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Der Drachentöker

A. Schmidhammer

ich meine ganze Tätigkeit Ihrem braven Vater
widmete — er hat mir's gedankt, auf seinem
Sterbelager gedankt! — aber Sie! — Sie haben
mir den Undank reichlich ins Glas gegossen, und
nun wollen Sie mich noch beschimpfen?' — Dor
gung hei hen! — un Axel em nah: -Lieber Herr
Hawermann, es ist ja nicht so gemeint. Ich wollte
nur mal selbst versuchen. .,Aewer '1 was so
meint; hei wüßt recht gaud, dat't so meint was!
Hei wull den oll n Mann nich mihr in sinen
Kram hewwen. . /"

Das las der Friese. Wie Eisenhämmer jeder
Satz, jedes Wort, jedes Bild. Ein Widerschein
des wirklich Geschehenen, der Text zu der stumm
vor unfern Blicken wandelnden Tragödie . . .

Und als wir die Worte des Dichters wieder
und wieder gehört hatten, beruhigten sich unsere
jungen Seelen wie nach einem Gewitter der tobende
Lärm der Bäume, das Rauschen der
Blätter und das Rieseln der Tropfen
vom Gezweige verstummt. —

Und die Tür ging auf und eine
schöne, dunkel gekleidete Frau kam
ins Zimmer geschritten, trat zu uns
an den Tisch und legte ihre feinen
kühlen Hände auf unsre Fäuste,

Lippen und Augen.

„Ich danke Euch, Jungen!" sprach
sie. „Ich danke Euch, daß Ihr für
mich geweint und gezürnt habt, und
mich wert gehalten habt in dieser
Stunde! Bewahrt mir Eure Liebe!

Wenn ich aus Königsschlössern ver-
bannt bin, will ich in die Kammern
der Jugend, in die^ Hütten der Ar-
men und die Häuser der Bürger
gehn und sie werden mich aufnehmen
und nicht vergessen — ich bin die
Treue!"

So sprach die hohe Frau. Wir
starrten ihr nach, als sie wieder ent-
schwand und sahen sie über die
Straße schreiten. Von Tür zu Tür
sahen wir sie gehen wie eine stille,
traurige, tapfere Frau, die für ihren
kranken Sohn um Hilfe und Heilung
bettelt. Von Stadt zu Stadt, von
^and zu Land ist sie gegangen und
nirgends mit leeren Händen. Dann
kehrte sie heim in den Sachsenwald.

Und in einer Juninacht des Jahres
1892 iahen wir sie wieder.

Fackeln leuchteten über einen weiten
Platz, die Linien der Propyläen an

den Nachthimmel zeichnend und die Säillen eines
weißen, leuchtenden Künstlerheims wie Flammen-
säulen entfachend. Zwischen den Flammen aber
stand der Mann, den ich einst im Tiergarten ge-
sehen, noch immer groß, ruhig unb stark wie einst,
noch immer den mächtigen Körper gekrönt mit dem
Kleinod dieses Hauptes, unter buschigen Brauen
das klare Aug' und die feine Hand wie segnend
gegen uns Jugend gestreckt, die wir ihm jubelnd
huldigten. Ueber ihn hinaus jedoch ragte das
Bild der dunklen Frau, die uns zwei Jahre vor-
her getröstet hatte und nun wie eine Mutter
hinter ihm stand, eine Hand auf seiner Schulter
und mit der andern zu uiis niederdeutend : „Siehe,
wie reich Du bist! Alll diese haben Dir Treue
gewährt und gehalten."

Nie wieder ist ein gleicher Sturm von Liebe
über diesen Platz gebraust, über die Villen eines


Malers und eines Dichters, über die Giebel der
Tempel der Kunst und griechischer Schönheit!

Jetzt ist die Treue eine stumme Grabeshüterin
geworden. Unter den Bäumen von Friedrichsruh
wandelt sie unsichtbar und ewig wie das Schweigen
des Waldes und sammelt in den Nächten den
Tau, der auf seufzenden Gräsern liegt. Wenn
Kranz um Kranz niedersinkt an den Stufen des
Grabmals jenes Toten, ist sie es, die den Tau
auf die welkenden Blätter streut, daß sie langer
leben als sie hofften zu leben. Wenn Menschen
kommen, die nicht wissen, wo die Hülle des Ent-
schlafenen liegt, ist sie es, die ihnen leise die Hände
führt. Sie ist es, die den Plaudernden stumm
macht und den Törichten ernst in der Nähe ihres
Lieblings. Und sie ist es, die dankbar die Stirnen
derer küßt, die seiner gedenken.

A. I>© Nora

provisorisch

Die französische Regierung ver-
sichert immer wieder, daß die Be-
setzung Marokkos und besonders
Azemmurs nur provisorisch sei.
Natürlich! Im irdischen Leben gibt
es überhaupt nichts Definitives,
alles ist hier nur provisorisch, wie
die Geschichte lehrt:

Die Eroberung Italiens und des
Mrients durch die Gothen war nur
provisorisch, denn sie dauerte nicht
ewig.

Die Herrschaft der Götter Grie-
chenlands war nur provisorisch,
denn sie wurden durch das Christen-
tum gestürzt.

Die Kultur des Mittelalters war
nur eine provisorische, denn sie
wurde durch die Kultur der Neu-
zeit abgelöst.

Die Tertiärformation war auf
der Erde nur provisorisch, denn sie
wurde nach lumpigen \o ooo oder
20 000 Jahren durch das Diluvium
abgelöst. Frido

- ^9


Hriedrrchsruy

Devot

Fürst: Ist das eine Hitze, eine
Schwüle!

Höfling: Ja, ich glaube, Hoheit
geruhen, ein Gewitter zu bekommen.
Index
Arpad Schmidhammer: Der Drachentöter
Frido: Provisorisch
Arpad Schmidhammer: Friedrichsruh
[nicht signierter Beitrag]: Devot
 
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