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Was ist der Rlostergeist?

In der bayrischen Kammer fragte Dr. Schädler
bei der Debatte über die Mädchenerziehung
in den Klöstern den Liberalen Dr. Müller-Hof:
was ist denn eigentlich der Klostergeist?

Klostergeist ist: wenn die deutsche Jungfrau
in der Literaturstunde lernt, daß Klopstocks Mes-
sias hoch über Goethes Faust steht.

In der Weltgeschichte, daß den Dr. Martin
Luther der Teufel geholt, und daß im deutschen
Reich die katholische Kirche oerfolgt wird.

In der Geographie, daß im Erdinnern der
Höllenschlund und über den Sternen der Himmel ist.

wenn die deutsche Jungfrau dann noch das
Vaterunser französisch beten und der bonne mere
die Hand küssen kann, bei der Marianischen Kon-
gregation einspringt und sich vor ihrem Papa
geniert, weil dieser zum andern Geschlecht gehört,
— dann ist sie in dem „Klostergeist" erzogen, der
den Picbler und Schädler wohlgefällt.

— s —

*

Ein neuer -isnrus

Galgenhumor a5chmidhammer

Verdammter (in HöUenflammen schmorend):
Litte, Herr Teufel, geben Sie mir doch 'mal
Hitzcfcrien!

Wer hätte nicht schon von der internationalen
Vereinigung für Mutualismus gehört? Wir nicht!
Wer wüßte nicht, was Mutualismus ist? Wir
nicht. — Sollte es aber, wie wir nicht hoffen
wollen, außer uns noch Leute geben, die den
Mutualismus nicht kennen, so soll er ihnen hier-
mit vorgestellt werden.

Mutualismus ist ganz einfach das Heilmittel
gegen alle Krankheiten der menschlichen Gesellschaft,
gegen Rachsucht, gegen Neid, gegen Egoismus, er
ist ein unfehlbar wirkendes Laxiermittel gegen
moralische Verstopfung. Mutualismus ist Gegen-
seitigkeit und sein Wahrspruch lautet: Haust du
meinen Juden, so hau ich deinen Juden. Der
Präsident der internationalen Vereinigung für Mu-
tualismus ist der französische Professor Leopold
Mabilleau; er hat auch unfern Kaiser als Mu-
tualisten in Anspruch genommen, vermutlich weil
dieser für den gegenseitigen Austausch von Reden,
Telegrammen und Professoren ist.

Es gibt übrigens noch andere hervorragende
Mutualisten: Der Schah ist für den Austausch
von Bomben und Granaten. Der österreichische
Abgeordnete Graf Sternberg ist für den Aus-
tausch von Höflichkeiten. König Leopold von
Belgien ist für den Austausch des Kongostaates
gegen möglichst viel bares Geld und für den Aus-
tausch von Zärtlichkeiten (vorausgesetzt, daß sie
jung und hübsch ist).

*

An der schönen blauen Donau

Die Gemeinde Wien hat auf dem „Gänse-
hänsel" in der Nähe des „Großen und des Klei-
nen Sauhaufens" ein Bad mit einem veritablen
Strande geschaffen. Die Häusel und Hausen sind
drei Donauinseln.

Der Ruhm Leipzigs hat Wien nicht schlafen
lassen, es wollte auch Seestadt werden. Das neue
Bad zerfällt in ein Männer- und ein Frauenbad
und hat auch ein sogenanntes Fainilienbad, in
dem die Mitglieder einer Familie zusammen baden.
Das Familienbad wird nach der in der Nähe
liegenden Donauinsel auch „der große Sauhaufen"
genannt.

Man dachte zuerst daran, zur Legitimation der
dort Badenden, wie in Wannsee, ein Kind zu
fordern; aber das ist heutzutage schon kein Vor-
recht der verheirateten mehr.' Da machte man
den Vorschlag, Eheleute müßten sich im Familien-
bade durch die Mutter der Frau legitimieren.
Aber auch davon kam man ab; man sagte sich,
wenn man den Mann zwingen würde, mit seiner
Schwiegermutter zusammen zu baden, so würde
das Familienbad leer stehen, was brauchte man
auch im christlich-sozialen Gemeinderat um die
Sittlichkeit der Leute im Familienbade besorgt zu
sein? wer überhaupt badet, muß sich ausziehen un d
wer sich auszieht, ist ja doch'ein Schwein!

Bluc ist dicker als Papier

Am Bord der „Ozeana" hat der Kaiser eine
Rede über die neuen Steuerpläne gehalten. Er
rühmte sie und meinte, das Hamburgische Blut,
das in den Adern des Reichskanzlers fließe, ga-
rantiere dafür, daß sie national und zweckdienlich
seien.

Dadurch ist mit einem Schlage ein neuer
richtiger Weg aufgedeckt, auf dem die GeseH-
gebungsentwürfe geprüft werden müssen. Bisher
hat man ihre Motive studiert, kritisiert und in der
Debatte erörtert. Dabei kam nie etwas Gescheites
heraus. Mit unfern Gesetzen ist ja kein Mensch
zufrieden. Wenn der Reichskanzler künftig eine
Gesetzesvorlage einbringt, muß fein Blut erst auf
seine Bestandteile untersucht werden. Bei einer
Frage, die den Handel berührt, muß er auf ham-
burgische Blutbestandteile untersucht werden; bei
einem agrarischen Gesetz auf pommersche, bei einem
Brausteuergesetz auf bayrische, bei einem Weingesetz
auf rheinische, bei einer Vorlage über die neue
Orthographie auf sächsische, bei einem Gesetz über
die Milcheinfuhr auf Spreewald-Blutartikel.

