisch ist?" . . . „Seil
wol. Sell fragt er". .. „Na, und ist denn das
Bier immer frisch?"... „A diawat amal schon.
Oft nit".. . „Na, was sagt ihr denn dann dem
Hochwürdigen, wenn das Bier nicht frisch ist?"

.. . „Nachher sag' i ihm halt do', daß es frisch
is. Sonst trinket er ja koans!" . . . „Unerhört!
Da lügt Ihr ja euren eigenen Pfarrer an!" rief
der Fremde entrüstet. .. „Dös macht nix!" erklärte
der Krapfenwirt lakonisch. „I muaß es ja do'
bei ihm beicht'n. Da geaht all's in oan' Auf-
waschen!"

Wahre Geschichtchen

Leutnant Z. hat einen Burschen polnischer
Nationalität, der sich sehr für die Zigarrenkiste
seines Herrn, bezw. deren Inhalt interessiert. Um
aber den „Abgang" nicht allzu offensichtlich zu
machen, füllt er eines Tages die Lücken mit seiner
eigenen Marke höchst gemeingefährlicher Dualität.
Der Leutnant kommt am Abend nach Haus, greift
in die Kiste und faßt zufällig eine der „Havannas."
Gleich nach dem ersten Zug tanzt er unter Krampf-
anfällen durchs Zimmer. „Stans, Du Himmel-
hund, was hast Du da gemacht?!!" Maßlos ver-
wundert betrachtet Stans den Leidenden, dann
bricht er grinsend in die Worte aus: „Pane
Leitnant bist Du doch serr ein verfluchter Kerl,
daß Du host gemerkt Unterschidd zwischen Zigarren
meiniges und Zigarren Deiniges". ..

Senta hat gebetet und von Mutti den end-
giltig letzten Gutenachtkuß erhalten. Da hält
Senta Mutti fest und vertraut ihr an, daß sie
sich noch ein ganz besonderes Gebetchen selbst
ausgedacht habe. Natürlich läßt sie sich erst einige
Zeit nötigen, das Gebet doch zu verraten. End-
lich faltet sie nochmals fromm die Händchen und
betet:

„Lieber Gott, paß ja recht auf, daß mein guter
Vati und meine allerliebste Mutti nicht unter's
Automobil kommen, wen:: sie aber unter's
Automobil kommen, dann gib mir wenigstens
wieder einen ebenso guten Vati und eine ebenso
gute Mutti."

4
Register
Harry Kahn: Abends
Gustav Falke: Der alte Seemann und das Meer
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
Arpad Schmidhammer: Vignette
[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
 
Annotationen