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1908

J UGEND

Nr. 1

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KM

5SS»84

MM

Stoßseufren

„Xvenn das so fortgeht mit der modernen Musik, wird man sie bald auch zu
Hinrichtungszwecken verwenden könnenI*

R. Genin

Der russische Tinanzminister

verteidigte kürzlich in einer Reichs-
ratssitzung das Branntweinmonopol
und stellte dabei die Behauptung
auf, nicht deshalb sei die Bekämp-
fung des Alkoholismus so schwer,
weil der Staat auf die Einnahmen
aus dein Branntwein nicht ver-
zichten könnte, sondern weil
der Alkoholismus durch die
menschliche Rat u r veran-
laßt sei.

Sehr richtig! Deshalb nennt mau
ja auch den Spiritus, sobald er
ungenießbar gemacht ist, „dena-
turiert." Krieg den Feinden der
menschlichen Natur, die in viehischer
Nüchternheit durch das Dasein tor-
keln! weg mit den Trinkerheil-
stätten, die an widernatürliche Un-
zucht grenzen! Laßt uns zurück-
. kehren, Brüder, in das Paradies
chronischster Besoffenheit, ^laßt uns
alle zustreben dem hohen Ziele, das
da heißt: delirium tremens!

wo man säuft, da laß dich

ruhig nieder.

Gute Menschen saufen

zwanzig Liter!

*

Liebe Jugend!

Am Seeufer promeniert eine ältere
Dame und führt ein kleines Hünd-
chen an der Leine, welches sie ängst-
lich behütet. Plötzlich kommt ein
großer Bund auf beide zugelaufen
und die Dame nimmt angsterfüllt
ihr Bündchen auf den Arm. Scbon
ist aber auch der Besitzer des Bundes
hinzugekommen und entschuldigt sich,
indem er versichert, sein Bund sei
nicht bösartig und werde ihrem
Schützling nichts tun. Die Dame
aber erwidert gerührt: „Ach, mein
perr, ich fürchte ja auch nicht den
Paß, ich fürchte ja nur die Liebe."
*

Eine Berlinerin nimmt eine
Französin in ihr Baus, damit das
kleine fünfjährige Töchterchen recht
früh die französische Sprache er-
lerne. Eines Tages, ungefähr acht
Tage nach ihrem Eintritt, spricht
die Französin mit der Kleinen, die
auch andächtig zuhört. 2liif einmal
aber sagt das Rind kopfschüttelnd
und mit tiefem Seufzer: „Ach,

Mächen, ick versteh Dir nich!"

*

wir haben nämlich einen neuen
Zimmerherrn und eutriiftet beklagt
sich mein „sehr intelligentes" Mäd-
chen für Alles über die kolossale
Unordnung, in die er täglich seine
Stube versetzt. „Möchte er morjens
nur eene Stunde früher uffsteh'u,"
ruft sie wütend, „so könnte er
den janzen Rlimbim uff de Seite
schaffen!"

„Ja," entgegne ich, meinen Mieter
entschuldigend, „der Berr ist des
Morgens müde, denn er sitzt die
halbe Nacht auf und studiert!"
Zn wegwerfendstem Tone erwidert
darauf meine Minna: „Studiert!?
Studiert!? Der un studieren! wenn
ick rinn komme in seine Stube, sitzt
er, hat en Buch vor'n Ropp und
- liest!"

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[nicht signierter Beitrag]: Liebe Jugend!
Robert Genin: Stoßseufzer
[nicht signierter Beitrag]: Der russische Finanzminister
 
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