Frido

*

Die Uebergangenen

Aus Zorn hätt' Er die Mrden abgeschlagen
Pour le merite? — Elende Schwätzereil
Du brauchtest nur die Liste zu befragen
Der Dekorierten: Zorn war nicht dabei!

Epe.

Szeremiey

eine Münchner Cohalpatriotin

„Sie, Kellnerin, den Braten kann ich nicht
essen, der ist mit Kunstbutter gekocht
worden!"

„V?o, dafür san mir aber aa a Runststadtl"

Revolution von Oben

Aus Karlsruhe kommt eine betrübende Nach-
richt. Der Großherzog hat den Stadtrat und die
Bürgerschaft eingeladen, den Entwurf des Karl-
Wilhelm-Denkmals zu besichtigen und sich ein
Urteil über seine Ausführbarkeit zu bilden; der
Stadtrat solle sich darüber auch äußern.

Die deutschen Großherzöge scheinen sich all-
mählich zu Revolutionären auszubilden. Nachdem
der Großherzog von Hessen auf parlamentarischen
Bierabenden mit sozialdemokratischen Abgeordneten
Brüderschaft getrunken hat, wird er jetzt von dem
Großherzog von Baden noch übertrumpft. Die
Bürger, d. h. die Schornsteinfeger und Straßen-
kehrer in Karlsruhe sollen ein von dem Gnädigsten
Herrn Höchstselbst in Auftrag gegebenes Denkmal
mit ihren schmierigen, schwitzenden Blicken bewer-
fen, bevor es durch die Enthüllung zum allge-
meinen Anblick prostituiert ist? Und sie sollen
auch noch kritisieren? Ist das nicht Revolution?
Ein Untertan soll kritisieren? Unerhört!

Frido

Ein Rassiber

In der Strafsache gegen den Diamanten-
fabrikanten Lemoine hat der Untersuchungs^
richter, der inzwischen bekanntlich diszipliniert
wurde, folgendes Schreiben erhalten:

„Hochgeehrter Herr! Ein Minister, der der
Volksvertretung ein Versprechen gegeben hat, das
er nicht einlösen kann, muß sein Amt opfern. Ich
hatte Ihnen versprochen, Ihnen bis zum 17. Juni
1908 einen 900 Karat schweren Diamanten zu
liefern. Zu meinem Bedauern bin ich infolge
widriger Umstände nicht in der Lage, mein Ver-
sprechen einzülösen. Freilich könnte ich Ihnen zu
dem bestimmten Termin statt des versprochenen
Diamanten mich in die Hände liefern, aber das
wäre kein vollwertiger Ersatz, obwohl ich noch
schwerer bin als 900 Karat. Ich bekenne ohne
Umschweife: Ich kann mein Versprechen nicht ein-
lösen, deshalb gebe ich Ihnen hiermit meine
Demission. Ich bitte Sie, versuchen Sie nicht
mich zurückzuhalten; dies wäre vergebliche Mühe,
denn mein Entschluß ist unerschütterlich. Was
liegt auch an einem Manne, wie ich bin? Ich
bin immer zu ersetzen. Anders steht die Sache
bei einem Untersuchungsrichter; hier mögen die
Personen wechseln, aber das Amt bleibt ewig.
Jawohl, Herr Untersuchungsrichter, Sie gehören
zu den Leuten, die nicht alle werden. Genehmigen

Sie u. s. w. liSiiroinS"

*

Endlich hat sich die bayrische Staatsregierung
aufgerafft. Schon drohte eine Bande von Schul-
meistern die Bande zu Zerreißen, die den Untertan
an den Thron fesselt, schon erhoben die Lehrer die
blutdürstigen Hände, um den Kultusminister unter
die Guillotine zu schleppen, als die Gerechtigkeit
endlich die Hand auf den Rädelsführer, den Lehrer-
Jakob Beyhl, den Redakteur der „Freien Bayrischen
Schulzeitung" legte. Man höre aber auch, welche
Sätze er u. a. verbrochen hat: „Das Zurückllehen
muß jedem Lehrer die Schamröte ins Gesicht
treiben. Der ganze Stand muß diese Geringein-
schätzung als eine persönliche Schande empfinden.
Der Volksschullehrer wird vom bayrischen Staat
in seiner gesellschaftlichen Stellung schwer ge-
schädigt." Man sollte kaum glauben, daß das
ein Christ geschrieben hat! Ein Lehrer, der die
Jugend erziehen soll, muß ihr doch vor allem em
Beispiel christlicher Demut geben; er muß sich
freuen, wenn er zurückstehen darf; er muß die
Hand der Männer küssen, die ihn gering em-
schätzen und die ihm dadurch Gelegenheit geben,
christliche Entsagung zu üben. Und was will er
mit der gesellschaftlichen Stellung? Will er melleuht
von reichen Leuten zum Abendbrot ein^laden
werden, damit er Fraß, Völlerei und Wollust
kennen lernt? Wahrlich, der Jakob Beyhl
sollte, statt so die Glocken des Aufruhrs
zu läuten, lieber die Glocken zur Messe
läuten; statt die Gebote der Demut aus
seinem Herzen herauszufegen, sollte er
lieber die Kirche rein fegen!
Index
[nicht signierter Beitrag]: Ein neuer -ismus
[nicht signierter Beitrag]: [ohne Überschrift]
[nicht signierter Beitrag]: An der schönen blauen Donau
[nicht signierter Beitrag]: Ein Kassiber
Monogrammist Frosch: Galgenhumor
Julius v. Szeremley: Eine Münchner Lokalpatriotin
-g-: Was ist der Klostergeist?
Frido: Blut ist dicker als Papier
Epe: Die Übergangenen
Frido: Revolution von oben
 
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