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Offiziere vom Schonenschen Dragoner-Regiment in Ystad

Die Meer-Reiter

Klarheit verschaffe"; Marie aber begann von
neuem, das Haus GotteS zu besuchen: vielleicht
konnte ihr das ein wenig helfen in diesen! ernstesten
Zeitvunkt ihres Lebens.

Einige Zeit darauf holte der Mediziner sich
Mariannes Jawort. Ihrer Freundin Marie er-
zählte sie jedoch erst davon, als sie an deren Wesen
merken konnte, daß „auch sie das einzige, woran
wirklich etwas ist, erfahren hatte"; so drückten sie
sich näinlich beide aus, als sie sich einander an-
vertrauten. Der Theologe war etwas schwerfäl-
liger als sein guter Freund; drum hatte eS mit
ihm fünf Tage länger gedauert.

Für Marianne und Marie brach nun eine
glückliche und interessante Zeit an; sie hatten sehr
vieles zu erörtern- Marianne gab Marie darin
recht, daß eS nicht leicht sei, sich einen sichern
Glauben anzueignen; sie wisse jedenfalls nicht
mehr, was sic glauben solle; aber das menschliche
Wissen sei ja unvollkommen, und die Wissenschaft
stecke noch in den Kinderschuhen; trotzdem sei es
natürlich stets besser zu wissen als zu glauben.
Zu dieser Auffassung konnte Marie sich nicht
bekennen: und so disputierten die beiden redlich
zusammen. Es zeigte sich, daß eine tiefe Kluft
zwischen ihnen bestand, eine Kluft, wie sie zwischen

allen „selbständigen" Persönlichkeiten existieren
muß. Trotzdem wurde diese Kluft für einige Zeit
durch die bevorstehende Hochzeit und die Beschaf-
fung der Aussteuer verdeckt. Nach der Hochzeit
aber kam der Gegensatz wieder zum Vorschein.
Während die Verschiedenartigkeit der Berufe den
Pfarrer und den Arzt nicht daran hinderten, zu-
sammen L'Hombre zu spielen und Toddy zu trinken,
gestattete den jungen Frauen ihre verschiedenartige
Entwicklung kein so idyllisches Beisammensein.
Marie war wirklich recht hitzig im Glauben —
wie es bei jungen Pfarrersfrauen häusig der Fall

• f* — • frttnita nirflf miffipßciT.

ihre Freundin zu ihrer LebcnSanschauung zu be-
kehre». Marianne aber fühlte sich, wie sie sagte,
mehr als Mensch denn jemals zuvor. Sie
schleppte Bücher herbei, die Marie unbedingt lesen
sollte; aber Marie wollte die Bücher gar nicht
lesen; sie kenne sic schon im voraus und könne
mit Bestimmtheit sagen, daß s i e sich nicht dadurch
überzeugen lasse. Ja, ja, dann wolle Marianne
eö ihr erklären: Die „Seele", das sei nichts an-
deres als Nerven, und die „Persönlichkeit" hänge
ganz vom Gewicht und von der Feinheit des
Gehirns ab. Marianne war eine grimmige Mate-
rialiflin geworden.

All dies artete in einen bitterlichen Streit aus, da-
rin nichts heilig blieb, nicht einmaldicLiebe; denn es
fragte sich, ob sie die göttliche Quelle des Lebens ge-
nannt werden solle oder die der ganzen Lebewelt ge-
meinsame animalische Seite der menschlichen Natur.

„Mein Mann ist ganz meiner Meinung," er-
klärte Marianne triumphierend. Und Marie konnte
das gleiche von sich behaupten.

Tie Männer bemerkten die Dissonanz zwischen
ihren Frauen und beklagten sich darüber vor ein-
ander. Sie erörterten die Sache in einfachen,
Moiiduiiacn: „Man soll nicht zu viel mit

Oscar Matthiesen (Kopenhagen)

nicht gut für sie." — „Ja." sagte der Pfarrer, j
„ich Hab' gewiß einen Fehler begangen, indem ich i
meiner Frau Interesse für Theologie beibringen ,
wollte; wenn sic nur gläubig ist — und das ist
ja der Fall — so genügt das." — „Zum Glück
ist Marianne i» andern Umständen," sagte der
Arzt. Ja, beim Pfarrer war's ebenso. — „Na, |
dann wird'S schon vorübergehn," sagten sie uni- l
sono. Und sie stießen mit den Gläsern an und
beglückwünschten sich gegenseitig.

Männer haben keine Ahnung von der Man-
nigfaltigkeit der weiblichen Natur; das zeigte sich
auch hier. In den zehn Jahren, während deren
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